Jes 62,1-5; Ps 96,1-2.3-4.6-7.10; 1 Kor 12,4-11; Joh 2,1-11
Jes 62
1 Um Zions willen werde ich nicht schweigen, / um Jerusalems willen nicht still sein, bis hervorbricht wie ein helles Licht seine Gerechtigkeit / und sein Heil wie eine brennende Fackel.
2 Dann sehen die Nationen deine Gerechtigkeit / und alle Könige deine Herrlichkeit. Man ruft dich mit einem neuen Namen, / den der Mund des HERRN für dich bestimmt.
3 Du wirst zu einer prächtigen Krone / in der Hand des HERRN, zu einem königlichen Kopfschmuck / in der Hand deines Gottes.
4 Nicht länger nennt man dich Verlassene / und dein Land nicht mehr Verwüstung, sondern du wirst heißen: Ich habe Gefallen an dir / und dein Land wird Vermählte genannt. Denn der HERR hat an dir Gefallen / und dein Land wird vermählt.
5 Wie ein junger Mann sich mit einer Jungfrau vermählt, / so nehmen dich deine Söhne in Besitz. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, / so freut sich dein Gott über dich.
Heute hören wir als erste Lesung einen Ausschnitt aus dem Buch Jesaja. Es ist ein recht messianischer Text, ganz üblich für die letzten Kapitel des Buches. Gott wird dargestellt wie ein Bräutigam, der um seine Braut kämpft und sie beschützt. Er wird nicht schweigen, sondern für Gerechtigkeit sorgen. Die Zukunftsform färbt es messianisch, auch wenn der Wortsinn zunächst auf die Befreiung aus dem Babylonischen Exil hinweist. Gott wird sein Volk nicht ewig der Verbannung überlassen, sondern sein Licht der Gerechtigkeit wird durchbrechen durch die Nacht des Exils. Er wird ihnen eine brennende Fackel sein, die sie hinausführt. Zugleich ist damit schon viel mehr ausgesagt. Gott ist bereit gewesen, in die Nacht der Verbannung aller Menschen hinein selbst Mensch zu werden, um als brennende Fackel sie ins Paradies führen zu können. Er ist ihnen zum Heil geworden, indem er mitten in der Nacht geboren wurde. Ein Stern hat auf ihn aufmerksam gemacht. Er ist in der Nacht geboren, um im Morgengrauen aufzuerstehen, einen neuen Tag herbeizuführen – den Tag der messianischen Heilszeit. Er ist gekommen als Bräutigam. Jesus hat immer wieder das Bildfeld der Hochzeit gebraucht, denn er ist das Lamm Gottes, dessen Hochzeit am Ende der Zeiten stattfinden wird.
Israel war „Verlassene“, weil es sich diesen Zustand der Verbannung selbst zuzuschreiben hatte. Durch den anhaltenden Götzendienst war es Gott untreu geworden und brach immerwährend seinen Bund mit ihm. Doch Gott wird seine untreue Braut zurücknehmen. Er wird den Bund bekräftigen, weil er der Treue ist. Er wird sagen: „Ich habe Gefallen an dir“. Gott wird Israel das Land zurückgeben, weil es sein Geschenk ist. Das ist eine große Trostbotschaft für die Exilierten!
Gott ist wirklich ein Bräutigam. Er freut sich über Israel wie ein Bräutigam sich über seine Braut. Nicht umsonst ist die Hochzeit das ideale Bild für die Freude des Himmelreichs. Es wird uns noch weiter verfolgen.
Ps 96
1 Singt dem HERRN ein neues Lied, singt dem HERRN, alle Lande,
2 singt dem HERRN, preist seinen Namen! Verkündet sein Heil von Tag zu Tag!
3 Erzählt bei den Nationen von seiner Herrlichkeit, bei allen Völkern von seinen Wundern!
4 Denn groß ist der HERR und hoch zu loben, mehr zu fürchten als alle Götter.
5 Denn alle Götter der Völker sind Nichtse, aber der HERR ist es, der den Himmel gemacht hat.
6 Hoheit und Pracht sind vor seinem Angesicht, Macht und Glanz in seinem Heiligtum.
7 Bringt dar dem HERRN, ihr Stämme der Völker, bringt dar dem HERRN Ehre und Macht,
10 Verkündet bei den Nationen: Der HERR ist König! Fest ist der Erdkreis gegründet, er wird nicht wanken. Er richtet die Völker so, wie es recht ist.
