Mal 3,1-4 oder Hebr 2,11-12.13c-18; Ps 24,7-8.9-10; Lk 2,22-40
Mal 3
1 Seht, ich sende meinen Boten; er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. Seht, er kommt!, spricht der HERR der Heerscharen.
2 Doch wer erträgt den Tag, an dem er kommt? Wer kann bestehen, wenn er erscheint? Denn er ist wie das Feuer des Schmelzers und wie die Lauge der Walker.
3 Er setzt sich, um das Silber zu schmelzen und zu reinigen: Er reinigt die Söhne Levis, er läutert sie wie Gold und Silber. Dann werden sie dem HERRN die richtigen Opfer darbringen.
4 Und dem HERRN wird das Opfer Judas und Jerusalems angenehm sein wie in den Tagen der Vorzeit, wie in längst vergangenen Jahren.
Wir hören heute aus dem letzten Buch des Alten Testaments, Worte des Propheten Maleachi. Er bildet den Abschluss der „kleinen“ Propheten, wie die Sammlung des Zwölfprophetenbuches auch bezeichnet wird. Bei ihm hören wir sehr viele messianische Verse. Auch heute lenkt seine Prophetie auf das Geschehen hin, das wir heute feiern.
„Seht, ich sende meinen Boten; er soll den Weg für mich bahnen“ ist zunächst die Ankündigung des Täufers. Er ist der Wegbereiter Christi. Er ist auch laut jüdischer Tradition der wiederkehrende Elija. Der nächste Satz ist eindeutig auf das heutige Geschehen zu beziehen: „Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht.“ Das Wort im Hebräischen für „suchen“ ist מְבַקְשִׁ֗ים mevaqschim und heißt wörtlich „fragen, suchen, verlangen“. Es drückt also aus, dass derjenige kommt, auf den alle so sehr gewartet haben. Dieser „Code“ ist für die Adressaten ganz klar auf den Messias zu beziehen. Durch den Zusatz „plötzlich“ wird zudem ausgedrückt, dass das Kommen des Messias unerwartet ist. Er ist der „Bote des Bundes“, der nämlich den neuen Bund besiegeln wird am Kreuz. Er kommt nicht selbst in den Tempel, sondern wird von seinen Eltern dort hingebracht. Er ist nämlich ein kleines Baby. Das macht das Kommen des Messias so unerhört bzw. unerwartet.
„Seht, er kommt!“ ist besonders bemerkenswert, weil er wirklich sichtbar ist für unsere Augen. Nachher hören wir im Evangelium von Simeon, der betet: „Denn meine Augen haben das Heil gesehen“. Vor diesem Hintergrund bekommt dieser Vers in Maleachi eine besonders große Bedeutung.
Was wir allerdings in Vers 2 lesen, ist weniger auf das erste, vielmehr auf das zweite Kommen Jesu zu beziehen, wenn er nämlich am Ende der Zeiten als verherrlichter Menschensohn wiederkehren wird. Dann kann man wirklich diese rhetorische Frage stellen: „Wer erträgt den Tag, an dem er kommt?“ Die Bilder des Feuers und der Lauge sind deutliche Gerichtsmetaphern. Jesus wird wiederkommen, um Gericht mit allen Menschen zu halten. Dann wird nur übrigbleiben, was echtes Edelmetall ist.
Vers 3 erklärt die Funktion von Feuer und Lauge: Reinigung. Ansatzhaft kommt dies schon mit dem ersten Kommen Christi. Er wird viele Gerichtsreden halten und immer wieder zur Umkehr aufrufen. Was er verkündigt, wird immer wieder anecken. Seine Worte sind wie ein zweischneidiges Schwert, das die Geister scheidet. Durch ihn werden die Menschen entweder zu Gott kommen oder ihn ablehnen, denn seine Person drängt zur Entscheidung. Wo die Menschen sich über ihn aufregen, kommen die Lauge und das Feuer zum Einsatz. Sie werden geläutert und ihre böse Reaktion ist ein Zeichen dafür, dass sie nicht nur reines Gold und Silber sind. Es muss etwas abbrennen/abschmelzen/wegätzen.
