Jes 29,17-24; Ps 27,1.4.13-14; Mt 9,27-31
Jes 29
17 Ist es nicht nur noch eine kurze Zeit, dann wandelt sich der Libanon in einen Baumgarten und der Baumgarten wird als Wald gelten?
18 Die Tauben werden an jenem Tag die Worte des Buches hören und aus Dunkel und Finsternis werden die Augen der Blinden sehen.
19 Die Gedemütigten freuen sich wieder am HERRN und die Armen unter den Menschen jubeln über den Heiligen Israels.
20 Denn der Unterdrücker ist nicht mehr da, der Spötter ist am Ende, ausgerottet sind alle, die auf Böses bedacht sind,
21 die durch ein Wort Menschen zur Sünde verleiten, die dem, der im Stadttor entscheidet, Fallen stellen und den Gerechten mit haltlosen Gründen wegdrängen.
22 Darum – so spricht der HERR zum Haus Jakob, der HERR, der Abraham losgekauft hat: Nun braucht sich Jakob nicht mehr zu schämen, sein Gesicht muss nicht mehr erbleichen.
23 Denn wenn er seine Kinder, das Werk meiner Hände, in seiner Mitte sieht, werden sie meinen Namen heilig halten. Sie werden den Heiligen Jakobs heilig halten und den Gott Israels werden sie fürchten.
24 Dann werden, die verwirrten Geistes waren, Einsicht erkennen, und die murrten, nehmen Belehrung an.
Heute hören wir als Lesung einen sehr bildreichen Text aus dem Buch Jesaja. Es handelt sich wie so oft um eine messianische Verheißung. Das besonders Hoffnungsvolle daran ist die Rede von einer kurzen Zeit. Der Messias steht nahe bevor! Was sich daran anschließt, sind die typischen messianischen Heilstaten: Die Heilung von Blinden und Tauben. Es bleibt aber nicht bei einer körperlichen Heilung, sondern geht darüber hinaus: Wenn der Messias kommt, hören Taube und sehen Blinde Signale, die Jesus erfüllen wird. ER ist das fleischgewordene Wort Gottes. Auf ihn zu hören, ist der Hauptgrund, weshalb Jesus überhaupt heilt. Er will die Menschen zum Glauben führen, dazu, dass sie ihm ZUhören. Jesus möchte aus Verzweiflung in die Hoffnung führen (aus der Dunkelheit ins Licht). Dies verstehen wir im Nachgang des NT auf die Kirche bezogen, insbesondere missionarisch und pastoral: Die Kirche verkündet das Evangelium in der Nachfolge Christi, sie gewinnt Menschen für Christus, dass sie ihm zuhören. Menschen erkennen ihn als den Weg, die Wahrheit und das Leben. Die Kirche fängt Menschen auf, die nicht weiterwissen. Sie ist da für die, die Gott suchen und in ihrem Leben überfordert sind. Jesus spricht auch zu uns persönlich und wir können ihn hören, wenn wir ZUhören. Wir müssen ihn dafür bitten, dass er unsere tauben Ohren – taub für ihn und sein ewiges Wort – öffne. Er möchte uns auch trösten in den Zeiten unserer Dunkelheit. Wir müssen zu ihm kommen und uns ihm anvertrauen, z.B. in der Anbetung, im Gebet und auch durch Seelsorger, auch gerade in der Beichte. Dann können wir gewiss sein, dass er unsere Dunkelheit in Licht verwandelt. Am Ende der Zeiten werden wir hören und sehen, was wir bisher nicht gehört und gesehen haben. Den Himmel. Wir werden das Licht schauen, das heller ist als alles uns Bekannte. Es wird die pure Liebe Gottes sein. Dann wird es nur noch Licht geben, aber keinen Schatten mehr. Das heißt auch, dass es nichts Böses und kein Leid mehr geben wird. „Denn der Unterdrücker ist nicht mehr da“ (Vers 29).
In dem Kontext ist bemerkenswert, dass die Söhne Jakobs hier genannt werden, die nun nichts Unrechtes mehr tun und den Gott Jakobs fürchten. Dieser Satz lässt uns darüber nachdenken, dass auch jene dort sein werden, die auf Erden durchaus noch Böses getan haben. Die Stammväter selbst, darunter Ruben und Simeon z.B., haben teilweise schwere Schuld auf sich geladen. Der eine wollte den eigenen Bruder Josef umbringen und konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden. Der andere beging Ehebruch mit der Nebenfrau seines eigenen Vaters. Wir denken darüber nach, dass Gott die Menschen sühnen lässt, wenn sie bereuen. Und das taten beide wirklich sehr. Danach lässt er sie teilhaben an der Heiligkeit des Himmels, weil sie durch die Sühne heilig geworden sind. Der letzte Vers bringt zum Ausdruck, was mit der körperlichen Heilung von Blinden und Tauben wirklich entscheidend ist: „Einsicht erkennen“ durch das Öffnen der Augen und „Belehrung annehmen“ durch das Öffnen der Ohren.
Ps 27
1 Von David. Der HERR ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist die Zuflucht meines Lebens: Vor wem sollte mir bangen?
4 Eines habe ich vom HERRN erfragt, dieses erbitte ich: im Haus des HERRN zu wohnen alle Tage meines Lebens; die Freundlichkeit des HERRN zu schauen und nachzusinnen in seinem Tempel.