Der heutige Psalm beginnt mit den signalhaften Worten „neues Lied“. Dadurch wissen wir, dass es messianische Aussagen geben wird:
„alle Lande“ sollen dieses Lied singen und Gottes Heilstaten sollen „bei den Nationen“ bekannt werden. Die nichtjüdischen Völker sollen nun auch diesen einen wahren Gott kennenlernen!
„Verkündet sein Heil“ wird dann für uns Christen auffällig christologisch, weil in den Worten „sein Heil“ hier wieder der Name Jesus enthalten ist. Während hier wörtlich das Heil Gottes als messianische Verheißung verkündet werden soll, sind wir Christen dadurch aufgerufen, Jesus Christus zu verkünden, der das Heil ist (Nomen est omen). Das ist einer der drei Hauptvollzüge der Kirche – die Verkündigung (martyria). Jeder einzelne Christ bezeugt dieses Heil durch sein Handeln. Wo wir einander lieben und die Gebote Gottes halten, kommt das Heil in die Welt, das Reich Gottes wird dann schon jetzt spürbar. Am Ende der Zeiten werden wir das Heil verkünden – aber als ewigen Lobpreis in Gottes Gegenwart, mit allen Engeln und Heiligen.
Der Psalm verrät auch mehr darüber, das in Jesaja noch zwischen den Zeilen steht: Gott ist der König, der Herrscher. Die messianische Erwartung geht über eine menschliche Figur wie Kyrus hinaus.
Gott ist „mehr zu fürchten als alle Götter“, denn diese gibt es nicht einmal. Zu König Davids Zeiten, als dieser Psalm geschrieben wird, ist die Erkenntnis noch nicht erlangt worden, dass es nur einen Gott gibt. Die Israeliten haben aber zumindest eine Monolatrie begriffen, eine Anbetung allein des Gottes Israels.
Es stimmt aber nicht ganz, dass monotheistische Tendenzen erst nach dem Exil aufkamen. Schon König David schreibt unter dem Einfluss des Hl. Geistes: „Denn alle Götter der Völker sind Nichtse, aber der HERR ist es, der den Himmel gemacht hat.“ Selbst wenn diese Erkenntnis erst im Exil so richtig klar wird durch die sogenannte „Jahwe-allein-Bewegung“, erkennen wir schon hier die Erkenntnis, dass andere Götter Götzen sind. Das ist mit „Nichtse“ gemeint, menschengemachte Idole, die aber an sich tot sind. Sie können gar nichts bewirken im Gegensatz zum wunderbaren Schöpfer. Gott ist dagegen der Schöpfer, er ist also wahrlich ein Gott des Lebens, ein Creator. Er bringt hervor, was tote Gebilde nicht fertigbringen.
Hoheit, Pracht und Glanz sind Begriffe, die im Kontext dieses Psalms auf den Tempel zu beziehen sind. Dieser ist prunkvoll gebaut, viel Gold ist eingesetzt worden, wertvolles Holz, mit viel Detailliebe sind die verschiedenen Bereiche verziert worden. Gottes Gegenwart im Tempel ist wirklich von Hoheit, Pracht und Glanz umgeben. Doch darüber hinaus ist die wahre Hoheit, Pracht und der Glanz Gottes selbst zu nennen in seinem himmlischen Heiligtum! Seine Herrlichkeit selbst ist es, die hier so glänzt und leuchtet. Gott ist Licht, um es mit der Lesung zu sagen. Macht und Glanz sind also Begriffe, die vor allem den Gnadenreichtum betreffen. Beziehen wir es auf die Kirche, in der Gottes Gegenwart bis heute besteht, müssen wir also auch berücksichtigen, dass vor seinem Angesicht er viel Prunk und Pracht sieht, dies aber nicht das Entscheidende ist. Vielmehr sind die Gnade und Herrlichkeit Gottes entscheidend, die wir gar nicht sehen. Was wir davon erkennen, sind die Früchte.
Der HERR ist König und nur er. Es klingt, als wäre der heutige Psalm ein Appell an die Weisen aus dem Morgenland: „Bringt Gaben und tretet ein in die Höfe seines Heiligtums!“ Klar ist damit zunächst ein Aufruf an alle Juden zum Lobpreis Gottes im Tempel von Jerusalem gemeint. Es geht um Darbringung und Opfer. Die Höfe des Heiligtums deuten die Architektur des Tempelgeländes an, das von außen nach innen mehrere Schichten besitzt, die nach innen immer heiliger werden. Den innersten Kern, das Allerheiligste, darf nur einmal im Jahr, nämlich an Jom Kippur (dem Versöhnungstag) der Hohepriester betreten.
