1 Kön 8,22-23.27-30; Ps 84,3.4.5 u. 10.11; Mk 7,1-13
1 Kön 8
22 Dann trat Salomo in Gegenwart der ganzen Versammlung Israels vor den Altar des HERRN, breitete seine Hände zum Himmel aus
23 und betete: HERR, Gott Israels, im Himmel oben und auf der Erde unten gibt es keinen Gott, der so wie du Bund und Huld seinen Knechten bewahrt, die mit ungeteiltem Herzen vor ihm leben.
27 Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde? Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe.
28 Wende dich, HERR, mein Gott, dem Beten und Flehen deines Knechtes zu! Höre auf das Rufen und auf das Gebet, das dein Knecht heute vor dir verrichtet!
29 Halte deine Augen offen über diesem Haus bei Nacht und bei Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast, dass dein Name hier wohnen soll! Höre auf das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte verrichtet!
30 Achte auf das Flehen deines Knechtes und deines Volkes Israel, wenn sie an dieser Stätte beten! Höre sie im Himmel, dem Ort, wo du wohnst! Höre sie und verzeih!
Gestern haben wir davon gehört, dass die Bundeslade in den neu errichteten Tempel überführt worden ist. Das ganze Geschehen ist in einen liturgischen Kontext eingebettet. Sobald die Lade in den Tempel gebracht worden ist, legt sich die Wolke der Herrlichkeit Gottes auf ihn. Salomo hält daraufhin eine Ansprache, die wir heute nicht hören. Stattdessen setzt die heutige Lesung bei dem sich anschließenden Weihegebet des Königs an.
Er tritt „in Gegenwart der ganzen Versammlung Israels vor den Altar“, was eine ganz klare liturgische Handlung beschreibt. Sein Gebet wird von seinem Stehen vor dem Altar und durch die Ausbreitung seiner Hände begleitet.
Das Gebet beginnt mit dem Bekenntnis Salomos, dass es keinen Treueren als Gott gibt. Die Bezeichnung „im Himmel oben und auf der Erde unten“ bezieht sich dabei meistens auf Irdisches und Überirdisches. Das Begriffspaar „Himmel und Erde“ steht für die sichtbare und die unsichtbare Welt, die beide von Gott geschaffen worden sind. Es kann aber sein, dass Salomo an dieser Stelle den Himmel meint, den wir sehen können. Gott ist der Treue, der seinen Bund aufrecht erhält, der sein Versprechen gegenüber seinen Bündnispartnern nicht bricht.
Salomo hat die Erkenntnis, dass selbst der Himmel Gott nicht fassen kann. Der Himmel ist von Gott geschaffen und kann ihn nicht übersteigen. An dieser Stelle merken wir, dass wohl der sichtbare Himmel gemeint ist. Gott lässt sich nicht fassen und wenn schon der Himmel ihn nicht umgeben kann, umso weniger der irdische Tempel Salomos. Auch wenn der König ein so prunkvolles Heiligtum errichtet hat, maßt er sich nicht an, wie die Menschen beim Turmbau zu Babel den Himmel erreichen zu können. Er weiß, dass das Beste und ihm nur Mögliche für Gott gerade gut genug ist. Das ist eine Demutsbekundung und bezeugt Salomos Gottesfurcht. Die Gottesfurcht ist wiederum der Anfang jeder Weisheit (Ps 111,10). Und im gestrigen Psalm haben wir schon dieses Bild vom Fußschemel gehört. Ein Tempel ist zwar Wohnstatt Gottes und doch kann man Gott darin nicht einfangen.
Salomo bittet Gott um Aufmerksamkeit und Erhörung („Wende dich (…) zu“; „Höre auf das Gebet“). Die Art seines Betens erinnert sehr stark an die Psalmen seines Vaters David.
Gott soll seine Augen offenhalten bei Tag und Nacht. Das ist bildlich gesprochen, denn Gott ist Geist und hat keine Augen. Was Salomo sich wünscht, ist Gottes Allsehen. Er soll die Opfer sehen und registrieren. Er soll alle Gebete mitbekommen, damit kein Gebet unerhört bleibt.
