Jes 10,5-7.13-16; Ps 94,5-6.7-8.9-10.14-15; Mt 11,25-27
Jes 10
5 Wehe Assur, dem Stock meines Zorns! Der Knüppel in ihrer Hand, das ist meine Wut.
6 Gegen eine gottlose Nation sende ich ihn und gegen das Volk meines Grimms entbiete ich ihn, um Beute zu erbeuten und Raub zu rauben, um es zu zertreten wie Lehm in den Gassen.
7 Doch Assur stellt es sich nicht so vor, sein Herz plant es anders, es hat nur Vernichtung im Sinn, die Ausrottung nicht weniger Nationen.
13 Denn er hat gesagt: Das habe ich mit der Kraft meiner Hand und mit meiner Weisheit getan, denn ich bin klug. Und ich beseitige die Grenzen zwischen den Völkern, ihre Schätze plündere ich und stoße wie ein Held die Bewohner hinab.
14 Gleich einem Vogelnest hat meine Hand nach dem Reichtum der Völker gelangt und wie man verlassene Eier sammelt, so habe ich die ganze Welt eingesammelt. Da war keiner, der mit den Flügeln schlug, keiner, der den Schnabel aufriss und piepste.
15 Prahlt denn die Axt gegenüber dem, der mit ihr hackt, oder brüstet die Säge sich vor dem, der mit ihr sägt? Das wäre, wie wenn der Stock den Mann schwingt, der ihn hochhebt, oder wie wenn der Knüppel den hochhebt, der nicht aus Holz ist.
16 Darum schickt Gott, der HERR der Heerscharen, gegen seine Fetten die Schwindsucht und statt seiner Pracht wird ein Brand brennen wie der Brand eines Feuers.
Jesaja hat viele Warnrufe gegen das Nordreich ausgesprochen. Er hat es immer wieder zur Umkehr aufgerufen, damit die große Katastrophe von „Efraim“ abgewendet werde. Heute hören wir einen Weheruf gegen die feindliche Macht Assurs. Sie ist Gottes Stock des Zorns. Er verdeutlicht, dass Assur das Werkzeug ist, mit dem Gott seinen heiligen Zorn an Israel ausführt. Gott schickt den Knüppel seines Zorns „gegen eine gottlose Nation“ und meint damit das götzendienerische Nordreich.
Assur selbst ist aber eigenständig und gedenkt gar nicht, nach Gottes Willen zu handeln. „Sein Herz plant es anders, es hat nur Vernichtung im Sinn, die Ausrottung nicht weniger Nationen.“ So kommt eine unverhältnismäßige Strafe auf Israel zu. Assur denkt, es sei aus eigener Kraft so stark. Es versteht nicht, dass der allmächtige Gott seine große politische Macht zugelassen hat. Es hat gleichsam größenwahnsinnige Pläne, denn es möchte den „Reichtum der Völker“ an sich reißen „die ganze Welt“ einsammeln.
Und doch lebt Assur eine Illusion, denn „prahlt denn die Axt gegenüber dem, der mit ihr hackt, oder brüstet die Säge sich vor dem, der mit ihr sägt?“ Assur ist nur so lange und so mächtig, wie Gott ihm gewährt. Es ist sein Werkzeug und kann sich nicht einbilden, als solches sich selbst zu bedienen. Letztendlich ist es dieselbe Illusion, mit der der Satan auf Erden wütet. Er bildet sich ein, große Macht zu haben. Doch was ihm geblieben ist, ist ein Spielraum, der ihm auf streng begrenzte Zeit noch gewährt wird. Letztendlich kann er als Geschöpf Gottes nicht gegen den Schöpfer ankommen. Dieser kann nur haushoch siegen.
Und deshalb heißt es bezüglich Assur auch in Vers 16: „Darum schickt Gott, der HERR der Heerscharen, gegen seine Fetten die Schwindsucht und statt seiner Pracht wird ein Brand brennen wie der Brand eines Feuers.“ Das Feuermotiv ist ganz typisch für Gerichtsrede. Assur wird also selbst brennen und untergehen. Auch der Widersacher Gottes wird eines Tages zerstört werden und keine Macht mehr über die Menschheit haben. Das ist eine tröstliche Botschaft.
Die wiederholten Weherufe gegen Israel sind Warnrufe, bevor es zu spät ist. Und doch prallen diese Rufe offensichtlich ab, denn bald wird Assur es erobern. Es wird sogar noch schlimmer kommen.
Ps 94
5 HERR, sie zertreten dein Volk, sie unterdrücken dein Erbteil.
6 Sie bringen die Witwen und Fremden um und morden die Waisen.
7 Sie sagten: Der HERR sieht es nicht, der Gott Jakobs merkt es nicht.
8 Begreift doch, ihr Toren im Volk! Ihr Unvernünftigen, wann werdet ihr klug?
9 Sollte der nicht hören, der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht sehen, der das Auge geformt hat?
10 Sollte der nicht zurechtweisen, der die Nationen erzieht, er, der die Menschen Erkenntnis lehrt?
14 Denn der HERR lässt sein Volk nicht im Stich und wird sein Erbe nicht verlassen.
15 Nun spricht man wieder Recht nach Gerechtigkeit; ihr folgen alle Menschen mit redlichem Herzen.
Die Weherufe gegen Israel und Assur aus der Lesung leiten über in ein Klagelied. Der Beter beklagt den Einfall der Feinde in das gelobte Land, das Gott seinem Volk eigentlich als Erbteil überlassen hat. Auch die Situation der Lesung bezogen kann man sich gut vorstellen, dass es das Klagelied der Israeliten ist, die Gott die nun eintreffende Katastrophe klagen. Es kommt zum Morden der Rechtlosen und Randständigen. Gott greift nicht ein und man sagt: „Der HERR sieht es nicht, der Gott Jakobs merkt es nicht.“ Das ist die falsche Reaktion, denn wie kann man dem Allmächtigen unterstellen, er würde die Hilfeschreie nicht hören?