Wir denken aber auch weiter und sehen die Höhle von Bethlehem, in der das Allerheiligste nun in einer Krippe liegt. Das Wort Gottes, die Steintafeln vom Sinai, die Mose übergeben worden sind, sind nun nicht mehr Stein, sondern eine Person! Eine Gruppe von Menschen kommt tatsächlich in voller Montur, dass man sie in der Tradition sogar als königlich bezeichnet hat – die Magoi aus dem Osten! Sie kommen und treten ein in das Heiligtum Gottes, der Grotte von Bethlehem. Sie sind voller Prunk gekleidet und bringen dem Kind Gaben: Weihrauch, Myrrhe und Gold.
„Verkündet bei den Nationen“ ist auf die nichtjüdischen Völker zu beziehen ( אִמְר֤וּ בַגֹּויִ֨ם imru hagojim, gojim meint immer die nichtjüdischen Völker). Die Juden haben das tatsächlich gemacht. Als sie in babylonischer Gefangenschaft waren, haben die Babylonier deren Messiaserwartung übernommen und Jahrhunderte später aufgrund des aufgehenden Sterns erkannt, dass dieser Messias nun geboren ist. Deshalb haben sich ihre Priester/Sterndeuter auf den Weg gemacht und huldigten dem Messias in der Grotte von Bethlehem. Dieser König ist nicht nur Weltenherrscher, sondern auch Weltenrichter.
1 Kor 12
4 Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist.
5 Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn.
6 Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen.
7 Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.
8 Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem anderen durch denselben Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln,
9 einem anderen in demselben Geist Glaubenskraft, einem anderen – immer in dem einen Geist – die Gabe, Krankheiten zu heilen,
10 einem anderen Kräfte, Machttaten zu wirken, einem anderen prophetisches Reden, einem anderen die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem anderen verschiedene Arten von Zungenrede, einem anderen schließlich die Gabe, sie zu übersetzen.
11 Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.
In der zweiten Lesung hören wir von den Charismen des Heiligen Geistes. Sie müssen erbeten werden. Dieser Abschnitt aus dem ersten Korintherbrief betrifft die Begabungen, die jeder Mensch aufgrund seiner Taufe und Firmung potenziell empfangen kann. Sie sind nicht nur dem Geweihten vorbehalten. Paulus sagt, dass keiner Jesus gläubig bekennen kann, wenn er das nicht aus dem Heiligen Geist tut. Dieser ist es nämlich, der den Glauben im Menschen etabliert. Der Geist ist nur einer, doch verleiht er eine sehr große Vielfalt von Gaben für verschiedene Dienste. Auch wenn wir unterschiedliche wirkende Kräfte sehen, vereint sie dennoch der eine Gott, der alles bewirkt.
Aber warum schenkt Gott durch den Geist überhaupt Dienstgaben, das heißt Charismen? Er tut dies, damit der Beschenkte sie im Dienst für die anderen verwendet. Das ist ja auch der Grund, warum diese Gaben recht gleichmäßig unter den Menschen verteilt wird. So hat jeder etwas, was er oder sie einbringen kann, ohne dass z.B. jetzt alle zu Propheten werden, dafür aber keiner die Gabe der Unterscheidung besitzt, um wahre und falsche Prophetie voneinander zu unterscheiden.
Diese Vielfalt, die für einen Organismus ja vonnöten ist, stellt Paulus hier auch heraus, wenn er von dem einen Leib der Kirche spricht, der durch den Pfingstgeist zum Leben erweckt worden ist, der aber viele Glieder hat, also z.B. die Gliedmaßen, Organe und Funktionen. Die Kirche ist der Leib Christi, den Paulus an anderer Stelle als das Haupt des Leibes bezeichnet. Was die Kirchenmitglieder zu einem gemeinsamen Leib vereint, ist die gemeinsame Taufe durch den einen Geist. So werden Juden und Heiden, Sklaven und Freie miteinander vereint – zu seiner Zeit absolut unerhört! Der Geist Gottes überschreitet Grenzen.
Die verschiedenen charismatischen Gaben werden sodann aufgezählt: Weisheit, Erkenntnis, Glaubenskraft, Krankenheilung, Machttaten, Prophetie, Unterscheidung der Geister, Zungenrede und die Deutung von Zungenrede. All diese Gaben müssen von Gott erbeten werden. Es ist auch zu betonen, dass diese einen guten Boden im Menschen finden, der schon einen natürliche Disposition für sie besitzt. Gott bereitet den Menschen auf diese Gaben vor, indem er ihm von Natur aus eine Affinität für sie verleiht. Jemand, der z.B. besonders sensibel für seine Umwelt ist, kann eher die Gabe der Unterscheidung der Geister von Gott bekommen. Gott hat ihn so sensibel geschaffen. Diese natürliche Unterscheidungsgabe ist aber noch nicht das Charisma. Dieses ist übernatürlicher Art. Es zeigt sich z.B. dann, wenn ein Mensch, der keinerlei theologische Bildung hat, in einen häretischen Kontext kommt und sofort merkt, dass etwas nicht stimmt. Er kann es kognitiv nicht erklären, aber er weiß einfach zu hundert Prozent, dass dies oder jenes nicht von Gott kommt. Das ist mehr als nur eine Intuition. Es ist wie eine innere Eingebung, noch bevor sich andere mit der Sache auseinander gesetzt haben.
