Samstag der 32. Woche im Jahreskreis

Weish 18,14-16; 19,6-9; Ps 105,2-3.36-37.42-43; Lk 18,1-8

Weish 18
14 Als tiefes Schweigen das All umfing / und die Nacht in ihrem Lauf bis zur Mitte gelangt war,

15 da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab / als harter Krieger mitten in das Land des Verderbens.
16 Es trug als scharfes Schwert deinen unerbittlichen Befehl, / trat hin und erfüllte alles mit Tod; / es berührte den Himmel und stand auf der Erde.
6 Die ganze Schöpfung wurde in ihrer Eigenart umgestaltet; / sie gehorchte deinen Befehlen, / damit deine Kinder unversehrt bewahrt blieben.

7 Man sah die Wolke, die das Lager überschattete, / trockenes Land tauchte auf, wo zuvor Wasser war; es zeigte sich ein Weg ohne Hindernisse durch das Rote Meer, / eine grüne Ebene stieg aus der gewaltigen Flut.
8 Von deiner Hand behütet, zogen sie vollzählig hindurch / und sahen staunenswerte Wunder.
9 Sie weideten wie Rosse, / hüpften wie Lämmer / und lobten dich, Herr, ihren Retter.

Im heutigen Abschnitt aus dem Weisheitsbuch hören wir etwas zu dem Thema „Tod als Strafe und Errettung der Gerechten“. Es geht also um ein Gerichtshandeln. das die Weisheit in Gottes Auftrag vornimmt. Die Verse des 18. Kapitels fallen durch ihre starke christologische Signalhaftigkeit ins Auge.
Auf dem Höhepunkt der Dunkelheit, in der moralischen Nacht der Welt, auf dem Tiefpunkt der Heilsgeschichte mit besonders wenig Hoffnung kommt der Messias, die Weisheit in Person, vom Himmel auf die Erde herab. Er verließ seinen königlichen Thron und begab sich in den Kampf gegen den Bösen, der bis dahin mit eisernem Griff die Welt umklammert hielt. Es gab keine Aussicht auf das Himmelreich. Die Menschen konnten noch so gerecht leben. Sie durften Gott nicht schauen. Der „Fürst dieser Welt“, wie er in der hl. Schrift auch gerne genannt wird, wurde bekämpft und besiegt, als Christus am Kreuz das Erlösungswirken vollbrachte und am dritten Tage von den Toten auferstand. Vers 16 lässt jedoch erahnen, dass in diesem Text weniger das erste, vielmehr das zweite Kommen Christi dahintersteckt. Immerhin der letzte Teil des Verses ist auch auf sein erstes Kommen zu beziehen: Jesus verband wirklich Himmel und Erde – durch seine zwei Naturen, durch seine Menschwerdung als Gott, durch seine Verkündigung des Gottesreiches und seiner Heilstaten, schließlich durch das aufgerichtete Kreuz auf dem Golgata und die Auferstehung. Jesus berührt Himmel und Erde, wenn er von Neuem aufgerichtet wird in der Eucharistie, wenn der Priester die Hostie und den Kelch in die Höhe streckt. Himmel und Erde begegnen sich bei jedem Sakrament und besonders, wenn ein Mensch durch die Taufe zum Kind Gottes wird und Gott Wohnung in dessen Tempel nimmt, bei der Firmung, wenn die sieben Gaben auf ihn herabkommen. Himmel und Erde berühren sich bei jeder Bekehrung und jeder Versöhnung. Himmel und Erde werden sich schließlich so innig begehen wie noch nie, wenn das himmlische Jerusalem von oben her auf die Erde herabkommen wird am Ende der Zeiten.