Gott ist es doch, „der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht sehen, der das Auge geformt hat?“ Gott ist allmächtig und er ist der Schöpfer. Natürlich hört er. Doch würden sich die Menschen nun an die vielen Warnrufe erinnern, an die vielen Ankündigungen und Vorwarnungen, müssten sie eigentlich zu der Erkenntnis kommen: Er hat mich vor die Wahl gestellt und ich habe mir genau dies ausgewählt. Was kann Gott da noch machen?
Und weil Gott auch derjenige ist, der den Menschen erzieht – inklusive Züchtigung -, hat er ein Recht, seine Kinder zu erziehen und Erkenntnis zu lehren. Und was nun passiert, ist eine Erziehungsmaßnahme getreu dem Motto: Wer nicht hören will, muss fühlen.
Gott verlässt sein Volk aber zu keinem Zeitpunkt. „Denn der HERR lässt sein Volk nicht im Stich und wird sein Erbe nicht verlassen.“ Gott nimmt seine untreue Braut wieder zurück, nachdem sie ihre Lektion gelernt hat. Dann heißt es wahrlich: „Nun spricht man wieder Recht nach Gerechtigkeit, ihr folgen alle Menschen mit redlichem Herzen.“ Auch wenn Israel zwischenzeitlich diese schlimmen Dinge erleben muss, wird auch dies wieder zu einer Chance, zur Erkenntnis zu kommen. Dann soll das Herz Gott wieder zugewandt werden. Auch hier steht es Israel dann frei, die Dinge einzusehen und zu Gott zurückzukehren oder eben nicht. Nutzt es diese Chance, wird es aus der Krise gereift herauskommen und Gott mit wieder entfachter Flamme zurücklieben.
Der Psalm lehrt auch uns heute eine wichtige Lektion: Leiden heißt nicht, dass Gott taub und blind ist, dass wir ihm gleichgültig sind oder er nicht allmächtig ist. Er könnte eingreifen, tut es aber in vielen Situationen nicht. Denn vieles geschieht aufgrund von einer freien Willensentscheidung, die wir selbst oder andere Menschen vornehmen. Und falsche Entscheidungen schaden sehr oft auch Unschuldigen. Das ist die Ungerechtigkeit von Sünde. Aber Gott hat dem Menschen diese Freiheit geschenkt. Und wenn es zu Katastrophen kommt, dürfen wir gewiss sein: Gott verlässt uns in keinem Augenblick.
Mt 11
25 In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast.
26 Ja, Vater, so hat es dir gefallen.
27 Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.
Im Evangelium hören wir heute einen Ausschnitt aus einem Gebet Jesu an seinen Vater. Es ist ein Beispiel, wie wir selbst beten sollen, die wir als Getaufte Gott ebenfalls unseren Vater nennen dürfen.
Gott ist wirklich „Herr des Himmels und der Erde“. Er hat sie nicht nur geschaffen und erhält sie, sondern er hat auch die Macht über alles. Das ist eine tröstliche Erkenntnis, denn auch wenn wir jetzt sehen, dass die Mächtigen dieser Welt böse sind, steht über ihnen dennoch der eine und wahre Gott. Sie haben jetzt vielleicht noch einen Handlungsspielraum, aber wenn Gott kommt, wird er sie alle in einem Moment entmachten – sie, die eigentlich nur Marionetten des Bösen sind.
Die „Unmündigen“ dieser Welt sind die Empfänger der entscheidenden Botschaft. An sie ist die Offenbarung ergangen, nicht an die Reichen, Weisen und Klugen, die ganz in der Weisheit der Welt wandeln. Paulus nennt eben diese Menschen töricht, die der weltlichen Weisheit verhaftet sind. Die „Unmündigen“ sind dagegen die eigentlichen Weisen, denn sie wandeln in der göttlichen Weisheit. Von den Hirten auf den Feldern von Betlehem bis zu den Fischern am See von Tiberias sind es immer die einfachen Menschen, die eine große Aufgabe im Reich Gottes erhalten.
Alles ist vom Vater dem Sohn übergeben worden. Nicht nur der Sohn hat sich durch sein Leiden und seinen Tod ganz dem Vater hingegeben, sondern auch der Vater ganz dem Sohn. Dieser vollbringt das Werk des Vaters ganz in dessen Willen. Ihre ganz innige Beziehung ist es, die uns den Vater sehen lässt, wenn wir Jesus sehen. Wenn wir die Offenbarung des Vaters erhalten möchten, müssen wir uns ganz an den Sohn Jesus Christus halten. Niemand kennt den Vater nämlich besser als er. Gott ist Geist und er ist Geheimnis. Wenn wir ihn kennenlernen möchten, muss er sich uns offenbaren. Dies hat er ganz in Christus getan. Er hat uns wahrlich sein Innerstes gezeigt, sein Herz.
An Jesus Christus sehen wir, dass wir Menschen Gott nicht egal sind, schon gar nicht im Leiden. Denn er war bereit, selbst Mensch zu werden und zu leiden, damit unser Leiden in Ewigkeit aufhöre. So sehr setzt er sich für uns ein, die wir seine Kinder sind.
Ihre Magstrauss