Joh 2
1 Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt und die Mutter Jesu war dabei.
2 Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen.
3 Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr.
4 Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.
5 Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut!
6 Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungssitte der Juden entsprach; jeder fasste ungefähr hundert Liter.
7 Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand.
8 Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist! Sie brachten es ihm.
9 Dieser kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es. Da ließ er den Bräutigam rufen
10 und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt aufbewahrt.
11 So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.
Als Evangelium hören wir nun wieder das Bildfeld der Hochzeit. Jesu öffentliches Wirken hat noch nicht begonnen. Eine Hochzeit findet statt und Maria ist dabei. Auch Jesus und seine Jünger sind eingeladen. Noch bevor alle anderen etwas davon mitbekommen, bemerkt Maria eine Katastrophe für die Gastgeber. Der Wein geht aus – ausgerechnet auf einer Hochzeit! Das ist ein kleines Detail, das für uns schon sehr wichtig ist bei der Betrachtung der Gottesmutter: Sie sieht die Sorge der Menschen. Sie ist eine Frau und eine Mutter. Sie kennt auch unsere Nöte und weiß genau, was uns fehlt. Sie ist schließlich auch uns anvertraut als Mutter. Jesus hat sie uns allen gegeben als Mutter in der Familie Gottes.
Zurück zur Hochzeit: Es ist eine sehr peinliche Situation und Maria wendet sich an ihren Sohn mit der Aussage: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Sie sagt nicht: Mach, dass sie wieder genug Wein haben! Sie schildert ihm einfach die Situation. Sie weiß, dass ihr Sohn alles vermag, weil er Gott ist. Sie weiß, dass Gottes Wille autonom ist und was auch immer geschieht, nach seinem Willen geschieht.
Und doch ist sie sehr mutig. Sie thematisiert so eine Sache, die auf ein Wunder hinausläuft, obwohl Jesu öffentliches Wirken noch nicht begonnen hat. Und dann sagt Jesus etwas, das so oft missverstanden wird: „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Es gibt so viele Übersetzungen dieser Stelle und doch sind diese immer sehr weit vom Wortsinn entfernt. Wortwörtlich steht an dieser Stelle: „Was mir und dir?“ Man muss bei dieser grammatikalischen Struktur eine Form von „sein“ einsetzen, also „Was ist mir und dir?“ Man könnte noch einfügen – und auch das ist absolut rechtmäßig, ohne zuviel hineinzulegen: „Was ist es mir und dir?“ Mit anderen Worten: Was geht es uns an? Jesus distanziert sich also weniger von seiner Mutter, sondern vielmehr von der Situation, weil seine Zeit noch nicht gekommen ist. Das öffentliche Wirken hat noch nicht begonnen, weshalb er auch noch keine öffentlichen Wunder vollbringt. Er sagt „Frau“ und nicht „Mutter“. Das ist sehr wichtig: In früheren Übersetzungen steht „Weib“, weshalb böse Zungen an dieser Stelle Jesus unterstellen möchten, dass er mit seiner Mutter abwertend oder grob umgegangen sei. „Weib“ ist aber in altem Deutsch keine abwertende Bezeichnung. Das wäre ein Anachronismus. Jesus benutzt im Griechischen den Begriff für eine verheiratete Frau. Warum nennt Jesus sie nicht Mutter? Er spricht hier nicht als Mensch Jesus, sondern als Gott. Gott gibt ihr zu verstehen, dass sein Timing ein anderes ist. Er belehrt sie, seine erste Jüngerin. Und sie ist überhaupt nicht beleidigt. Im Gegenteil. Sie sagt den Dienern: „Was er euch sagt, das tut.“ Sie sagt es nicht nur den Dienern. Es richtet sich an uns alle. Maria ermutigt uns dazu, den Willen Gottes zu befolgen. Sie möchte uns immer tiefer ins Herz Jesu ziehen, das Herz, das sie von allen Menschen am besten kennt. Sie sagt auch uns heute: Was er euch sagt, das tut. Das ist der richtige Weg, auch gerade in schwierigen Zeiten. Dann müssen wir uns als Kirche erneut auf das Wesentliche konzentrieren, darauf, was der ursprüngliche Auftrag ist und an welchem Punkt wir davon abgewichen sind.