13 Ich aber bin gewiss, zu schauen die Güte des HERRN im Land der Lebenden.
14 Hoffe auf den HERRN, sei stark und fest sei dein Herz! Und hoffe auf den HERRN!
Auch der Psalm verarbeitet den Gedanken, dass Gott Licht ist. Es gibt auch hier messianische Hinweise bzw. erkennen wir Christus im Psalm: Der HERR, Jahwe, ist mein Heil. Das hebräische Wort weist denselben Stamm auf wie der Name Jesu. Das ist kein Zufall. Der Psalm ist ganz und gar von Vertrauen geprägt („vor wem sollte mir bangen“, „Zuflucht“, „Hoffe auf den HERRN“). Zugleich wird die Sehnsucht nach dem ewigen Leben deutlich: „im Haus des HERRN zu wohnen alle Tage meines Lebens; die Freundlichkeit des HERRN zu schauen“. Hier wird zudem eine weitere Ebene der messianischen Heilungen deutlich, die im Jesajatext schon angeklungen sind: Anagogisch wird nun weitergeführt, dass das Neue, was man schaut, die „Güte des HERRN“ ist. Auch der Gedanke des Übergangs von der Dunkelheit ins Licht wird hier im Psalm aufgegriffen, denn er beinhaltet die Einladung zur Hoffnung auf den HERRN.
Mt 9
27 Als Jesus weiterging, folgten ihm zwei Blinde und schrien: Hab Erbarmen mit uns, Sohn Davids!
28 Nachdem er ins Haus gegangen war, kamen die Blinden zu ihm. Und Jesus sagte zu ihnen: Glaubt ihr, dass ich dies tun kann? Sie antworteten: Ja, Herr.
29 Darauf berührte er ihre Augen und sagte: Wie ihr geglaubt habt, so soll euch geschehen.
30 Da wurden ihre Augen geöffnet. Jesus aber wies sie streng an: Nehmt euch in Acht! Niemand darf es erfahren.
31 Doch sie gingen weg und erzählten von ihm in der ganzen Gegend.
Was wir in den Texten des AT bisher betrachtet haben, verdichtet und personifiziert sich nun im Evangelium. Dort wird von genau solchen Blinden berichtet, deren Heilung in Jesaja angekündigt worden ist. Aus dem Grund kommen sie auch auf die Idee, Jesus die Bitte um Heilung hinterher zu schreien. Es muss sich um gläubige Juden handeln, da sie den Titel „Sohn Davids“ verwenden. Sie glauben und erkennen Jesus als Messias an. Das müssen wir jetzt einmal genau bedenken. Da sind zwei Blinde. Sie können biologisch betrachtet nichts sehen. Und doch haben sie Jesus als Messias erkannt, der aus dem Baumstumpf Isais hervorgegangen ist (aus dem Stamm Juda und genauer noch Davidide). Sie sehen mehr als der Rest. Sie sehen auch ihre eigene Armut gegenüber Gott, denn sie bitten Jesus um Erbarmen. Sie haben diese reumütige Einstellung, mit der Gott Sünder zu Heiligen macht. Weil Jesus ihren Glauben („glaubt ihr…ja, Herr“) und vor allem ihre Hoffnung sieht (die Hoffnung, zu der der Psalm 27 einlädt), weitet er ihren inneren Zustand auf ihren Körper aus. Er öffnet ihnen auch biologisch die Augen.
Jesus verbietet ihnen, davon zu erzählen, doch sie können es nicht für sich behalten. So ist der Mensch. Er möchte seine Freude teilen. Warum macht Jesus das eigentlich? Man könnte zunächst ganz pragmatisch argumentieren und sagen: Jesus verrät seine Messianität nie explizit, damit er nicht direkt verhaftet und hingerichtet wird. Er möchte zunächst drei Jahre wirken, bevor es soweit ist. Es hat aber auch den Sinn, die Menschen mit höchstem pädagogischen Feingefühl nach und nach erkennen zu lassen, wer er ist. Er tut nichts, was der Vater nicht möchte und verhält sich immer so, dass sich immer mehr Schriftworte erfüllen. Es ist eine einzige Lektion für die Menschen. Er könnte einfach mit Worten proklamieren: „Ich bin der Messias.“ Aber dann würden die Menschen das erstens nicht glauben (reden kann man viel, doch überzeugen können vor allem die Taten), zweitens würde die Erkenntnis im Inneren des Menschen nicht so intensiv von der Schrift her kommen. Das ist aber der Weg, den die frommen und schriftkundigen Juden einschlagen.
Das Schriftwort aus Jesaja erfüllt sich in der Person Jesu Christi. Er öffnet die Augen und die Ohren, die biologischen sowie die Augen und Ohren der Erkenntnis und des Glaubens. Das ist uns übrigens auch bekannt bei der Taufe. Dort gibt es den ausdeutenden Ritus, bei dem der Geistliche Augen und Ohren des Neugetauften berührt mit dem Ausspruch „Effata.“ Durch die Taufgnade mit allem ausgerüstet und mit weit geöffneten Augen und Ohren des Glaubens soll der Mensch die Konsequenz tragen: auf den Willen Gottes in seinem Leben hören und den Glauben bekennen.
Denken wir heute darüber nach, wie sehend oder blind, wie hellhörig oder taub wir eigentlich sind. Nutzen wir die Adventszeit, unsere Augen und Ohren des Glaubens wieder zu reinigen, damit wir Gottes Licht schauen und Gottes Wort hören können. Auch in diesem Jahr, das so besonders dunkel erscheint, möchte der Herr uns zu Weihnachten vom Dunkel ins Licht führen.
Ihre Magstrauss
Ein Kommentar zu „Freitag der ersten Adventswoche“