Gott hat im Laufe der Heilsgeschichte immer wieder mit Feuer und Lauge gearbeitet, indem das Volk durch Fremdherrschaft und andere schlimme Ereignisse gereinigt worden ist. So ist ihr Opfer wieder richtiggestellt worden, wie es hier heißt. Besonders verdichtet geschah dies aber dann mit Christus, der durch sein endgültiges Kreuzesopfer den Menschen das richtige Opfer schlechthin dargebracht hat. Er hat uns alle durch sein Blut gereinigt. Im neuen Bund sind wir alle zu Königen und Priestern geheiligt worden. Insofern sind wir nun typologisch verbunden mit den „Söhnen Levis.“
Und das Opfer Judas und Jerusalems wird Gott angenehm sein wie in den Vorzeiten. Als getaufte Königskinder können wir uns auch mit diesen Opfern identifizieren. Durch Christi Opfer sind wir gerecht gemacht worden vor Gott wie in den Vorzeiten. Das ist auf die Zeit vor den Sündenfall zu beziehen. Jesus hat uns wiederhergestellt als Menschen, zwar nicht durch die Natur, dafür aber durch die Gnade.
Maleachi hat viele Jahrhunderte vor Christi Geburt schon verheißen, was Gott tun wird – uns in den paradiesischen Zustand zurückversetzen, den wir durch den Sündenfall des ersten Menschenpaares verloren haben. Maleachi ist wirklich vom Hl. Geist erfüllt worden, als er dies schon angekündigt hat.
Hebr 2
11 Denn er, der heiligt, und sie, die geheiligt werden, stammen alle aus Einem; darum schämt er sich nicht, sie Brüder zu nennen
12 und zu sagen: Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Gemeinde dich preisen;
13 und ferner: Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir geschenkt hat.
14 Da nun die Kinder von Fleisch und Blut sind, hat auch er in gleicher Weise daran Anteil genommen, um durch den Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel,
15 und um die zu befreien, die durch die Furcht vor dem Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen waren.
16 Denn er nimmt sich keineswegs der Engel an, sondern der Nachkommen Abrahams nimmt er sich an.
17 Darum musste er in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hohepriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen.
18 Denn da er gelitten hat und selbst in Versuchung geführt wurde, kann er denen helfen, die in Versuchung geführt werden.
Als alternative Lesung hören wir heute aus dem Hebräerbrief, einem theologisch sehr tiefgründigen und anspruchsvollen Buch. Es beinhaltet derart wichtige Aussagen, dass wir uns intensiv damit beschäftigen müssen trotz der Komplexität.
„Denn er, der heiligt, und sie, die geheiligt werden“ ist auf Christus und die Menschen zu beziehen, die den Bund eingegangen sind. Dass Christus durch sein Kreuzesopfer die Menschen unter anderem geheiligt hat, lesen wir z.B. in Röm 15,16; 1 Kor 1,2; 2 Tim 2,21.
Auch Christus selbst ist zunächst geheiligt worden vom Vater (Joh 10,36). Er ist auch geheiligt worden durch die Johannestaufe (Joh 1) und auch im Tempel, was wir heute in Lk 2 lesen.
Das Stammen „aus Einem“ ist auf Gott zu beziehen, der zum gemeinsamen Vater Christi und der Menschen geworden ist im Neuen Bund. Diese Gotteskindschaft ist dabei eine Geistige für uns Menschen, denn nur Jesus kann von sich sagen, er ist vom Vater gezeugt. Wir sind dies durch die Gnade, nicht durch die Natur. Deshalb nennt uns Jesus auch Brüder – also Geschwister. Ein Bund ist immer die Zusammenschließung einer familiären Verbindung: Adam und Eva sind ein Ehebund, Noah ist ein Familienbund, Abraham ist ein ganzer Stammbund, David ist ein Zusammenschluss aller Stämme, Christus schließt zu einem weltweiten Familienbund zusammen.