Dabei setzt Salomo voraus, dass Gott trotz Gegenwart im Tempel eigentlich im Himmel wohnt. Denn er sagt hier „im Himmel, dem Ort, wo du wohnst.“ Das Hören soll auf Vergebung abzielen. Gott soll das Flehen der Menschen hören, damit er ihnen verzeihe. Es geht um die ganze Opferpraxis, die sich im und um den Tempel herum abspielen wird.
Die ganze Situation ist bemerkenswert. Es handelt sich um ein Weihegebet. Der Tempel wird Gott geweiht. Derjenige, der die Weihe aber vornimmt, ist der König und nicht ein Hohepriester! Salomos ist gesalbt und hat als Gesalbter die Gnadengaben Gottes erhalten. Und doch ist es ungewohnt, weil sein Gebet an das hohepriesterliche Gebet Jesu in Joh 17 erinnert. Die typologische Verbindung zwischen Salomo und Jesus ist unverkennbar, insbesondere bei Betrachtung des Königtums.
Ps 84
3 Meine Seele verzehrt sich in Sehnsucht nach den Höfen des HERRN. Mein Herz und mein Fleisch, sie jubeln dem lebendigen Gott entgegen.
4 Auch der Sperling fand ein Haus und die Schwalbe ein Nest, wohin sie ihre Jungen gelegt hat – deine Altäre, HERR der Heerscharen, mein Gott und mein König.
5 Selig, die wohnen in deinem Haus, die dich allezeit loben.
11 Ja, besser ist ein einziger Tag in deinen Höfen als tausend andere. Lieber an der Schwelle stehen im Haus meines Gottes als wohnen in den Zelten der Frevler.
12 Denn Gott der HERR ist Sonne und Schild. Der HERR schenkt Gnade und Herrlichkeit. Nicht versagt er Gutes denen, die rechtschaffen wandeln.
Der heutige Psalm ist dem Tempel in Jerusalem gewidmet. Gleich zu Beginn wird uns dies durch die „Höfe des Herrn“ verdeutlicht. Es meint die verschiedenen Bereiche des Tempelgeländes. Der ganze Beter verzehrt sich in Sehnsucht nach dem Tempel. Er jubelt mit seiner ganzen Existenz („mein Herz und mein Fleisch“).
Er vergleicht seine Freude über den Tempel und seine damit verbundenen Heimatgefühle mit Sperling und Schwalbe, die ein Nest gebaut und ihre Jungen hineingelegt haben. Dabei ist die Anrede HERR der Heerscharen (Jahwe Zebaot) eine kultische Bezeichnung für Gott. Auch wir bezeichnen ihn so, wenn wir das Sanctus singen. Es ist ein liturgischer Titel auch bei den Christen.
„Selig, die wohnen in deinem Haus, die dich allezeit loben“ führt uns über den Buchstabensinn hinaus. Wir preisen jene selig, die ewig das Sanctus im Himmel singen. Nicht umsonst kündigt der Priester in der Präfation das Sanctus z.B. mit den Worten an: „Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen und singen vereint mit ihnen das Lob deiner Herrlichkeit.“ Jene sind es, die wirklich selig sind und im Hause Gottes wohnen und ihn allezeit preisen. Neben dieser anagogischen Lesart können wir es schon allegorisch-ekklesiologisch verstehen, also auf die Kirche beziehen. Sie ist das Haus Gottes auf Erden, der Antitypos des Tempels. Hier wohnt Christus in der Eucharistie. Die Kirche ist die Gemeinschaft der Gläubigen, die Gott allezeit preisen. Hier wird ein Funke der eschatologischen Freude schon sakramental vorweggenommen.
Der Beter des Psalms bevorzugt diese Zeit im Tempel gegenüber vielen Tagen vom Tempel entfernt. Die Wallfahrtszeiten sind sein Höhepunkt. Er freut sich schon darüber, wenn er „an der Schwelle“ stehen darf, solange er nicht in den „Zelten der Frevler“ verbringen muss. Es ist wiederum anagogisch weiterzudenken: Selbst wenn wir an der Schwelle zum Himmelreich stehen, ist es besser, als in der ewigen Verdammnis zu verbringen. Selbst wenn wir noch geläutert werden müssen, aber schon mit einem Fuß im Himmelreich sind, haben wir Trost. Denn wir sind uns sicher, dass wir danach bei Gott sein dürfen. Es ist wie mit den Höfen des Tempels. Es muss zunächst die Reinigung erfolgen, damit wir weiter vordringen können. Der irdische Tempel ist wirklich nach dem Vorbild der Ewigkeit gebaut worden!