Auch wenn Christus mit seinem ersten Kommen eine Schlacht geführt hat, um die Erlösung zu erlangen, ist es dennoch nicht sein Hauptanliegen gewesen, beim ersten Kommen ein Gerichtshandeln vorzunehmen. Vielmehr wollte er die Welt retten. Erst mit seinem zweiten Kommen am Ende der Zeiten kommt er als Weltenrichter zurück. Dann wird er den Auftrag des Vaters erfüllen und mit scharfem Schwert den Tod bringen. Das ist sehr drastisch und erinnert an den blutroten Feldherrn in der Johannesoffenbarung, der das Wort Gottes genannt wird und das Heer des Himmels in der Endschlacht anführt. Das Schwert des Menschensohns ist das Wort Gottes. Er wird strafen mit der Liebe Gottes, die verzehrendes Feuer ist. Tod wird sein Gericht jenen bringen, die von ihrer schweren Sünde nicht abgelassen haben und umgekehrt sind.
Es besteht in vielen Texten des Alten Testaments die Vorstellung, dass Sühne durch Tod geleistet werde. Deshalb muss im Kult des Alten Bundes auch immer wieder ein Tier geschlachtet werden. Das ist auch der Grund, warum Christus für uns gestorben ist. Sein unschuldiger Tod sollte uns allen Sühne erlangen. Das ist übrigens auch der Grund, warum wir schwere Sünden als „Todsünde“ bezeichnen. Sie führen in unseren eigenen seelischen Tod, weil wir zeitlebens nicht die Vergebung Gottes beansprucht haben.
Die Verse des 19. Kapitels zeigen uns auf beeindruckende Weise auf, wie am Ende der Zeiten alles neugemacht wird. Die Vergangenheitsform lässt uns eine übergreifende Bedeutung hinter diesen Worten erkennen, die über das rein Futurische der Endzeit hinausgehen. Zudem handelt es sich um eine Vision, die hier geschildert wird. Die Zeitform kann auch auf die Zeit der Vision bezogen werden, nicht auf das Geschaute:
Alles wurde in der Eigenart umgestaltet, sodass Gehorsam und Unversehrtheit einzogen. Über die anagogische Lesart hinaus können wir das bereits auf die Neuschöpfung im hl. Geist beziehen, die die Getauften erleben. Es ist eine Umgestaltung ihres Lebens, das sie von nun an in Gehorsam gegenüber Gott führen, unversehrt von den todbringenden Sünden und Nachstellungen des Bösen. Bereits das erste Menschenpaar ist anders – und zwar vollkommen anders in ihrer Bewahrung vor der Erbsünde. Sie sind wahrlich gehorsam gegenüber Gott und so unversehrt, dass sie nach dem Tod die Verwesung nicht geschaut haben! Das werden wir erst am Ende der Zeiten erleben.
Die „Wolke, die das Lager überschattete“ ist ein wichtiges Signal für die Gegenwart Gottes auf einem Ort. Das ist Tempelterminologie, denn Gottes Herrlichkeit legte sich auf diesen Ort aufgrund der Bundeslade mit den Bundestafeln. Auch im weiteren Verlauf werden Andeutungen der Exodusgeschichte vorgenommen wie das Rote Meer und Wasser in der Dürre. Wir müssen bei allem bedenken, dass der gehörte Abschnitt dem dritten Hauptteil entnommen ist, in dem der Exodus reflektiert wird. Über sich selbst hinaus weist er aber typologisch auf die noch viel existenziellere Befreiung aus dem Sklavenhaus der Sünde hin. Deshalb ist diese Verbindung so stimmig.
Das Volk Israel sah Wunder und konnte sich freuen über das Heil, das Gott ihm zuteilwerden ließ. Gott ist wirklich ein Gott des Lebens.
Wie hier nun die Entstehung grüner Ebene mitten im Wasser beschrieben wird, werden wir sehr an die Schöpfungsgeschichte erinnert. Die typologische Verbindung von Genesis und Exodus nehmen bereits die weisheitlichen und prophetischen Texte des Alten Testaments vor. Das ist keine christliche Erfindung. Wir sehen hier aber auch mit anagogischem Blick die Neugestaltung der Schöpfung und Gottes Wirken, das das Mögliche und Denkbare des Menschen übersteigt. Dass er selbst Mensch werden würde und von den Toten auferstehen würde, ist undenkbar, doch er hat es getan und damit die ganze Welt erlöst.