„Inmitten der Gemeinde“ hat Jesus den Vater immer wieder gepriesen, besonders als er seinen Jüngern das Vaterunser beibrachte oder als er das hohepriesterliche Gebet im Johannesevangelium betete.
Jesus wollte uns von allem erlösen. Weil der Satan aber Macht über unsere schwache Natur hatte, nahm Jesus diese Natur an. Er starb wie wir Menschen sterben als Konsequenz des Sündenfalls. Er erstand jedoch von den Toten, damit die Macht des Teufels gebrochen werde. Der Sieg über den Tod ist schon errungen, aber bisher bleibt dem Satan noch gewisse Macht. Wir sterben noch biologisch, doch unsere Seele kann „auferstehen“. Dies meint das Leben bei Gott. Der seelische Tod ist dagegen die Hölle. Die ersten Menschen, die eine leibliche Auferstehung erleben durften, sind Maria und Jesus, die ersten Geschöpfe der neuen Schöpfung. Dass bis heute der Tod besteht und darin sich Körper und Seele voneinander trennen, ist Folge der Erbsünde, von der Jesus und Maria verschont geblieben sind.
Jesus ist wirklich Fleisch geworden. Das wird hier betont, weil auch der Hebräerbrief sich an Menschen richtete, die der Irrlehre einer lediglich geistigen Natur Jesu ausgesetzt sahen. Jesus kam ja, um Menschen aus Fleisch und Blut zu erlösen. Deshalb musste auch er Fleisch und Blut annehmen. Er musste „in allem seinen Brüdern gleich sein“. Jesus musste alles selbst erfahren und durchmachen, was die Menschen auch erlitten, selbst die Versuchung. So konnte er stellvertretend gutmachen, was die Menschen verschuldet haben.
Ps 24
7 Ihr Tore, hebt eure Häupter, hebt euch, ihr uralten Pforten, denn es kommt der König der Herrlichkeit!
8 Wer ist dieser König der Herrlichkeit? Der HERR, stark und gewaltig, der HERR, im Kampf gewaltig.
9 Ihr Tore, hebt eure Häupter, hebt euch, ihr uralten Pforten, denn es kommt der König der Herrlichkeit!
10 Wer ist er, dieser König der Herrlichkeit?/ Der HERR der Heerscharen: Er ist der König der Herrlichkeit.
Der heutige Psalm ist ein adventlicher. Wir haben ihn im Advent gebetet, aber auch sonst passt er immer wieder. Schließlich befinden wir uns in einem zweiten Advent, wir warten darauf, dass Christus wiederkommt. Dieses zweite Kommen ist ja auch in der Maleachi-Lesung angeklungen.
Die Tore sollen sich heben, gemeint sind die Tore der Stadt Jerusalem. Gemeint sind aber auch mit Blick auf unser heutiges Fest die Tore des Tempels. Durch die Tore hindurch kommt der „König der Herrlichkeit“. Damit ist kein irdischer König gemeint, sondern Gott selbst in Jesus Christus. Wenn wir diesen Psalm beten und dann das Evangelium hören, fühlen wir uns wie der Seher Johannes in der Offenbarung. Da weint er sehr, weil keiner das Buch mit den sieben Siegeln öffnen kann. Er wird getröstet von einem der 24 Ältesten. Dieser kündigt den Löwen von Juda an und der Visionär macht sich schon auf einen mächtigen Sieger bereit. Stattdessen erscheint ein kleines Lämmchen mit einer Schächtwunde am Hals. So fühlen wir uns gleich, wenn wir hier beten „König der Herrlichkeit!“ Und plötzlich kommt durch die Tore so ein kleines Baby auf dem Arm seiner Eltern hereingetragen. So unerwartet ist Gottes Macht. Sie ist so allmächtig, dass sie freiwillig darauf verzichten kann, um die Ohnmacht zu wählen. Auch David erläutert hier im Psalm in Vers 8, wer der König ist: „Wer ist dieser König der Herrlichkeit? Der HERR, stark und gewaltig…“.
