Weish 7,7-11; Ps 90,12-13.14-15.16-17; Hebr 4,12-13; Mk 10,17-30
Weish 7
7 Daher betete ich und es wurde mir Klugheit gegeben; / ich flehte und der Geist der Weisheit kam zu mir.
8 Ich zog sie Zeptern und Thronen vor, / Reichtum achtete ich für nichts im Vergleich mit ihr.
9 Einen unschätzbaren Edelstein stellte ich ihr nicht gleich; / denn alles Gold erscheint neben ihr wie ein wenig Sand / und Silber gilt ihr gegenüber so viel wie Lehm.
10 Mehr als Gesundheit und Schönheit liebte ich sie / und zog ihren Besitz dem Lichte vor; / denn niemals erlischt der Glanz, der von ihr ausstrahlt.
11 Zugleich mit ihr kam alles Gute zu mir, / unzählbare Reichtümer waren in ihren Händen.
In der ersten Lesung hören wir einen Ausschnitt aus einem „Hymnus“ an die Weisheit. Es geht dabei um eine Betrachtung der Weisheit selbst, aber auch darum, mit ihr durchs Leben zu gehen. Das Buch der Weisheit ist ja von König Salomo geschrieben, der diese von Gott als Gabe erbeten hat. In den vorausgehenden Versen beschreibt er seinen natürlich Ursprung ins Leben wie bei jedem anderen Menschen. Er ist großgezogen worden, hat die natürlichen Dinge gelernt wie jeder andere. Doch dann mit seiner Thronbesteigung erbat er bei Gott die Gabe der Weisheit. Dies wird uns in Vers 7 angedeutet. Das ist ein wichtiger Aspekt, den wir bedenken müssen, weil er bis heute gilt: Wir werden mit natürlichen Begabungen beschenkt, die eine Grundlage für die übernatürlichen Gaben darstellen. Jeder Mensch ist durch die eigenen individuellen natürlichen Gaben für bestimmte Charismen, die vom Geist Gottes gegeben sind, prädisponiert. Alles, was uns an Charismen geschenkt wird, ist für den Dienst am Nächsten gegeben, nicht zur Selbstbeweihräucherung. Das volle Potenzial und vor allem den Segen Gottes erhalten wir in einem Leben mit den Charismen, wenn wir aus Liebe diese Gaben einsetzen. Sonst nützt es uns nichts, um auf das Hohelied der Liebe im ersten Korintherbrief zu verweisen.
Salomo hat die Gabe mit reiner Absicht erbeten. Er möchte nach Gottes Willen regieren und hat deshalb materialistische Wünsche ausgeschlagen. Er hat weder Reichtum noch Gesundheit noch Schönheit erbeten. Die Weisheit ist ihm das höchste Gut und deshalb kostbarer als alle irdischen Güter. Darin ist uns Salomo ein großes Vorbild. Auch wir sollen streben nach den höheren Gnadengaben. Uns soll es um die Schätze des Himmelreichs gehen, nicht um die Schätze des irdischen Lebens, die nur begrenzt sind und nicht ins ewige Leben übertragen werden können. Das heißt nicht, dass man keinen irdischen Besitz haben darf, aber es geht darum, woran man sein Herz hängt, was die höchste Priorität in unserem Leben besitzt.
Salomo schätzt die Weisheit sogar höher als das natürliche Licht der Sonne. Das geschaffene Licht erlischt irgendwann, doch das übernatürliche Licht ist ewig.
Mit der Weisheit kommt alles Gute. Es ist, was Jesus uns immer wieder in den Evangelien erklärt: Wir müssen uns ganz an Gott und seine Güter hängen, alles andere – also gerade die natürlichen Güter – werden uns dazugegeben. Weil Salomo die Weisheit Gottes erbeten hat, um ein guter König zu sein, ist ihm wirklich alles andere gegeben worden. Kein König war so reich und prunkvoll wie er. Sogar die Königin von Saba reist von weit her an, um sich alles zu besehen und sich von seiner Weisheit zu überzeugen.