Ps 105
2 Singt ihm und spielt ihm, sinnt nach über all seine Wunder!
3 Rühmt euch seines heiligen Namens! Die den HERRN suchen, sollen sich von Herzen freuen.
36 Er schlug alle Erstgeburt in ihrem Land, die Erstlinge ihrer Manneskraft.
37 Er führte sein Volk heraus mit Silber und Gold, unter seinen Stämmen war niemand, der strauchelte.
42 Denn er gedachte seines heiligen Wortes und seines Knechts Abraham.
43 Er führte sein Volk heraus in Freude, seine Erwählten in Jubel.

Auf die intensive Lesung folgt Psalm 105, der betitelt ist mit „Danklied an Gottes Handeln an Israel“. Es passt sehr gut zur Lesung mit ihren Exodus-Motiven. Gott hat Israel aus der Hand Ägyptens befreit und ihm eine neue Freiheit geschenkt. Auch wir dürfen als Christen Gott danken für den Exodus aus dem anderen Sklavenhaus – dem der Sünde. Wir dürfen jetzt leben in der Freiheit der Kinder Gottes.
Wie so oft erfolgen zu Beginn des Psalms Lobaufforderungen, wobei diese in liturgischer Manier pluralisch sind: „Singt ihm und spielt ihm“ ist eine ganz liturgische Aussage, denn gerade am Tempel hat man den Lobpreis Gottes mit Instrumenten begleitet und Chöre organisiert. König David hat diesen Bereich immens ausgebaut und dafür auch diese liturgischen Psalmen gedichtet.
Wir sollen nicht prahlerisch sein, aber nur mit einem dürfen und müssen wir angeben: Gottes heiligen Namen. Auch Paulus, der sich immer wieder unverblümt demütigt und Selbstbezeichnungen wie „Missgeburt“ verwendet, rühmt sich immer wieder des Herrn. So sollen wir es bis heute tun. Wir sollen zum Herrn stehen und dürfen ihn nicht verleugnen. Wenn wir etwas Gutes zustande bringen, sollen wir es auf den Herrn zurückführen, durch dessen Kraft und Gnade wir alles geschafft haben.
Israel soll über Gottes Wunder nachsinnen, damit es die Heilstaten Gottes nie vergisst, nie das Staunen verlernt und Gott immer dankbar und ehrfürchtig bleibt. So soll es auch bei uns sein, ja wir müssen heutzutage erst einmal wieder lernen, die Wunder Gottes als solche anzuerkennen. Alles Übernatürliche wird in heutiger Zeit einerseits wegrationalisiert, andererseits entwickelt sich eine esoterische Abart des Glaubens, weil der Mensch doch nicht ganz ohne kann. Lernen wir wieder, das Wirken Gottes in unserem Leben zu erkennen!
Den HERRN zu suchen und sich von Herzen zu freuen, bezieht sich nicht auf eine Suche nach etwas Verlorenem, sondern meint vielmehr das sehnsuchtsvolle Streben, die liebende Suche nach Gottes Nähe. Und wenn man ihn „gefunden“ hat, ist es wie im Hohelied. Dann herrscht große Freude über den, „den meine Seele liebt“.
Es wird daraufhin entfaltet, was Gott Gutes getan hat und deshalb Grund für die Lobpreisaufforderung ist: Er hat mit den zehn Plagen in Ägypten und der schlimmsten letzten Plage seine Macht offenbart. Insbesondere der Tot der Erstgeborenen im Land Ägypten haben gezeigt, dass er wirklich Herr über Leben und Tod ist.
Gott hat ein ganzes Volk aus dem Land herausgeführt, nicht mittellos, sondern sogar mit Gold und Silber, das ihnen genau genommen auch zustand.
Er hat diese Heilstat vollbracht, weil er treu ist. Was er Abraham verheißen hatte, wollte er in die Tat umsetzen. Ein großes Volk hatte er diesem verheißen und das Land Kanaan als Besitz angekündigt. So führte er das versklavte Volk in die neue Heimat. Es ist ein einziger Anlass zur Freude für die Befreiten, aber auch im Nachhinein für die Beter des Psalms. Gott ist treu und wird auch ihnen in ihrer Gegenwart treu sein. Gott hat im Laufe der gesamten Heilsgeschichte so oft bewiesen, wie treu er ist. So dürfen auch wir heutzutage glauben, dass er alles vermag. Er wird auch uns aus unserer Not helfen und treu zu seinem Wort stehen: „Ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt.“

Lk 18
1 Jesus sagte ihnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:

2 In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.
3 In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher!
4 Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht;
5 weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
6 Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt!
7 Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern?
8 Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?