Und dann geschieht das Wunder: Jesus lässt sechs Steinkrüge, die für die Waschungen der Juden gedacht sind, mit Wasser füllen. Bis sie davon schöpfen und es dem Verantwortlichen bringen, ist es zu Wein geworden. Dieser Wein ist so gut, dass der Leiter den Bräutigam kritisiert und sagt, dass der gute Wein zuerst hätte serviert werden müssen, als die Leute noch nüchtern und bei Sinnen waren. Er sagt, es sei eine Verschwendung, wie der gute Wein erst jetzt ausgeschenkt werden würde.
Am Ende wird der Sinn dieses Wunders beschrieben: Jesus tat es, um seine Herrlichkeit zu offenbaren und den Glauben der Jünger zu stärken.
Maria hat das Anliegen voller Offenheit vor Jesus gebracht. Er sagte ihr, dass seine Zeit noch nicht gekommen ist, tut ihr dennoch den Gefallen. Das ist absolut programmatisch: Er kann seiner Mutter keinen Wunsch abschlagen. Wie machtvoll ist ihre Fürsprache! Das ist der Grund, warum wir mit jedem Anliegen zu ihr kommen können. Sie ist eine große Fürsprecherin am Thron Gottes. Wir dürfen darauf vertrauen, dass der Herr auch unsere Anliegen nicht von ihrer Hand weisen wird.
Diese ganze Geschichte ist kein Zufall: Es ist kein Zufall, dass Jesu erstes Wunder im Rahmen einer Hochzeit geschieht und es mit Wein zu tun hat. Gott ist Mensch geworden, weil ein Bräutigam seiner Braut so nahe wie möglich sein will. Jesus spricht immer wieder als Bräutigam. Er möchte die Freude des Himmelreiches bringen und das Symbol der Freude ist der Wein. Wir lesen an keiner Stelle davon, wer eigentlich das Brautpaar ist. Dieses tritt komplett hinter der Erzählung zurück. Vielmehr wirkt es so, dass Maria und Jesus die Aufgabe der Gastgeber übernehmen. Sie sorgen dafür, dass die Gäste genug Wein zu trinken haben. Jesus und Maria als Brautpaar? Sie sind doch Mutter und Sohn? Und doch sind sie ein Duo, das wir genauer betrachten müssen. Uns geht auf, dass eine Analogie zu Genesis besteht: Dort geht das erste Menschenpaar den ersten Bund mit Gott ein. Es ist gleichsam eine Hochzeit, die am sechsten Tag stattfindet, denn dieser erste Bundesschluss ist ein Ehebund. Zählen Sie die Tage ab im Johannesevangelium, angefangen mit Joh 1. Sie werden erkennen, dass auch die Hochzeit zu Kana am sechsten Tag stattfindet. Und dann sehen wir die Sechszahl auch an den Steinkrügen. Diese Zahl sagt uns deutlich, dass die Zeit noch nicht erfüllt ist – dies wäre erst gegeben mit der Siebenzahl, der Zahl der Fülle. Diese Hochzeit ist eine Vorbereitung auf die eigentliche Hochzeit des Lammes. Das erste Menschenpaar der Neuen Schöpfung ist bereits anwesend. Aber die Hochzeit kommt erst am Ende der Zeiten. Jesus meint also nicht nur die Zeit des öffentlichen Wirkens, sondern die Zeit der eigentlichen Hochzeit.
Wir erkennen in dieser Szene noch eine andere Vorbereitung: auf die Eucharistie. Moderne Theologen versuchen das immer wieder abzustreiten, aber diese Szene ist total eucharistisch. Jesus wandelt Wasser in Wein. Beim letzten Abendmahl wird er den Wein in sein Blut wandeln. Dann wird seine Zeit kommen, wie es gerade im Johannesevangelium immer wieder formuliert wird.
Gott ist ein Bräutigam, der kommt, um seine Braut zu retten. Er kommt, um nach all der Trauer seine Braut wieder zurückzunehmen und mit ihr die ewige Freude zu erleben – ganz wie bei einer Hochzeit. Den Vorgeschmack dürfen wir schon in der Eucharistie erleben, in der dieses Ereignis sakramental vorweggenommen wird. Dann werden die Kirchenglocken zu Hochzeitsglocken und der Kommunionempfang zur Hochzeitsnacht.
Ihre Magstrauss