Freitag der 26. Woche im Jahreskreis

Ijob 38,1.12-21; 40,3-5; Ps 139,1-3.7-8.9-10.13-14; Lk 10,13-16

Ijob 38
1 Da antwortete der HERR dem Ijob aus dem Wettersturm und sprach:
12 Hast du je in deinem Leben dem Morgen geboten, der Morgenröte ihren Ort bestimmt,
13 dass es der Erde Säume fasse und die Frevler von ihr abgeschüttelt werden?
14 Sie wandelt sich wie Siegelton, steht da wie ein Gewand.
15 Den Frevlern wird ihr Licht entzogen, zerschmettert der erhobene Arm.
16 Bist du zu den Quellen des Meeres gekommen, hast du des Urgrunds Tiefe durchwandert?
17 Haben dir sich die Tore des Todes geöffnet, hast du die Tore des Todesschattens geschaut?
18 Hast du der Erde Weiten überblickt? Sag es, wenn du das alles weißt!
19 Wo ist der Weg zur Wohnstatt des Lichts? Die Finsternis, wo hat sie ihren Ort,
20 dass du sie einführst in ihren Bereich, die Pfade zu ihrem Haus kennst?
21 Du weißt es ja; du wurdest damals ja geboren und deiner Tage Zahl ist groß!
3 Da antwortete Ijob dem HERRN und sprach:
4 Siehe, ich bin zu gering. Was kann ich dir erwidern? Ich lege meine Hand auf meinen Mund.
5 Einmal habe ich geredet, doch ich werde nicht antworten; ein zweites Mal, doch ich fahre nicht fort!

Wir hören heute wieder aus dem Buch Ijob. In den letzten Tagen versuchten die Freunde des leidenden Gerechten, für seine Situation eine Erklärung zu finden, die sich aber nicht mit dem deckte, was Ijob selbst nach reiflicher Gewissenserforschung erkannte. Ijob fragte immer und immer wieder nach dem Warum, wollte Antworten auf seine unbegreifliche Situation finden, doch war zu keinem Zeitpunkt verbittert oder haderte mit Gott.
Und nach einem langen Hin und Her antwortet Gott ihm heute nun: Er spricht „aus dem Wettersturm“, denn Ijob und Elihu werden Zeugen von spektakulären Wettererscheinungen, die sie auch thematisieren. Und nun konfrontiert Gott aus dem Sturm heraus Ijob mit seinen Machttaten:
„Hast du je in deinem Leben dem Morgen geboten, der Morgenröte ihren Ort bestimmt“? Gott stellt ihm hier eine rhetorische Frage, denn es ist ja klar, dass kein Mensch die Himmelskörper kontrollieren oder die Naturgesetze verändern kann, die der Schöpfer selbst festgelegt hat. Er möchte, dass Ijob erkennt, dass er als gewöhnlicher Mensch sich nicht anmaßen kann, die Vorsehung Gottes und dessen Plan zu verstehen.
Ijob hat nicht „des Urgrunds Tiefe durchwandert“, er hat nie „der Erde Weiten überblickt“. Er ist ein sterbliches und schwaches Geschöpf, das die ganzen Zusammenhänge der Schöpfung nicht einmal überblickt. Wie kann er dann Gott, den Schöpfer höchstpersönlich durchblicken?
Es ist typisch für weisheitliche Literatur, wichtige Inhalte mithilfe von Naturgesetzen oder Beispielen aus der Schöpfung zu erklären. Die Aufzählung der verschiedenen Bereiche der Welt – Himmel, Erde und Meer – ist dem ganz deutlich zuzuordnen.
Gott hält ihm das vor, damit Ijob sich neu seiner Begrenztheit bewusst wird und aufhört, sich den Kopf zu zerbrechen. Denn es handelt sich dabei um eine nicht zielführende aber ermüdende Arbeit. Es ist wie das Laufen in einem Hamsterrad: Man verausgabt sich, kommt aber kein Stück voran. Ijob versteht Gottes Worte auch richtig, denn er antwortet schließlich: „Siehe, ich bin zu gering. Was kann ich dir erwidern? Ich lege meine Hand auf meinen Mund.“ Das bedeutet, dass er nun schweigt, denn er wird durch seine Überlegungen nicht weiterkommen. „Einmal habe ich geredet, doch ich werde nicht antworten.“ Es ist kein beleidigtes Schweigen aufgrund der Zurechtweisung Gottes, sondern das einsichtige Verstummen eines Mannes, der seine eigene Beschränktheit erkennt. Wir müssen bei dem letzten Teil bedenken, dass er den nachfolgenden Kapiteln entnommen ist. Es geht darum, dass Gott ihn ganz direkt auffordert, ihn zu belehren. Damit möchte Gott ihn ein letztes Mal prüfen. Wenn Ijob nämlich anfängt, Gott eines Besseren zu belehren, hat er die Lektion nicht gelernt. Doch Ijob antwortet ja mit den Worten „Siehe, ich bin zu gering“. Er hat die lange Glaubensprüfung also wirklich bestanden. Deshalb wird Gott ihm auch ganz viel Segen schenken und für das ganze Leiden entschädigen.