Mit der Weisheit kommt alles Gute. Das ist uns ein wichtiger Hinweis, dem wir im mehrfachen Schriftsinn eingehender betrachten müssen. Gottes Weisheit ist Person geworden in Jesus Christus. Und mit seinem Kommen ist alles gut geworden. Nicht umsonst sagen die Menschen über ihn, den Heiland: Er hat alles gut gemacht (Mk 7,37). Das dürfen wir heilsgeschichtlich verstehen, denn durch seine Erlösungstat ist uns der Zugang zum Vater wiederhergestellt worden. Wir dürfen das sakramental weiterführen: In der Taufe ist alles gut geworden. Wir haben uns ganz dem Herrn verschenkt als seine Kinder. Wir dürfen ihn Vater nennen und dürfen in der Taufgnade ganz mit Gott verbunden leben. Wenn wir fallen und umkehren, vergibt er uns die Schuld. Wir dürfen uns ganz mit Gott vereinen in der Eucharistie. Und am Ende der Zeiten wird die Weisheit in Person, Jesus Christus, wiederkommen und alles endgültig gut machen. Er ist die Sonne der Gerechtigkeit, die nicht erlischt. Dann werden wir sehen, dass es sich definitiv gelohnt hat, ihn über alle irdischen Güter zu stellen!
Ps 90
12 Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz.
13 Kehre doch um, HERR! – Wie lange noch? Um deiner Knechte willen lass es dich reuen!
14 Sättige uns am Morgen mit deiner Huld! Dann wollen wir jubeln und uns freuen all unsre Tage.
15 Erfreue uns so viele Tage, wie du uns gebeugt hast, so viele Jahre, wie wir Unheil sahn.
16 Dein Wirken werde sichtbar an deinen Knechten und deine Pracht an ihren Kindern.
17 Güte und Schönheit des Herrn, unseres Gottes, sei über uns! / Lass gedeihen das Werk unserer Hände, ja, das Werk unserer Hände lass gedeihn!
Als Antwort auf die Lesung beten wir Psalm 90. Er ist besonders, weil er Mose zugeschrieben wird. Es handelt sich um einen Klagepsalm, der die Vergänglichkeit des Menschen beklagt. Dies passt sehr gut zur Gegenüberstellung von weltlichen Gütern und überirdischer Gabe Gottes, die ewig ist.
Die klagenden Anteile werden in der Leseordnung übersprungen. Mit Vers 12 beginnen wir mit dem Kern des Psalms, denn er beinhaltet die zentrale Bitte an Gott: „Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz.“ Gott möge den Israeliten damals wie uns Christen heute die Gnade schenken, das Leben bewusst zu leben. Jesus nennt es „wachsam sein“ und nüchtern bleiben statt berauscht von der Weltlichkeit der Welt. Wir sollen immer so leben, als wäre es unser letzter Tag. Dann werden wir ihn bewusst durchleben und uns von Herzen um ein Leben nach den Geboten bemühen. Wir sollen nicht so dahinvegetieren, als gebe es kein Morgen, perspektivlos und unmotiviert. Wir sollen stets sinnerfüllt leben. Wenn Gott uns seine Weisheit schenkt, wird unser Herz weise. Diese Weisheit ist ewig und vollkommen, weil sie eine Gabe Gottes darstellt.
„Kehre doch um, HERR! – Wie lange noch? Um deiner Knechte willen lass es dich reuen!“ Gott soll nicht umkehren wie ein Mensch im Sinne einer Bekehrung von den Sünden. Gott ist vollkommen und heilig, er ist nur gut. Aber er soll sein Angesicht den Israeliten wieder zuwenden. Mose betet diese Worte wohl im Kontext eines Leidens aufgrund der Sünden des Volkes. Wir verstehen heute, dass nicht Gott sein Angesicht von uns abwendet, sondern der Mensch sich von ihm entfernt. Gott muss nichts „bereuen“, weil das eine Eigenschaft ist, die sündige Menschen haben können, nicht der heilige Gott. Das ist eine menschliche Sichtweise auf Gott, die ihrer Zeit geschuldet ist. Das ist ein Anthropomorphismus, eine Darstellung Gottes in menschlichen Zügen.
