Dan 7,9-10.13-14 oder Offb 12,7-12a; Ps 138,1-2b.2c-3.4-5; Joh 1,47-51
Offb 12
7 Da entbrannte im Himmel ein Kampf; Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen. Der Drache und seine Engel kämpften,
8 aber sie hielten nicht stand und sie verloren ihren Platz im Himmel.
9 Er wurde gestürzt, der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verführt; der Drache wurde auf die Erde gestürzt und mit ihm wurden seine Engel hinabgeworfen.
10 Da hörte ich eine laute Stimme im Himmel rufen: Jetzt ist er da, der rettende Sieg, die Macht und die Königsherrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten; denn gestürzt wurde der Ankläger unserer Brüder, der sie bei Tag und bei Nacht vor unserem Gott verklagte.
11 Sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch ihr Wort und ihr Zeugnis. Sie hielten ihr Leben nicht fest, bis hinein in den Tod.
12 Darum jubelt, ihr Himmel und alle, die darin wohnen.
An diesem heutigen Festtag der Hl. Erzengel haben wir die Wahl zwischen einer Lesung aus dem Buch Daniel oder aus der Johannesoffenbarung. Ich wähle das Zweite aus, weil es hier expliziter um einen der Engel geht, nämlich um den Erzengel Michael. Sein Name bedeutet „Wer ist wie Gott“ und ist auf das Ereignis zurückzuführen, das wir hier in der Lesung hören:
Es entbrennt ein Kampf im Himmel. Was hier passiert, ist vor der Zeit geschehen, also bevor Gott die Erde geschaffen hat, wenn man das so sagen kann. Denn bevor es die Zeit überhaupt gibt, gibt es ja keine Zeit. Es ist also schwer, über Ereignisse in „Vorzeit“ zu sprechen. Es geht um etwas, das in der Ewigkeit geschehen ist und uns erklärt, warum der Böse die Schöpfung Gottes verderben konnte durch eine Schlange im Garten Eden. Der Teufel oder Satan ist von seiner Natur her zunächst ein Geist wie die Engel auch. Er ist ausgestattet mit einem freien Willen, einem eigenen Charakter, aber ohne Körper. Er ist gut geschaffen worden wie alles Andere, das Gott erschaffen hat. Doch mit seinem freien Willen stellt er sich dann irgendwann gegen Gott. Deshalb entbrennt der Kampf im Himmel. Er weigert sich zusammen mit einer ganzen Schar weiterer Engel, Gott anzubeten und ihm zu gehorchen. Das ist aber eigentlich, wofür er geschaffen worden ist. Dagegen möchte er selbst wie Gott sein. Das wird ihm zum Verhängnis und bei der Schlacht, von der wir in der Lesung hören, wird er zusammen mit den anderen Engeln hinabgeworfen auf die Erde. Das ist eine Vision, die Johannes schaut. Wie man sich das vorstellen muss, ist unklar, denn aus der Vision geht hervor, dass die Erde bereits besteht. Anders kann der Seher es aber gar nicht schauen. Er sieht viele Dinge, die vom zeitlichen Ablauf nicht wörtlich zu verstehen sind. Deshalb dürfen wir uns von diesen Ausführungen nicht verwirren lassen oder daran aufhängen, dass der Satan mit den anderen Engeln auf die Erde hinabgestürzt werden. Entscheidend ist: Die Erde ist nun ein Handlungsraum für sie geworden. Aus dem Himmel sind sie verbannt. Und der Anführer der Engelscharen, die zu Gott halten, ist nun dieser Erzengel Michael, dessen Name „Wer ist wie Gott“ als Mahnmal gegen den Bösen aufgestellt ist – eine Warnung auch an uns Menschen, dessen Urversuchung es ist, wie Gott sein zu wollen. Nicht umsonst ist genau dies das Versprechen, das die Schlange dem Menschenpaar macht – sie werden wie Gott sein, wenn sie von der Frucht essen.