Im Evangelium hören wir heute wieder ein Gleichnis. Jesus geht es darum, das unablässige Gebet zu erklären. Ein Richter lebt in einer Stadt, der keine Gottesfurcht hat und rücksichtslos Recht spricht. In Israel gab es noch keine Sozialversorgung, wie wir sie heute kennen. Witwen und Waisen gehörten dabei zu besonders nachteilhaften Personengruppen. Sie verdienten nichts und wurden noch von den Höherstehenden ausgebeutet. So kommt also eine Witwe jener Stadt immer wieder zu diesem Richter und drängt ihn dazu, ihr zu ihrem Recht zu verhelfen. Das lässt ihn aber kalt, denn wir erinnern uns – er ist rücksichtslos. Sie lässt aber nicht nach und kommt immer wieder. Irgendwann gibt er nach, aber nicht aufgrund von Mitleid, sondern aus Angst, eine Ohrfeige zu bekommen. Er will endlich seine Ruhe und verhilft ihr endlich zu ihrem Recht.
Dieses Gleichnis erinnert uns an ein anderes, bei dem es um einen Nachbarn oder Freund geht, der mitten in der Nacht um Zutaten bittet. Es ist dasselbe Prinzip: Die gebetene Person gibt nach, weil der Bittsteller so unnachgiebig ist.
Wie auch bei dem anderen Gleichnis führt Jesus das auf Gottes Gebetserhörung zurück: „Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern?“ Der Richter ist ein „ungerechter Richter“. Das sagt Jesus unverblümt in Vers 6. Wenn schon so ein ungerechter Mann einer Witwe gibt, was sie braucht, umso wie viel mehr wird Gott das immerwährende Bitten seiner Geschöpfe erhören, er, der der gute Gott ist! Beim anderen Gleichnis sagt Jesus in ähnlicher Weise: „Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten (Lk 11,13).“
Während es in Lk 11 noch um den Hl. Geist und seine Gaben geht, ist hier das Thema die Gerechtigkeit, die sich durchsetzt. Schließlich ist der größere Kontext das Ende der Welt und das Thema des Endgerichts.
Jesus lädt auch uns heute dazu ein, immer wieder den Vater zu bitten und nicht nachzulassen. Er wird das Gebet erhören. Dabei ist zu sagen, dass er es natürlich so erhört, wie es seinem heiligen Willen entspricht. Bei Gott gibt es kein „Nein“, aber es gibt ein „Später“, ein „Ja“ und ein „anders, als du denkst“. Vertrauen auch wir heutige Christen darauf, dass unser Gebet bei Gott nie unerhört bleibt! Die Beispiele Israels haben es uns ja bereits vor Augen geführt. Vertrauen wir darauf, dass Gott für Gerechtigkeit sorgen wird, denn er sieht alles. Er wird auch heute jene erlösen von ihrem Unrecht, besonders die vielen ungehörten Stimmen, die nie die Chance erhalten, geboren zu werden! Gott lässt das nicht ewig mit sich machen. Er wird auch heute jedem seiner geliebten Kinder zu ihrem Recht verhelfen.
Damit dieses Verschaffen von Recht in unserem Fall nichts Bedrohliches, sondern etwas Erlösendes sein wird, müssen wir aber entsprechend leben. Haben wir Glauben? Sind wir wach und im Stand der Gnade, wenn Christus wiederkommt? Oder haben wir selbst uns etwas zuschulden kommen lassen? Wird uns der Herr dann vorhalten, dass wir ungerecht wie der Richter im Gleichnis waren? Gehen wir auch heute wieder in uns und kehren wir um, denn auch heute schenkt uns der Herr die Chance, von vorne zu beginnen.

Ihre Magstrauss

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