Er wiederholt es noch einmal „ihr Tore, hebt eure Häupter“. Die Wiederholung in den Versen 9 und 10 ist bewusst gesetzt. Wir sollen es uns einprägen. Denn dieser Psalm, diese Worte sind auch für uns heute! Als Kirche beten wir „König ist Christus.“ Er ist der Herrscher, er ist die Mitte. Die Tore, die wir heben, sind nicht nur die Kirchentüren, das heißt die Einladung zur Hl. Messe, sondern vor allem die Türen unseres Herzens. Wir werden aufgerufen, unsere Herzen zu öffnen für das Kommen des Herrn in unsere Seele hinein. Und dies gilt nicht nur für den Moment der Liturgie, dies soll für unser ganzes Leben gelten. Heben wir die Tore unserer gesamten Existenz, damit der Herr Einzug halten kann in jeden Bereich unseres Lebens. Öffnen wir uns dafür, dass der Herr unser Verhalten in jeder Lebenslage bestimmt, dass er ganz und gar gegenwärtig ist, in jeder Begegnung, in der Erfüllung unserer alltäglichen Pflichten, in unseren Familien und besonders in unseren Notlagen. Seien wir auch dafür offen, dass Gott ganz anders ist, als wir es uns vorstellen. Öffnen wir uns seiner Demut und lernen wir von seinem Kleinsein. Diese ist so entlarvend, dass jede noch so aufgeblähte Seele sich ertappt fühlen und schämen muss.
Lk 2
22 Als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen,
23 wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden.
24 Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.
25 Und siehe, in Jerusalem lebte ein Mann namens Simeon. Dieser Mann war gerecht und fromm und wartete auf den Trost Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm.
26 Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe.
27 Er wurde vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war,
28 nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten:
29 Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden.
30 Denn meine Augen haben das Heil gesehen,
31 das du vor allen Völkern bereitet hast,
32 ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.
33 Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden.
34 Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, –
35 und deine Seele wird ein Schwert durchdringen. So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden.
36 Damals lebte auch Hanna, eine Prophetin, eine Tochter Penuëls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt;
37 nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten.
38 Zu derselben Stunde trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.
39 Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret zurück.
40 Das Kind wuchs heran und wurde stark, erfüllt mit Weisheit und Gottes Gnade ruhte auf ihm.
Nun hören wir von diesem „König der Herrlichkeit“, von diesem „Boten des Bundes.“
Heute erfüllt die Hl. Familie zwei wichtige jüdische Gesetze: Erstens soll jeder erstgeborene Sohn und jedes erstgeborene Vieh, jede Erstlingsfrucht immer Gott zurückgegeben werden (Ex 13,2.12). Es soll als Zeichen der Dankbarkeit dem zurückgegeben werden, der es einem geschenkt hat. Den erstgeborenen Sohn kann man aber nicht darbringen wie das Vieh, denn Kinderopfer sind strengstens verboten. So wird stellvertretend für die Söhne ein Tier geopfert. Wer es sich leisten konnte, opferte ein Lamm, ärmere Familien opferten ein Paar Tauben. Maria und Josef waren nicht so reich, also brachten sie zwei Tauben dar. Das ist kein Zufall. Wir erkennen hier schon einen Verknüpfungspunkt mit der Taufe, wo auch eine Taube eine Rolle spielt! Und auch die Taufe ist ein Moment der Heiligung. „Taube“ und „Heiligung“ sind zusammenzubringen, weil der Hl. Geist die Heiligung bewirkt. Jesus gehört Gott und soll deshalb geopfert werden. Das ist schon ein Vor-Zeichen dessen, was wirklich passieren wird: Er wird im Gegensatz zu allen anderen Erstgeborenen nicht verschont, sondern wirklich geopfert – am Kreuz von Golgota.