Der Böse wird hier auch als Drache geschaut. Welche Gestalt auch immer er annimmt oder wie auch immer er geschaut wird – er ist eigentlich reiner Geist. Die Engel sind zu Dämonen geworden durch ihre Auflehnung gegen Gott. Der Engel, der als Feldherr Gottes die Angriffe gegen seinen Herrn abwehrt, ist auch für uns ein ganz mächtiger Wächter. So sehr wütet der Satan nun auf Erden, um die Menschen daran zu hindern, bei Gott zu sein. Was er nicht haben konnte, soll der Mensch nun auch nicht bekommen. Er geht wirklich umher wie ein brüllender Löwe oder um im hiesigen Bild zu sprechen, wie ein Feuer speiender Drache, bereit, jeden in seinem Feuer zu versengen. Doch er hat die Rechnung ohne den Hl. Erzengel Michael gemacht. Dieser beschützt uns auch hier auf Erden. Seine Waffen sind viel stärker als die Waffen des Satan, denn er ist der Heerführer Gottes höchstpersönlich! Nehmen wir seinen Schutz in Anspruch in einer Zeit, die immer gottloser wird! Papst Leo XIII hatte eine Vision, die ihm etwas Schreckliches aufgezeigt hat, weshalb er das folgende Gebet zum Hl. Erzengel Michael eingeführt hat. Wie schade, dass dieses Gebet heutzutage nicht mehr verpflichtend am Ende jeder Hl. Messe ist! Denn so machtvoll bitten wir darin den Hl. Erzengel um Schutz:
Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampfe! Gegen die Bosheit und Nachstellungen des Teufels sei unser Schutz. »Gott gebiete ihm!«, so bitten wir flehentlich. Du aber, Fürst der himmlischen Heerscharen, stoße den Satan und die anderen bösen Geister, die in der Welt umhergehen, um die Seelen zu verderben, durch die Kraft Gottes in die Hölle. Amen.
Der sich anschließende Lobpreis ist nicht nur auf Michael und die Engel zu beziehen, sondern auf die Menschheit, die über die heilsgeschichtliche Entwicklung jubeln kann. Dadurch, dass die erzählte Vorgeschichte so verlaufen ist, ist der Menschheit die Erlösung geschenkt worden. Dadurch, dass der Böse die Menschen auf Erden ins Verderben gestürzt hat, ist Gott Mensch geworden, um die Menschen zu retten. Dies hätte er nicht getan, wenn der Mensch nicht gefallen wäre. Und weil der Himmel zum Ort des Triumphes geworden ist, können die Menschen über die Märtyrer jubeln. Denn sie wissen, dass jene, die für den Glauben ihr Leben hingegeben haben, direkt in diesen Triumph Gottes hineingenommen werden, sofort das Angesicht Gottes schauen dürfen. Die „Brüder“, wie es hier heißt, können jetzt auf ewig mit den Engeln, auch mit den Erzengeln, Gott loben und preisen in Ewigkeit.
Ps 138
1 Von David. Ich will dir danken mit meinem ganzen Herzen, vor Göttern will ich dir singen und spielen.
2 Ich will mich niederwerfen zu deinem heiligen Tempel hin, will deinem Namen danken für deine Huld und für deine Treue. Denn du hast dein Wort größer gemacht als deinen ganzen Namen.
3 Am Tag, da ich rief, gabst du mir Antwort, du weckst Kraft in meiner Seele.
4 Dir, HERR, sollen alle Könige der Erde danken, wenn sie die Worte deines Munds hören.
5 Sie sollen singen auf den Wegen des HERRN Die Herrlichkeit des HERRN ist gewaltig.
Der heutige Psalm ist ein Dankpsalm, der eine angemessene Antwort auf die Lesung darstellt. Was im Himmel schon erlangt ist, nämlich die absolute Durchsetzung der Herrschaft Gottes, wird auch eines Tages auf Erden erlangt werden, wenn der Satan und sein dämonisches Heer in die Hölle hinabgeworfen sein werden.
„Ich will dir danken mit meinem ganzen Herzen“ ist ein ganz angemessener Willensausdruck, den nicht nur König David bei seinen militärischen Siegen stets beten konnte. Wir sehen den himmlischen Urkampf vor Augen, der den Beginn aller Kämpfe auf Erden markiert. Ganz bildlich stellen wir es uns vor, wie nach dem Sieg über den Satan der Erzengel Michael mit den anderen Engeln Gott gelobt und gepriesen haben. Wir hören in unseren Ohren die Worte der Lesung „Jetzt ist er da, der rettende Sieg“. Der eigentliche Kampf, den wir auch auf Erden austragen müssen, ist ein geistiger. Es ist ein ständiges Duell zwischen Gott und seinem Widersacher, der sich einbildet, Gottes ebenbürtiger Gegner zu sein, und darin schon längst verloren hat. Denn diese absolute Selbstüberschätzung wird ihm den Todesstoß versetzen, wenn die Zeit gekommen ist.