„Sättige uns am Morgen mit deiner Huld“ – Gott soll dem Israeliten Segen verleihen für den Tag. Das gilt auch für uns heute. Wenn wir den Morgen mit einer guten Meinung begehen und alles im Laufe des Tages Gott zur Ehre und in seiner Gegenwart tun, dann wird es geheiligt und gereinigt. Dann erfüllt es unseren Tag mit Sinn. Dann leben wir so, dass wir die Beschränktheit unseres Lebens stets vor Augen haben. Und wenn Gottes Segen über allem steht, dann ist der Mensch zeitlebens glücklich. Von Gott hängt ab, ob das Werk unserer Hände gedeiht, Früchte trägt, etwas Gutes bringt. Wir können wirklich sagen: An Gottes Segen ist alles gelegen. Der Morgen kann mehrfach betrachtet werden. Auch der Beginn des Lebens wird als Morgen umschrieben, analog zum „Lebensabend“. Auch der Beginn des neuen Lebens als Getaufter ist in diese Richtung zu begreifen. Es ist schließlich auf Salomo zurückzubeziehen, dessen „Morgen“ der Beginn seiner Regierungszeit darstellt.
Vers 15 erinnert noch einmal daran, dass es ein Klagepsalm ist, der im Kontext einer realen Not formuliert wird. Mose hat immer wieder stellvertretend für das Volk bei Gott geklagt und um Linderung der Leiden erbeten. Gottes Heil soll den jetzt noch Leidenden zuteilwerden solange wie die Leiden andauern. Wir können jedoch vor dem Hintergrund des gesamtbiblischen Zeugnisses sagen: Gottes Heil dauert nie nur eine begrenzte Zeit an. Es ist ewig. Leiden sind begrenzt, Gottes Heil ist ohne Ende.
Gottes Wirken soll sich zeigen an den Knechten und Mägden Israels. Das heißt, dass an ihnen Heilung und Segen sichtbar werden soll, damit alle Außenstehenden Gott die Ehre geben.
Mose und das Volk Gottes ersehnen den Segen Gottes, der sich zeigt im Werk ihrer Hände. Sie möchten wieder fruchtbar sein auf jegliche Weise. Was sie anpacken, soll von Erfolg gekrönt sein. Sie ganz an Gott zu hängen, heißt also nicht nur, dass man alles von Gott erhält. Es bedeutet auch, dass man in Verbindung mit ihm Frucht bringt. Jesus beschreibt dies mit dem Gleichnis vom Weinstock. Getrennt von ihm können wir nichts tun, aber als Rebe in Verbindung mit dem Weinstock bringen wir reiche Frucht. Das gilt schon für das Alte Israel. Wenn es wieder zurückkehrt zur Gemeinschaft mit Gott, wird es wieder reiche Frucht bringen.
Hebr 4
12 Denn lebendig ist das Wort Gottes, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenken und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens;
13 vor ihm bleibt kein Geschöpf verborgen, sondern alles liegt nackt und bloß vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft schulden.
In der Lesung hören wir aus dem Hebräerbrief von der Wirksamkeit des Wortes Gottes, das wie ein zweischneidiges Schwert die Geister scheidet, alles aufdeckt und zur Entscheidung drängt: für oder gegen Gott. Das Wort deckt die innersten Regungen des Herzens auf, die geheimsten Gedanken, lässt erkennen, was in uns noch nicht gut ist. Das kann eine geschriebene Botschaft tun, aber vor allem geht es hier um das fleischgewordene Wort Gottes. Wenn wir uns darunter Jesus Christus vorstellen, begreifen wir diese Worte in ihrer Tiefe: An seiner ganzen Person, nicht nur an seiner Verkündigung, scheiden sich die Geister. Die einen entscheiden sich für ihn, die anderen lehnen ihn ab. An ihm werden die bösen Gedanken derer offenbar, die nach außen hin so fromm tun – die Pharisäer und Schriftgelehrten, die Sadduzäer, kurzum: die gesamte religiöse Elite seiner Zeit. Und all diese Dinge sind uns nicht neu, wenn wir den Worten Simeons im Tempel aufmerksam gelauscht haben: Maria ist bei der Aufopferung des Sohnes im Tempel bereits angekündigt worden, dass dieses Kind all dies bewirken wird. In visionärer Schau wird all dies bestätigt durch die Johannesoffenbarung: Der Menschensohn wird beschrieben mit einem zweischneidigen Schwert, das aus seinem Mund kommt. Und wenn die Endschlacht beschrieben wird, wird Christus als Feldheer der himmlischen Armee ebenfalls als Wort Gottes bezeichnet. Das ist seine Waffe – das Wort Gottes, das schärfer ist als jede irdische Waffe, wirksamer und gründlicher in der Ausmerzung des Bösen. Mit dieser Waffe erfolgt nicht nur die Bekämpfung des Bösen in der Versuchung, weshalb wir den Namen des Herrn anrufen sollen und beten sollen insbesondere in Versuchungssituationen. Dieses fleischgewordene Wort Gottes richtet auch: Christus wird wiederkommen als verherrlichter Menschensohn am Ende der Zeiten, um das Weltgericht einzuberufen. Es wird wahrlich jedes Geschöpf nackt und bloß vor seinen Augen stehen, denn keiner kann dem Gericht entrinnen. Alles wird aufgedeckt werden und es wird so einige Überraschungen geben. Leben wir so, dass wir uns vor diesem Moment nicht zu fürchten brauchen! Wenn wir vor Gott nichts zu verbergen haben, können wir gelassen darauf zugehen.