Das zweite Gesetz ist die Reinigung Mariens nach der Geburt ihres Sohnes. Es meint keine hygienische Reinigung, sondern eine kultische. Das Gesetz bezieht sich auf Lev 12, wo die Wiedereingliederung der Frau in den Kult nach 40 Tagen geschehen soll. Diese Zahl hat eine tiefere Bedeutung, denn wie die Sintflut ohne Pause 40 Tage lang Regen auf die Erde fallen ließ, so muss auch Maria, die Arche des Neuen Bundes diese 40 Tage sühnen „wegen des vergossenen Blutes“ (Lev 12,5). Die Verbindung zur Sintflut wird dadurch hergestellt, dass laut Levitikus die Wiedereingliederung durch ein einjähriges Schaf oder durch ein Paar Tauben für Brand- und Sündopfer vollzogen wird. Auch bei der Sintflut kennzeichnet die Taube einen Neubeginn.
Maria wird gereinigt – es erfüllt sich die Verheißung aus dem Buch Maleachi. Sie trägt in sich das Blut der Stämme Juda und Levi. Sie ist biologisch gesehen priesterlich und königlich, da sie Davididin und zugleich levitisches Blut hat. Sie wird gereinigt, damit ihr Opfer Gott gefalle.
Danach wird von Simeon berichtet, der ein frommer Mann aus Jerusalem ist. Er lebte in einer intensiven messianischen Erwartung. Vom Hl. Geist erfüllt wird er in den Tempel geführt. Da, wo heilsgeschichtliche Knotenpunkte im Leben Jesu sind, ist immer der Hl. Geist im Spiel.
Simeon begegnet diesem Messias endlich, den er so viele Jahre ersehnt hat. In ihm erfüllt sich nun, was in Maleachi vorausgesagt worden ist: Der, den er gesucht hat, den er herbeigewünscht hat, ist endlich da. Er sieht ihn mit eigenen Augen so kurz vor seinem Tod. Es ist ein kleines Baby. Er nimmt es auf den Arm. Er berührt Gott selbst! Wie überwältigend muss es für diesen alten Mann sein, Gott in seinen Armen zu halten! Gottes Geist hat ihm zuvor schon verheißen, dass er ihm noch vor seinem Tod begegnen würde.
Sein Lobpreis beeindruckt die Eltern Jesu sehr. „Nun lässt du Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden“. Er kann nun in Ruhe sterben, weil sein Lebenstraum in Erfüllung gegangen ist. Es ist nicht einfach so ein Fan-Geschwärme, sondern ein Bezeugen des Messias. Nun kann er in Ruhe sterben, weil er weiß, dass sein Volk Israel endlich erlöst werden wird.
„Denn meine Augen haben das Heil gesehen“, ja er hat Jesus wirklich geschaut, dessen Name „Jahwe ist Heil“ bedeutet. Sein Gebet ist eine Zusammenstellung verschiedener alttestamentlicher Verheißungen. Das ist ein typisches Kennzeichen für den Hl. Geist. Durch ihn wird man an die Verheißungen erinnert und zählt eins und eins zusammen. Es geht einem auf, was sich davon in dem Moment erfüllt. So ist es auch mit dem Magnificat, bei dem Maria verschiedene Schriftzitate neu zusammensetzt. Es ist auch dort der Geist Gottes, der dies in ihr bewirkt.
Simeon zitiert Jes 40,5 nach dem griechischen AT mit dem Sehen des Heiles. Und das Heil, das Gott „vor allen Völkern bereitet“ hat, ist ein Zitat aus Jes 52,10. Wir merken hier wieder die Betonung von Jesaja, dem am meisten messianischen Text des AT.