„Vor Göttern will ich dir singen und spielen“ ist ganz klar ein Triumph Gottes über den Satan und die anderen ungehorsamen Engel. Es gibt nur einen Gott, das wird den Israeliten erst so richtig bewusst während des Babylonischen Exils. Unter diesem Vorbehalt müssen wir diesen Vers König Davids betrachten. Zu seiner Zeit herrschte ein monolatrisches Gottesbild vor, das heißt, dass man zwar nur den einen Gott Israels anbeten durfte, die Existenz anderer Götter aber nicht ausschloss. Es ist ein Lernprozess.
König David möchte sich zum heiligen Tempel hin niederwerfen. Niederwerfen möchte sich Israel nur vor Gott, nicht vor irdische Herrscher. Und darin tun sie es den Engeln gleich, die Gott gehorsam und in Liebe dienen. Es ist ihre anhaltende Beschäftigung im Himmel, sich vor Gott niederzuwerfen.
Gott ist treu und hält sein Versprechen, das eigene Volk aus der Not zu erretten. So ist es ein Grund, dem Namen Gottes zu danken (Vers 2).
Gott hat auch am Tag, an dem König David rief, seine Bitten erhört. Aus seiner Gnade heraus ist der überragende Sieg über den Satan und den Dämonen errungen worden.
Wir müssen in Vers 3 bedenken, dass es eigentlich wörtlich heißt „Kraft in meinem Leben“, denn das Wort für „in meiner Seele“ ist בְנַפְשִׁ֣י b’nafschi. Gott verleiht ihr nicht nur innerlich Kraft, sondern umfassend. So möchte Gott auch uns in unserem Leben stärken, nicht nur innerlich, sondern auch körperlich. Er möchte auch unsere Beziehungen stärken, also alles, was zum Menschen gehört. Es muss uns ganz und gar um ihn gehen und wir müssen ganz auf seine Allmacht und Treue vertrauen. Das ist entscheidend. Der Kampf zwischen Gott und dem Widersacher geht hier auf Erden weiter. Das betrifft nicht nur die globale Ebene, sondern ganz primär das Herz des Menschen. Dieses wird nämlich zum allerersten Austragungsort des geistigen Kampfes. Und auch dann dürfen wir auf die „militärische Stärke“ des Hl. Erzengels Michael vertrauen, indem wir seinen Schutz anrufen. Er soll auch in unserem Leben der Heerführer sein, damit auf den Sieg des Himmels der Sieg unseres Herzens folgt.
„Alle Könige der Erde“ und heute auch die ganzen anderen Herrscher der Welt, sollen Gott danken, denn er ist es, dem sie die Macht und Verantwortung zu verdanken haben. Ohne ihn, wäre keiner von ihnen so weit gekommen. Sie sollen erkennen, dass alles Gute von Gott kommt. Zugleich ist es eine Ermahnung jener, die auf eigene Faust regieren wollen und sich statt von Gott leiten zu lassen, auf die Stimme des Widersachers hören. Wenn sie zu Werkzeugen des Bösen werden, kämpfen sie einen bereits entschiedenen Kampf auf der Seite der Verlierer. Wir alle müssen wählen, zu welchem Heer wir gehören möchten – zum Heer Gottes oder zum Heer des Bösen. Und je höher wir in der Gesellschaft stehen, desto folgenreicher ist unsere Entscheidung.
Gottes Wille ist es, dass die Mächtigen der Welt ihm singen und Lobpreis entgegenbringen, denn „die Herrlichkeit des HERRN ist gewaltig.“ Die Illusion des Widersachers ist aber zum Scheitern verurteilt.
Joh 1
47 Jesus sah Natanaël auf sich zukommen und sagte über ihn: Sieh, ein echter Israelit, an dem kein Falsch ist.
48 Natanaël sagte zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete ihm: Schon bevor dich Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen.
49 Natanaël antwortete ihm: Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!
50 Jesus antwortete ihm: Du glaubst, weil ich dir sagte, dass ich dich unter dem Feigenbaum sah; du wirst noch Größeres als dieses sehen.
51 Und er sprach zu ihm: Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel geöffnet und die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen über dem Menschensohn.
Im Evangelium hören wir einen Ausschnitt aus dem Johannesevangelium, denn da geht es um die Engel.
