Röm 14,7-12; Ps 27,1.4.13-14; Lk 15,1-10
Röm 14
7 Denn keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber:
8 Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn.
9 Denn Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.
10 Du aber, was richtest du deinen Bruder? Und du, was verachtest du deinen Bruder? Wir werden doch alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
11 Denn es steht geschrieben: So wahr ich lebe, spricht der Herr, vor mir wird jedes Knie sich beugen und jede Zunge wird Gott preisen.
12 Also wird jeder von uns vor Gott Rechenschaft über sich selbst ablegen.
In der heutigen Lesung hören wir wieder aus dem Römerbrief, diesmal aus dem Kapitel 14. Wir alle sitzen in einem Boot. Als Kirche sind wir eine übernatürliche Gemeinschaft, die zusammen von diesem Leben ins ewige Leben übergeht. Unser gemeinsames Ziel sollte es sein, dass wir uns alle im Himmelreich wieder sehen. Dafür müssen wir einander auch unbedingt helfen.
Durch die Taufe leben wir nicht mehr uns selbst, sondern wir leben für Christus. Und wenn wir dann sterben, sterben wir nicht für uns selbst, sondern für Christus. Durch die Taufe sind wir zu seinem Eigentum geworden. Nicht umsonst sprechen wir in der Tauftheologie von einem Siegel, das dem Täufling aufgedrückt wird. Mit Siegeln hat man in der Antike sein Eigentum markiert, ein offizielles Dokument signiert oder eine geheime Sache verschlossen. Wir sind Gottes Eigentum, seine Familie geworden. Und deshalb sagt Paulus hier: „Wir gehören dem Herrn.“ Durch die Taufe auf den Tod und die Auferstehung Jesu Christi (davon spricht Paulus ausführlich im sechsten Kapitel) sind wir zuinnigst mit ihm verbunden. Das nimmt uns die Angst vor dem Tod und auch vor den Herausforderungen des irdischen Daseins. Wir sind ja nie allein, denn wir sind ganz mit Christus vereint. Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Nichts!
Das hat aber auch zur Folge, dass wir uns nicht übereinander erheben oder gegenseitig verurteilen sollen. Jeder Mensch muss sich am Ende vor Gott verantworten. Er wird richten, da müssen wir ihm diese Aufgabe nicht schon in diesem Leben abnehmen. Wir können das auch gar nicht, weil wir nicht ins Herz der Menschen sehen können. Wir können immer nur die Spitze des Eisbergs sehen. Deshalb sind wir keine kompetenten Richter. Sicher gibt es ein irdisches Gerichtswesen, das für Recht und Ordnung sorgt, aber bei der Frage, welcher Mensch gerecht vor Gott ist, können wir nie ein abschließendes Urteil fällen.
Alle werden sich vor Gott verantworten müssen und alle werden ihr Knie beugen vor dem Allmächtigen. Was erhebt sich dann der eine Mensch über den anderen? Keiner steht besser vor Gott da aus eigenem Verdienst. Wir alle sind erlösungsbedürftig. Kein Judenchrist kann sich über die Heidenchristen erheben, weil alle erlöst sind nicht aus eigener Kraft, sondern durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi.
Ps 27
1 Von David. Der HERR ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist die Zuflucht meines Lebens: Vor wem sollte mir bangen?
4 Eines habe ich vom HERRN erfragt, dieses erbitte ich: im Haus des HERRN zu wohnen alle Tage meines Lebens; die Freundlichkeit des HERRN zu schauen und nachzusinnen in seinem Tempel.
13 Ich aber bin gewiss, zu schauen die Güte des HERRN im Land der Lebenden.
14 Hoffe auf den HERRN, sei stark und fest sei dein Herz! Und hoffe auf den HERRN!
Wir beten als Antwort einen ganz bekannten Psalm, der das Vertrauensverhältnis Davids zu Gott offenbart. Es gibt hier messianische Hinweise bzw. erkennen wir Christus im Psalm: Der HERR, Jahwe, ist mein Heil. Das hebräische Wort weist denselben Stamm auf wie der Name Jesu. Das ist kein Zufall. Der Psalm ist ganz und gar von Vertrauen geprägt („vor wem sollte mir bangen“, „Zuflucht“, „Hoffe auf den HERRN“). Zugleich wird die Sehnsucht nach dem ewigen Leben deutlich: „im Haus des HERRN zu wohnen alle Tage meines Lebens“; die Freundlichkeit des HERRN zu schauen“. Das entspricht der Sehnsucht des Paulus, der in der Erwartung lebt, bald womöglich sein Leben für Christus hingeben zu müssen. Seine Briefe sind von einer Naherwartung geprägt, die alles andere als Angst vor dem Tod beinhaltet.