Ps 139
1 Für den Chormeister. Von David. Ein Psalm. HERR, du hast mich erforscht und kennst mich.
2 Ob ich sitze oder stehe, du kennst es. Du durchschaust meine Gedanken von fern.
3 Ob ich gehe oder ruhe, du hast es gemessen. Du bist vertraut mit all meinen Wegen.
7 Wohin kann ich gehen vor deinem Geist, wohin vor deinem Angesicht fliehen?
8 Wenn ich hinaufstiege zum Himmel – dort bist du; wenn ich mich lagerte in der Unterwelt – siehe, da bist du.
9 Nähme ich die Flügel des Morgenrots, ließe ich mich nieder am Ende des Meeres,
10 auch dort würde deine Hand mich leiten und deine Rechte mich ergreifen.
13 Du selbst hast mein Innerstes geschaffen, hast mich gewoben im Schoß meiner Mutter.
14 Ich danke dir, dass ich so staunenswert und wunderbar gestaltet bin. Ich weiß es genau: Wunderbar sind deine Werke.

Als Antwort auf die Lesung beten wir Psalm 139, einen wunderbar weisheitlichen Text, in dem Gottes Schöpfermacht betrachtet wird, auf den man sich ganz als Geschöpf verlassen kann. Auch hier geht es also um das schöpferische Wirken Gottes und die Beschränktheit des Menschen im Gegensatz zu ihm wird hier positiv aufgefasst in dem Sinne, dass der Mensch nicht alles überblicken muss, sondern es ganz in Gottes Hände legen darf.
Gott hat jedes seiner Geschöpfe erforscht und kennt es. Diese Erforschung bedeutet vom hebräischen Wort her eine Prüfung des Menschen auf Herz und Nieren, also inklusive Erprobung. Es ist eine Prüfung des Menschen wie Gold im Feuer mit einhergehender Reinigung. Das ist für uns eine Erklärung dafür, warum Gott Ijob so prüft. Er möchte seinen Glauben festigen und ihn im Feuer rein machen wie Gold.
Gott weiß um alles, was den Menschen im Innersten bewegt. Er weiß, ob der Mensch sitzt oder steht, ob er aktiv ist oder sich ausruht. Er weiß um jeden Gedanken und um jede Absicht.
Der Mensch kann sich vor Gott nicht verstecken. Er kann nicht vor ihm fliehen, weil er um alles weiß. Dass der Mensch sich aber vor Gott verstecken möchte, liegt an der Sünde. Bis zum ersten Sündenfall hatte der Mensch gar nicht das Bedürfnis, vor Gott in Deckung zu gehen. Erst nach der Sünde kam die Scham und das schlechte Gewissen, sodass sich das Menschenpaar vor Gott versteckte.