„Gott der HERR ist Sonne und Schild“. Er ist also Orientierung, Wärme und Schutz. Er schenkt Gnade und Herrlichkeit. Wer in den Tempel kommt, wird beschenkt und wieder neu ausgerüstet. So ist es auch mit uns, die wir in die Kirche gehen, um in der Eucharistie neu ausgestattet zu werden mit Gnade und Herrlichkeit. Wir werden immer mehr gewandelt in den Leib Christi, den wir empfangen. So werden wir Gott immer ähnlicher, auch wenn wir nie Götter werden. Stattdessen werden wir immer mehr zu Menschen, wie Gott sie gedacht hat. Gott gibt Überfülle an Gnaden, wenn der Mensch rechtschaffen wandelt. Das Wandeln ist im biblischen Kontext immer ein moralischer Begriff und bezieht sich auf den Lebenswandel. Wer also die Gebote Gottes hält und somit im Stand der Gnade ist, wird immer mehr beschenkt. Der Kanal zwischen Gott und Mensch ist ja frei durch den einwandfreien Seelenzustand. Wenn der Mensch aber im Zustand schwerer Sünde ist, dann ist der Kanal verstopft. Dann kann Gott ihm diese Gnaden nicht schenken, nicht weil er es nicht möchte, sondern weil der Mensch sich selbst blockiert.
Wollen wir selig sein und das schon in diesem Leben, dann kommen wir zur Quelle, machen den Weg frei für Gottes Gnaden in der Beichte und empfangen wir Christus in der Eucharistie. Dann wird er in unserem inneren Tempel Wohnung nehmen. Dann werden wir schon hier auf Erden Heimatgefühle des Himmels haben.
Mk 7
1 Die Pharisäer und einige Schriftgelehrte, die aus Jerusalem gekommen waren, versammelten sich bei Jesus.
2 Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen.
3 Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Handvoll Wasser die Hände gewaschen haben; so halten sie an der Überlieferung der Alten fest.
4 Auch wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein, wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln.
5 Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also: Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten, sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen?
6 Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesaja hatte Recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte, wie geschrieben steht: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir.
7 Vergeblich verehren sie mich; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen.
8 Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen.
9 Und weiter sagte Jesus: Sehr geschickt setzt ihr Gottes Gebot außer Kraft, um eure eigene Überlieferung aufzurichten.
10 Denn Mose hat gesagt: Ehre deinen Vater und deine Mutter! und: Wer Vater oder Mutter schmäht, soll mit dem Tod bestraft werden.
11 Ihr aber lehrt: Wenn einer zu seinem Vater oder seiner Mutter sagt: Korbán – das heißt: Weihgeschenk sei, was du von mir als Unterstützung erhalten solltest – ,
12 dann lasst ihr ihn nichts mehr für Vater oder Mutter tun.
13 So setzt ihr durch eure eigene Überlieferung Gottes Wort außer Kraft. Und ähnlich handelt ihr in vielen Fällen.
Heute lesen wir von einer Konfliktsituation zwischen Jesus/seinen Jüngern und den Pharisäern und Schriftgelehrten. Jesus und seine Jünger halten sich nicht an die Reinheitsgebote und anderen Überlieferungen der Alten. Das stört die Pharisäer, die sehr viel Wert auf die Einhaltung der jüdischen Gebote legen. An sich ist dies nicht verwerflich, denn dafür hat Gott die Menschen diese Gebote zur gegebenen Zeit auch gelehrt. Das Problem ist nicht, dass die Pharisäer sich vor dem Essen die Hände waschen und das auch von anderen erwarten. Das Problem ist, dass sie ihre Hände waschen, aber nicht ihr Herz. Sie sind Heuchler, weil sie sich um äußere Dinge kümmern, aber das Entscheidende nicht tun. Er vergleicht sie mit dem, was Jesaja schon beklagt hat: „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir.“ Was bringen die noch so perfekt eingehaltenen äußeren Handlungen ohne entsprechende innere Haltung? Ganz wichtig: Jesus will nicht irgendwelche Gebote entkräften, zumindest nicht die göttlichen! Er kritisiert zurecht das von den Pharisäern errichtete menschliche Konstrukt um die göttlichen Gebote herum. Diese menschlich herbeigeführte Verkomplizierung führt vom wesentlichen Kern und von der ursprünglichen Absicht der Gebote Gottes weg. So greift Jesus als Beispiel das vierte Gebot „Ehre deinen Vater und deine Mutter“ auf und stellt heraus, wie die Pharisäer dieses Gebot durch eigene Gesetze entkräften. In diesem Fall würden sie z.B. ihren ganzen Besitz Gott weihen, was auf Hebräisch Korban heißt. Damit hätten sie dann einen Vorwand, ihre Eltern nicht mehr zu unterstützen, denn das dafür benötigte Geld etc. ist ja schon Gott geweiht worden. Auf diese Weise würden die Pharisäer das vierte Gebot entkräften, weil sie die Juden zur Umgehung des vierten Gebots provozieren würden. Jesus sagt nicht, dass Gebote überflüssig sind. Das wird aus solchen Episoden gerne geschlossen. Er sagt vielmehr, dass Gottes Gebote höchste Priorität haben und kein Mensch sie antasten kann. Anhand des Beispiels der Korban-Regelung möchte Jesus verdeutlichen, dass der pharisäische Umgang mit Geboten ihr von Gott weit entferntes Herz offenbart.