Das „Haus Gottes“ ist auf wörtlicher Ebene zunächst auf den Tempel in Jerusalem zu beziehen, wo König David wirklich stets bei Gott verweilte und über seine Worte im Tempel nachsann. Es ist auch sakramental zu beziehen auf die Kirche, in der wir zum Allerheiligsten treten dürfen, um nachzusinnen in der Gemeinschaft der Christgläubigen, im Angesicht des eucharistischen Herrn. Dieses Nachsinnen dürfen wir auch moralisch verstehen gerade mit Blick auf die paränetischen Aussagen des Philipperbriefes: Wir sollen in unserem Herzen, das der Tempel Gottes ist, nachsinnen über die Gebote Gottes und sie fest ins Herz einschreiben. So werden sie unser ganzes Verhalten beherrschen und bestimmen.
„Das Land der Lebenden“ ist durch und durch ein Zeugnis für die Auferstehungshoffnung von Christen. Dies zeigt, dass David mal wieder geisterfüllt diesen Psalm formuliert. Wie kann ein israelitischer König 1000 Jahre vor Christi Geburt so etwas Österliches sonst sagen? Lob sei Gott, dass er schon damals diesen König mit seinen wunderbaren Verheißungen erfüllt hat! Das Land der Lebenden ist das Himmelreich. Wir werden leben, auch wenn wir sterben. Das wird Jesus immer wieder erklären. Denn Gott ist ein Gott der Lebenden, nicht der Toten. Und aus diesem Grund spricht Paulus im Römerbrief ja auch positiv über den Tod trotz des Gerichts. Wir werden in dieses Land der Lebenden kommen, was gibt es für schönere Aussichten!
Wie König David zum Ende hin sagt, sollen wir alle auf den Herrn hoffen und stark sein. Diese Stärke können wir nicht aus uns selbst heraus gewinnen, aber sie ist uns geschenkt durch die Gnade der Taufe. Gott selbst verleiht dem Christ die Stärke, in der Bedrängnis durchzuhalten und nicht zu verzweifeln. Er richtet uns wieder auf, wenn wir am Boden liegen. Wir dürfen nie die Hoffnung verlieren, denn wir sind auf das Osterereignis hin getauft. Wir können gar nicht hoffnungslose Wesen sein, wenn wir in der Taufgnade leben.
Lk 15
1 Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören.
2 Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen.
3 Da erzählte er ihnen dieses Gleichnis und sagte:
4 Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet?
5 Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern,
6 und wenn er nach Hause kommt, ruft er die Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war!
7 Ich sage euch: Ebenso wird im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben.
8 Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das Haus und sucht sorgfältig, bis sie die Drachme findet?
9 Und wenn sie diese gefunden hat, ruft sie die Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir, denn ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte!
10 Ebenso, sage ich euch, herrscht bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.
Heute hören wir mehrere Gleichnisse über verlorene und wiedergefundene Dinge. Zu dieser Gleichnisserie gehört eigentlich auch das Gleichnis vom verlorenen Sohn, doch dieses wird uns heute nicht verlesen. Stattdessen geht es um das verlorene Schaf und um die verlorene Drachme.
Die Ausgangssituation ist folgende: Viele Zöllner und Sünder kommen zu Jesus, um ihn zu hören. Sie kommen mit der Bereitschaft, sich von ihm verwandeln zu lassen und ein neues Leben anzufangen. Der Wille zur Umkehr ist da. Dies greift Jesus gerne auf und verkündet ihnen das Evangelium. Doch nicht alle sind damit einverstanden. Die Pharisäer und Schriftgelehrten nehmen daran Anstoß, nicht nur, weil Jesus sich mit Sündern abgibt, sondern auch weil er mit ihnen Mahlgemeinschaft hält. Das ist eigentlich undenkbar für einen frommen Juden. Sie empören sich deshalb, weil es ihnen an Barmherzigkeit fehlt. Sie verstehen nicht, dass Jesus sich nicht deshalb mit ihnen abgibt, weil sie so gerecht sind, sondern weil sie reumütig und bereit zur Umkehr zu ihm kommen. Gott kommt dem Umkehrwilligen entgegen und hilft ihm dabei, das Leben ganz umzukrempeln. Doch die Pharisäer und Schriftgelehrten gönnen es diesen Menschen nicht. Vielleicht wären sie selbst gerne mit Jesus am Tisch und würden gerne über die Hl. Schriften diskutieren.