Auch gerade die Kombination von „Licht, das die Heiden erleuchtet“ und „Herrlichkeit für dein Volk Israel“ ist eine Zusammenstellung jesajanischer Schriftstellen (Jes 42,6; 46,13). Jesus ist gekommen, um einen Bund zu schließen gleichermaßen mit Juden und Heiden.
Simeon verheißt den Eltern Jesu die Bedeutung dieses Kindes: An ihm werden sich die Geister scheiden, denn viele werden durch ihn zu Fall kommen – nicht weil er dies aktiv tun wird, sondern weil sie ihn ablehnen werden. Aufgerichtet werden dagegen jene, die ihn annehmen werden. Die Aufrichtung ist ein Verb, das auf einen Bundesschluss hinweist. Die ihn annehmen, wir Getauften, sind mit Gott den Neuen Bund eingegangen.
Er ist auch zum Zeichen geworden, dem widersprochen wird: damals zu seinen Lebzeiten, im Nachgang auch als Zeichen des Kreuzes. In der Antike und bis heute lassen Christen ihr Leben für das Zeichen des Kreuzes.
Simeon hat auch eine Leidensankündigung für Maria bereit. Sie wird ein Schwert durchdringen. Es gibt wohl kaum etwas Schlimmeres für eine Mutter, als den Tod ihres eigenen Kindes mitanzusehen. Und dann wird ihr Sohn den schandvollsten Tod erleiden, er wird hingerichtet werden und muss viele Folterungen über sich ergehen lassen – als Unschuldiger. Und auch wenn sie dieses Schwert durchdringen wird, sie wird es annehmen und mit ihrem Sohn mitleiden. Sie wird es aushalten und bis zum letzten Atemzug ihres Sohnes unter seinem Kreuz stehen. Auch ihr Leiden wird etwas bewirken – nämlich die Offenlegung vieler Gedanken der Menschen. Auch an Maria werden sich die Geister scheiden – bis heute. Sie wird zum Maßstab der Rechtgläubigkeit, denn kein einziger Mensch kennt Jesus besser als sie. Wer Jesus mit ihren Augen sieht, sieht den echten Jesus, keinen ideologischen, zugeschnittenen Wunschjesus.
Wir hören im heutigen Evangelium auch von Hanna, einer Prophetin, die dem Tempel viele Jahrzehnte lang gedient hat, da sie früh verwitwet wurde. Sie betet und fastet im Tempel. Sie tut dies stellvertretend für ihr Volk. Sie bezeugt das Kind ebenfalls und erzählt allen Menschen seine heilsgeschichtliche Bedeutung.
Einerseits sehen wir in Simeon und Hanna die Vertreter der Großelterngeneration. Mit ihnen können sich bis heute alle Großeltern identifizieren. Auch sie können im hohen Alter noch eine wichtige Berufung haben und sich einbringen. Was hier aber vor allem im Hinblick auf die restlichen Lesungen herauszustellen ist: Sie verkörpern das Alte Israel, den Alten Bund. Sie stehen für das Volk Israel, das voller Sehnsucht auf den Messias wartet. Sie personifizieren das, was wir heute bei Maleachi gelesen haben. Dabei haben sie sich geheiligt, wie der Hebräerbrief sagt. Sie haben in steter Erwartung ihr Leben gelebt, um letztendlich an diesem Tag mit bereitem Herzen Jesus zu begegnen. Sie haben die Tore ihrer Seele geöffnet, dass Jesus in ihre Seelen einziehen kann. Es ist die Berührung der beiden Bünde, ein Übergang vom Alten zum Neuen Bund, der aber erst am Kreuz vollendet wird.
Wir hören dann davon, dass die Familie nach Nazaret zurückkehrt und Jesus im Geist Gottes heranwächst. Er wird stark und erfüllt mit Weisheit. Er ist bereits der Sohn Gottes, lebt aber ein Leben im Verborgenen, bis seine Stunde kommen wird (Joh 2).
Ihre Magstrauss
Ein Kommentar zu „Darstellung des Herrn (Fest)“