Mk 10
17 Als sich Jesus wieder auf den Weg machte, lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?
18 Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott.
19 Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!
20 Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt.
21 Da sah ihn Jesus an, gewann ihn lieb und sagte: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!
22 Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen.
23 Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!
24 Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen!
25 Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.
26 Sie aber gerieten über alle Maßen außer sich vor Schrecken und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden?
27 Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich.
28 Da sagte Petrus zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.
29 Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat,
30 wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben.
Im Evangelium geht es um eine Begegnung zwischen Jesus und einem reichen Mann. Dieser kommt zu Jesus und fragt ihn, was er für das ewige Heil tun muss. Jesus antwortet ihm, dass er die Gebote Gottes halten soll. Auf die Nachfrage des Mannes zählt Jesus ihm einige der Zehn Gebote auf: „Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!“ Was er hier aufzählt, sind die Gebote 4-10 des Dekalogs, ausgenommen jene, auf die er im Folgenden hinauswill. Es geht also um das Nächstenliebegebot: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Dieses entstammt Lev 19,18 und fasst die Gebote 4-10 des Dekalogs zusammen. Jesus zählt alles auf, außer die Gebote, die mit Begierde zu tun haben! Und das tut er ganz bewusst. Denn er weiß schon längst, was das für ein Mann ist, der mit ihm spricht.
Er hält bereits alle Gebote, nur fehlt ihm die Freiheit von der Begierde nach Hab und Gut. Und deshalb sagt Jesus zu ihm die entscheidenden Worte: „Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!“ Der Mann soll seinen Besitz verkaufen und jenen geben, die es brauchen. Seine irdischen Schätze können ihm nicht das ewige Leben bei Gott schenken, sondern nur die Ansammlung von himmlischen Schätzen.
Doch genau dies fällt ihm schwer und Jesu Worte treffen ihn an seiner wunden Stelle. Er geht traurig weg, weil er sehr reich ist. Das Problem ist nicht einfach, dass er viel besitzt, sondern dass er daran hängt. Er kann es nicht über das Herz bringen, es zu verkaufen und mit den Bedürftigen zu teilen, weil er „reich im Geiste“ ist. Sein Herz hängt an irdischem Reichtum, er begehrt es und deshalb ist kein Platz für Gott mehr darin. Jesus erklärt im Nachgang den Menschen, wie schwer es für reiche Menschen ist, ins Himmelreich zu kommen, weil sie das eigene Herz sehr schnell an dem irdischen Besitz verlieren. Damit stehen sie sich aber selbst im Weg. Jesus sagt, dass jenen das Himmelreich gehört, die arm sind vor Gott. Und das meint die innere Losgelöstheit, die Freiheit von Begierden. Natürlich schließt das mit ein, dass auch ein Reicher trotz seines irdischen Besitzes „arm im Geiste“ sein kann. Und umgekehrt kann auch jemand, der wenig besitzt, sehr daran hängen oder nach Reichtum begehren, den er nicht hat. Dann ist auch dieser Mensch nicht fähig, ins Himmelreich einzugehen.