Gott ist überall – deshalb trifft man ihn überall an, ob man in den Himmel oder in die Unterwelt kommt. Wie muss man das verstehen? Sagt der Psalm aus, dass Gott in der Hölle ist? Wir müssen erstens bedenken, dass zur Zeit des Königs David die Jenseitsvorstellungen noch nicht so sind wie in der christlichen Lehre. Das hebräische Wort an der Stelle lautet שְּׁאֹ֣ול sche’ol. Der Scheol ist ein Ort der Dunkelheit und Stille, an den alle Verstorbenen kommen, Gerechte wie Ungerechte. Es ist also nicht gleichzusetzen mit der Hölle, auch wenn alte Bibelübersetzungen oft mit „Hölle“ übersetzt haben. Man müsste vielleicht den Begriff „Totenreich“ wählen, wie es auch im Glaubensbekenntnis der Fall ist („hinabgestiegen in das Reich des Todes“). Die Septuaginta übersetzt den hebräischen Begriff mit „Hades“ und meint ebenfalls das Totenreich allgemein, nicht die Hölle als Ort der Ungerechten, die sich freiwillig gegen Gott entschieden haben. So kann Gott also auch in der „Unterwelt“ sein, denn erst in der Hölle herrscht die absolute Gottesferne. In diesen Sche’ol kamen auch die Gerechten des AT, die durch die Erbsünde nicht in das Himmelreich eingehen konnten. Erst mit dem Erlösungswirken Jesu ist dies erwirkt worden.
Gott ist überall, im Osten (deshalb die Flügel des Morgenrots) und auch am Rande des Meeres.
Das ist aber nichts, was König David, den Psalmenbeter, bedrohlich erscheint. Im Gegenteil. Er preist diese Intimität, die Gott ihm schenkt dadurch, dass er sein „Innerstes geschaffen“ hat und ihn „gewoben“ hat im Mutterschoß. Das stellt für ihn den Anlass dar zur absoluten Geborgenheit in seinem Schöpfer. Und wenn er Gottes immerwährende Gegenwart bis ins Innerste seines Herzens betrachtet, dann erfüllt es ihn mit Dankbarkeit. Gottes überwältigende Kreativität hat den König gemacht und jeden Einzelnen von uns geschaffen. Jeder von uns ist ein staunenswertes Werk Gottes. Deshalb können wir nicht sagen: „Ich bin wertlos“ oder „Ich bin hässlich“. Gott hat das Höchstmaß an Liebe und Kreativität, Detailtreue und Komplexität in jedes einzelne Geschöpf hineingesteckt und alles, was er geschaffen hat, ist wunderschön! Wenn wir uns selbst als seine Geschöpfe mal eingehend betrachten, werden wir aus dem Staunen nicht mehr herauskommen!

Lk 10
13 Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die Machttaten geschehen wären, die bei euch geschehen sind – längst schon wären sie in Sack und Asche umgekehrt.
14 Doch Tyrus und Sidon wird es beim Gericht erträglicher ergehen als euch.
15 Und du, Kafarnaum, wirst du etwa bis zum Himmel erhoben werden? Bis zur Unterwelt wirst du hinabsteigen!
16 Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat.