Doch zunächst kommt Natanael auf Jesus zu und Jesus sagt zu ihm: „Sieh, ein echter Israelit, an dem kein Falsch ist.“ Jesus lehnt sich mit seinen Worten an Psalm 32,2 an, was eine ganz logische und passende Bemerkung für einen Schriftgelehrten wie Natanael ist. Jesus zeigt ihm somit, dass er die Hl. Schrift gut kennt, und macht ihm ein Kompliment. Jesus tut dies, weil er die Aufrichtigkeit erkennt, mit der der Schriftgelehrte den Messias sucht. Natanael fragt Jesus, woher er ihn kennt – denn die Aussage, dass er ohne Falschheit sei, kann er ja nur tätigen, wenn er dessen Lebenswandel kennt. Und so antwortet Jesus mit einer Sache, die er gar nicht wissen kann: „Schon bevor dich Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen.“ Das heißt nicht einfach, dass Philippus ihn von einem Feigenbaum weggeholt hat, den Jesus von weitem gesehen hat. Das hat eine viel tiefere Bedeutung: Unter dem Feigenbaum sitzen die Menschen unter anderem in der Bibel, um sich zu erholen. Das ist ein Bild unter anderem für den salomonischen Frieden. Es bezieht sich aber auch auf die frommen Juden, die aufrichtig nach Gott nachsinnen und die Hl. Schrift betrachten. Unter Rabbinern hat sich die Redewendung „unter dem Feigenbaum sitzen“ für die Betrachtung der Hl. Schrift eingebürgert. Jesus sagt Natanael also, was er in seinem ganzen bisherigen Leben getan hat. Er wird sich ganz ertappt gefühlt haben, denn als Johannesjünger hat dieser Mann stets über den Messias nachgedacht. Und nun sagt der Messias selbst ihm gleichsam zu: „Ich habe dich gesehen, wie du aufrichtig nach mir gesucht hast.“ Das ist die Antwort, auf die Natanael gewartet hat, und so antwortet er Jesus mit einem emotionalen Messiasbekenntnis.
Jesus nimmt dies zum Anlass, eine wichtige Lektion zu erteilen: Natanael kam zum Glauben an ihn, weil Jesus prophetische Worte zu ihm gesprochen hat. Doch er verdeutlicht, dass sowohl Natanael als auch die anderen Apostel noch größere Dinge sehen werden: die vielen Heilungen, Exorzismen, die Totenheilung des eigenen Freundes, die Auferstehung Jesu Christi. Sie werden durch die ganzen Wundertaten seine Herrlichkeit sehen. Dies umschreibt Jesus mithilfe eines biblischen Bildes, das er ganz bewusst für den Schriftgelehrten Natanael aufgreift: Die geöffnete Himmelstür mit auf- und absteigenden Engeln über dem Menschensohn. Die Himmelsleiter ist ein Motiv, das schon in der Jakobserzählung erscheint. Dort sieht der Patriarch im Traum die Himmelsleiter mit den sich bewegenden Engeln und Gott selbst am oberen Ende der Leiter. Jesus erklärt mithilfe dieses Motivs, dass Gott ans andere Ende der Leiter gekommen ist – er ist Mensch geworden in Jesus Christus, um bei den Menschen zu wohnen und die ganze Welt zu retten.
In diesem Bild erkennen wir noch etwas anderes: Die Engel sind gesandt als Boten Gottes, wie ihr Name auch verrät. Gott hat für sie verschiedene Aufgaben und diese führen sie gehorsam aus. Das betrifft auch die Erzengel, die größten und wichtigsten Boten Gottes: Michael, von dem wir schon sehr viel heute gehört haben, ist der Feldherr im täglichen Kampf gegen den Widersacher. Er kämpft an unserer Seite, wenn wir in unserem Herzen den geistigen Kampf austragen, wenn wir aber auch in unserer Gesellschaft gegen die Mächte des Bösen angehen müssen. Gabriel ist der Bote im eigentlichen Sinn, denn er wird gesandt, um Botschaften zu verkünden. So ist er es, der zu Maria kommt, um ihre Berufung zur Mutter Gottes zu verkünden. Er ist es, der auch in den Träumen zu den Menschen spricht und Gottes Botschaften überbringt, so gegenüber Josef und den Magoi aus dem Morgenland. Rafael ist ein treuer Wegbegleiter, der den jungen Tobias auf dem Weg zu seiner zukünftigen Frau begleitet. Er ist es auch, der die Dämonen abwehrt, die aufgrund eines Fluchs die Familie Sarahs bedrängen. Die Engel, die wir heute feiern, sind wirklich die Himmelsleiter auf- und abgestiegen und tun es auch heute noch. Immer wieder sind sie ganz bei den Menschen und wirken als treue und stille Diener. Danken wir Gott heute für diese wunderbaren Helfer und nehmen wir ihre Stärke in Anspruch im Kampf gegen den Bösen in dieser Welt.
Ihre Magstrauss