Und so setzt Jesus zu den Gleichnissen an, um sein Verhalten zu erklären: Wenn man hundert Schafe hat und eines geht verloren, dann wird man als guter Hirte die 99 zurücklassen, um das eine Schaf wiederzufinden. Man möchte, dass nicht ein einziges Schaf verloren geht. Jesus greift dieses erste Bild nicht umsonst auf. Er selbst ist der gute Hirte und bringt deshalb immer wieder das Bildfeld von Hirt und Herde an. Er wird alles tun, um auch den letzten Sünder zurück zur Herde zu führen. So ist Gott. Er möchte, dass jeder Mensch gerettet wird. Er gibt ihm immer und immer wieder Chancen zur Umkehr, noch bis zum letzten Moment. Sein Wunsch ist es schließlich, dass er mit allen seinen geschaffenen Menschen im Himmel die ewige Liebesgemeinschaft abhalten kann. Das Bild des verlorenen Schafes ist ein Bild. Es weist über sich hinaus und ist unvollkommen. Denn Gott ist allmächtig. Er muss die anderen 99 Schafe nicht zurücklassen, sondern er kümmert sich um jedes einzelne Schaf so sehr, als wäre es das einzige. Wenn Gott einem verlorenen Schaf nachgeht, muss er die anderen Schafe nicht vernachlässigen. Doch Christus ist nun als Mensch unter Menschen. Er kümmert sich in dem Moment um die Sünder und Zöllner. Die zurückgelassenen Schafe sind die Pharisäer und Schriftgelehrten, die gewissermaßen eifersüchtig reagieren.
Was wäre also die richtige Haltung der Zurückgelassenen? Sie sollten sich mit den Zöllnern und Sündern freuen, dass sie bereit sind, ihr Leben zu ändern. Sie sollten beten und mitfiebern, dass diese gekommenen Menschen wirklich zum Glauben kommen und nicht wieder weggehen. Sie sollten Jesus helfen, die verlorenen Schafe zurückzuholen. Sie sollten diese mit offenen Armen willkommen heißen und ihnen ein gutes Beispiel sein, damit sie davon motiviert wirklich am Ball bleiben. Letztendlich sind sie doch gemeinsame Söhne Israels, eine einzige Familie. Sie sitzen im selben Boot und tragen füreinander Verantwortung. Wo bleibt also die Solidarität zwischen den eigenen Stammesgenossen? Das ist auch der Grund, warum im Gleichnis der Hirte Freunde und Nachbarn ruft und feiert mit den Worten: „Freut euch mit mir!“ Er hat etwas Verlorenes wiedergefunden, das ihm sehr wertvoll war. So sollen die Pharisäer und Schriftgelehrten mitfeiern und sich für jene freuen, statt zu murren.
Jesus erklärt diese Dinge nun noch anhand eines zweiten Gleichnisses: das der verlorenen Drachme. Dabei handelt es sich um ein Geldstück, das denselben Wert besitzt wie ein Denar, nur dass das erste eine griechische Währung darstellt im Gegensatz zum römischen Denar. Ein Denar oder eine Drachme stellt den Mindestlohn eines Tages dar. Wenn man als Tagelöhner einen Tag gearbeitet hat, ist einem dieser Betrag ausgezahlt worden. Mit diesem Geld kann man einen Tag überleben.
Wenn eine Frau nun zehn Drachmen besitzt und eine Drachme davon verliert, wird sie das ganze Haus fegen und unermüdlich suchen, bis sie diese eine Münze gefunden hat. Das ist viel Geld für sie und so wird sie sich freuen und sogar ihre Freundinnen einladen, um wegen des wiedergefundenen Geldes zu feiern. Auch hier ist die Kernaussage: „Freut euch mit mir!“ Denn sie hat die Münze wiedergefunden. Freude vermehrt sich, wenn man sie mit anderen teilen kann. Und so sollen die Pharisäer und Schriftgelehrten sich über jeden einzelnen Sünder freuen, der umkehrt. So tun es nämlich auch die Engel im Himmel. Der ganze Himmel jubelt über jeden einzelnen Sünder, der umkehrt! Denn wie gesagt sind die Menschen dazu geschaffen worden, am Ende mit Gott in ewiger Liebesgemeinschaft zu verbringen. Wie sehr freut sich also der ganze Himmel, wenn noch eine Seele den Weg in diese wahre Bestimmung gefunden hat! So sollen auch wir uns freuen, wenn jemand anderes die Barmherzigkeit Gottes erfährt. Wir sollen dann nicht denken: „Ach was! Jetzt plötzlich kriegt er oder sie so viele Gnaden, wird von der Kirche auf Händen getragen, bekommt eine bessere Behandlung als ich! Dabei hat er oder sie das ganze Leben hindurch in Saus und Braus gelebt, während ich mich immer um die Gebote Gottes bemüht habe.“ Wir sollen auch diese Abstempelung von Personen aufgeben, weil jeder Mensch sich verändern kann mithilfe der Gnade Gottes. So sollen wir einander immer von der besten Seite sehen und barmherzig sein wie der Vater im Himmel. Denn vergessen wir nicht: Davon hängt ab, wie der Vater mit uns umgehen wird, wenn wir dann eines Tages vor ihm stehen. So sagt Jesus uns in der Bergpredigt und so wird es uns im Vaterunser immer wieder vor Augen geführt.
Ihre Magstrauss