Jesus gibt den 72 Jüngern, die er aussenden möchte, noch letzte Anweisungen. In diesem Kontext formuliert er auch Weherufe gegen bestimmte Städte, denen es schlimmer ergehen wird als Sodom. Es handelt sich um sehr strenge Gerichtsankündigungen gegenüber dieser Städte, weil sie keine Buße getan haben. Er hat zuvor schon viele Wunder vollbracht und das Evangelium verkündet. Und doch haben diese Städte die Zeit der Gnade nicht erkannt. All dies hat Jesus ja getan, damit die Bewohner umkehren und ihr Leben ändern. Stattdessen haben sie ihr sündiges Verhalten fortgesetzt. Deshalb verfährt er nun so streng mit ihnen. Wir erinnern uns an das Gottesvolk, das exiliert wurde. Auch dieses hat so viele Chancen gehabt und ist doch nicht umgekehrt. Je mehr man die Chancen verstreichen lässt, desto strenger wird das Gottesgericht.
Statt der Seligpreisungen hören die Bewohner dieser Städte nun Weherufe: „Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida!“ Sie werden bedroht, weil sie nicht umkehrbereit sind wie zum Beispiel Tyrus und Sidon, zwei heidnische Städte. Wenn Jesus in solchen Momenten die Heiden als Glaubensbilder bezeichnet, ist das ein besonders hartes Urteil. Er sagt, dass Tyrus und Sidon umgekehrt wären, wenn dieselbe Gnade ihnen erwiesen worden wäre wie Chorazin und Betsaida. Sie wären längst in Sack und Asche umgekehrt, das heißt sie hätten Bußgewänder getragen (Sack) und sich Asche aufs Haupt gestreut als Zeichen der Buße. Er kündigt deshalb an, dass es den beiden anderen Städten beim Gericht besser ergehen wird als ihnen.
Seine harten Worte richtet er auch an Kafarnaum, das ja gewissermaßen seine Basis dargestellt hat. Immer wieder ist er dorthin zurückgekehrt. Und ausgerechnet die Bewohner dieser Stadt tun so, als ob der Messias nie in sie eingekehrt worden wäre. Offensichtlich bestehen die Sünden weiterhin fort, auf deren Schlechtheit Jesus mehrfach hingewiesen hat. Jesus möchte mit seiner sehr drastischen Ausdrucksweise die Bewohner wachrütteln und mitten ins Herz treffen. Deshalb sagt er sogar, dass Kafarnaum „bis zur Unterwelt“ hinabsteigen wird. Das ist ein typisches Gerichtswort. Es wird die Hölle erfahren, wenn es nicht umkehrt.
Er kehrt zurück zum Ausgangspunkt seiner Worte: Wer die auszusendenden Jünger ablehnen wird, wird zugleich ihn ablehnen und den Vater im Himmel, der ihn gesandt hat. Wir müssen uns das zu Herzen nehmen: Wenn wir jene ablehnen, die auf besondere Weise von Christus ausgesandt sind, dann lehnen wir Gott ab. Uns wird es noch härter treffen, als wenn wir eine andere Person abgelehnt haben. Die Geistlichen, die ihren priesterlichen Dienst in persona Christi tun, stehen unter dem besonderen Schutz Gottes und diese abzulehnen, bedeutet eine besonders schroffe Zurückweisung Gottes.
Jesu Worte gelten auch uns heute. Wir brauchen uns nicht einzubilden, dass unsere Taufe uns automatisch einen Vorteil verschafft gegenüber den Ungetauften in dem Sinne, dass wir automatisch in den Himmel kommen. Vielmehr richtet uns Gott noch strenger als jene, die seine Gebote nie gehört haben, die Jesus nie kennengelernt haben. Und von uns wird Gott Rechenschaft verlangen, die wir ihm durch den Bund der Taufe die Treue versprochen haben. Wenn wir aber genauso leben wie jene, die ihn und seine Gebote nie kennengelernt haben, wird er sehr streng mit uns verfahren. Dann wird er zu uns sagen: Wäre die Gnade den anderen zuteilgeworden, die ich dir geschenkt habe, wären sie zu brennenden Zeugen meiner Botschaft geworden. Doch was hast du daraus gemacht? Ihnen wird es nun besser ergehen als dir.

Heute hören wir von bestandenen und nicht bestandenen Prüfungen. Während Ijob durchgehalten und Gott nicht verflucht hat, weisen die von Jesus besuchten Städte ihn durch ihre fehlende Umkehr zurück. Ijob wird belohnt, die Bewohner der genannten Städte wird es schlimmer ergehen als Sodom und Gomorrha. Wählen wir unser Urteil! Wenn wir verfahren wie Ijob, werden wir das ewige Heil haben.

Ihre Magstrauss

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