Wir lernen noch etwas Anderes von diesem Evangelium: Wer nicht alle Gebote Gottes hält, ist nicht im Stand der Gnade. Wir können nicht alles halten und uns ein unliebsames Gebot herauspicken. Gottes Gebote zu halten, hat etwas mit Liebe und Beziehung zu tun. Wenn wir einen Ehebund eingehen, nehmen wir unseren Ehepartner ja auch mit allen seinen Facetten an. Wir können nicht einen Teil ausblenden, wenn wir am Traualtar die Treue versprechen. Liebe geht aufs Ganze und so ergibt es keinen Sinn, Gottes Gebote zu selektieren. Dieser Mann liebt Gott und seinen Nächsten schon in gewissem Maße, aber er liebt sich selbst und seinen Reichtum ein bisschen mehr. Solange er das nicht überwindet, kann er kein Jünger sein und auch keinen Platz im Himmelreich erhalten. Denn im Himmel hat nur die vollkommene Liebe Bestand.
So können wir das auch auf das Alte Israel beziehen. Selbst wenn es alle anderen Gebote Gottes hält, aber weiterhin Götzendienst betreibt, ist es Gott in der Bundesbeziehung untreu. Entweder nimmt es die gesamte Torah an oder nicht. Es gibt kein Dazwischen. Wie sehr man in Mark und Bein geschieden wird, sagt uns ja die Betrachtung des Wortes Gottes im Hebräerbrief.
Es ist für einen Reichen wirklich schwer, ins Himmelreich zu kommen. Jesus wiederholt diese Worte, weil sie so unglaublich wichtig sind. Er greift zu einem Bild, mit dem seine Jünger etwas anfangen können: „Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ Das Bild an sich zeigt humorvoll, dass es unmöglich ist. Wer reich ist – v.a. im Geiste -, kann gar nicht durch die Tür des Himmels hindurch. Der Ballast irdischer Güter hält ihn zurück. Dieses Bild ist nicht zufällig gewählt. Seit dem 9. Jh. ist die Interpretation bezeugt, dass in Jerusalem eine enge Gasse mit entsprechendem Tor existierte, die im Volksmund „Nadelöhr“ genannt worden ist. Ein Kamel konnte nicht hindurchgehen, geschweige denn mit zusätzlichem Gepäck. Auch wenn diese These heutzutage oft angezweifelt wird, hat sie etwas für sich. Jesus spricht immer wieder von der Tür, durch die der Mensch hindurchgehen muss, um gerettet zu werden, auch dass diese Tür sehr schmal ist. Er sagt im Johannesevangelium auch, dass er selbst diese Tür ist.
Wenn wir also ins Himmelreich gelangen möchten, können wir nicht voller Geldkoffer, Schatztruhen und Kleiderschränken, Aktienpapieren und Bankkonten dorthin gelangen. Schon in unserem irdischen Leben kann Gott uns nur dann reichlich segnen und in unserem inneren Tempel Wohnung nehmen, wenn dieser nicht mit den irdischen Schätzen gefüllt ist. Unser Herz muss ihm ganz anhangen, damit wir seinen himmlischen Reichtum empfangen können. Es kann im Herzen nur ein Entweder-Oder geben. Wir können nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon.
Die Jünger erkennen die Drastik der Worte Jesu und fragen, wer dann noch gerettet werden kann. Doch Jesus tröstet sie: Für Gott ist nichts unmöglich. Wir müssen hier weiter ausformulieren: Er kann die Herzen der Menschen verwandeln und die Gefangenen in ihrem Reichtum befreien. Er kann eine innere Freiheit von Reichtum schenken, sodass der Mensch mithilfe seiner Gnade zum Armen im Geiste werden kann. Wie viele Heilige haben das in ihrem Leben erfahren! Ein besonders eindrückliches Beispiel stellt der Hl. Franziskus von Assisi dar, dessen Gedenktag wir vor einigen Tagen begangen haben. Gott schenkt uns die Freiheit, auch vom Reichtum!
Petrus sagt daraufhin, dass die Apostel alles verlassen haben, um Jesus nachzufolgen. Ihre Berufung besteht in der Armut und Entsagung. Jesus ermutigt sie, indem er ihnen zusagt, dass sie vielfach für ihre Entsagungen und Opfer entschädigt werden. Wer bereit ist, aus Liebe zu Gott alles aufzugeben, selbst die menschlichen Urbeziehungen zu Familienmitgliedern, wird hundertfach belohnt werden. Wer Gott an die erste Stelle stellt, dem wird Gott alles geben, was er braucht.
Ihre Magstrauss