An anderer Stelle drückt Jesus es so aus: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.“ (Mt 7,21). Die Pharisäer sind gut darin, ganz besonders laut und fromm „Herr, Herr“ zu sagen. Und die Sache an sich ist nicht falsch. Was Jesus möchte, ist aber die Kongruenz, die Deckungsgleichheit von innen und außen, von Lippen und Herz. Er selbst hat sich ja auch unter das Gesetz gestellt. Er hat auch gesagt, dass er von der Torah nichts ändern möchte. Im Falle der Korban-Regelung gilt dasselbe: Nicht jedes Weihegebet ist jetzt verwerflich und er möchte natürlich nicht damit sagen, dass man seinen Besitz jetzt nicht mehr Gott weihen soll. Sonst hätte er im Nachhinein auch das Weihegebet Salomos aus der heutigen Lesung verworfen. Er möchte vermeiden, dass wir vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Stattdessen sollen wir uns darauf besinnen, dass die Gebote Gottes Priorität Nummer eins haben. Wir sollen diese mit der rechten Absicht halten, also aus Liebe zu Gott und unserem Nächsten. Wenn wir aber Liebe haben, dann werden wir nicht unseren Besitz Gott weihen aus habgierigen Gründen, damit wir uns vor der Verantwortung für die Eltern drücken können. Dann werden wir gerade aus Liebe für unsere Eltern da sein und sie auch mit den nötigen Mitteln unterstützen. Gott weihen kann und muss man gerade deshalb alles. Man gibt ihm dankbar zurück, was man von ihm bekommen hat. Das wäre die richtige Handhabung in diesem Beispiel.
Wenn wir über Liturgie, über Frömmigkeitsformen etc. nachdenken, müssen wir uns das auch immer fragen: Wollen wir alles korrekt haben, weil wir Gott lieben? Dann ist unser Bestreben gut und richtig. Wollen wir es um der Liturgie selbst willen? Dann müssen wir uns fragen: Wer ist größer: Gott oder die Liturgie? Wollen wir es um unserer Selbst willen? Um uns selbst besser darzustellen als diejenigen, die nicht alles richtig machen bei äußerlich sichtbaren Handlungen? Preisen wir Gott laut „Herr, Herr“ und leben im Alltag dennoch genauso weltlich wie jene, die wir für die schlechteren Anbeter halten? Was bringt dann unser lautes „Herr, Herr“, wenn wir nicht mal den Willen des Vaters tun?
Ich lade uns alle dazu ein, den Weg in die Deckungsgleichheit von Lippen und Herz einzuschlagen, damit wir zu jenen Menschen werden, die Gott gedacht hat und die er selig machen möchte. Ich lade dazu ein, unser ganzes Bestreben wirklich auf die Liebe zu Gott und zu dem Nächsten auszurichten und bei allem wirklich nur Gott die Ehre zu geben. Ich bin sicher, dass Sie das alle schon tun. Und doch können wir uns immer noch verbessern. Erbitten wir dazu die Gnade Gottes, die uns dabei hilft, immer mehr zu Abbildern Gottes zu werden.
Ihre Magstrauss