Heute ist der Gedenktag eines Seligen, zu dem ich einen besonderen Bezug habe. Es geht um den „Apostel Kasachstans“ Wladislaw Bukowinski, der am 4. Januar 1905 (unserer Zeitrechnung, julianischer Kalender 22.12.1904) im ukrainischen Berditschew geboren und am 3. Dezember 1974 in Karaganda, Kasachstan, meinem Geburtsort, gestorben ist. Er hat viel für die Russlanddeutschen getan und meine Eltern und Verwandten haben von ihm die Sakramente bekommen.
Nachdem die erste Frau (Mutter Wladislaws) seines Vaters Cyprian Josef Bukowinski verstorben war, heiratete er Viktoria Skipio del Campo, die Schwester der Verstorbenen. Neben Wladislaw hat die Familie Bukowinski noch zwei weitere Kinder: seine Schwester Irina Bukowinska-Davidowska und deren Halbbruder Sigmund. Die ersten Lebensjahre verbrachte Bukowinski im ukrainischen Dorf Gribenikowka. Von Kindheit an besaß Wladislaw große intellektuelle Begabung. Deshalb erhielt er noch zuhause Privatunterricht, genoss außerdem eine religiöse Erziehung. Der Rosenkranz wurde zu seinem Lieblingsgebet. Im Hause Bukowinski herrschte eine Atmosphäre der Güte und des gegenseitigen Respekts. Im Jahre 1914 kam Bukowinski auf das russische Gymnasium in Kiew, danach wechselte er nach Zmerinka in Podolie und ab 1917 besuchte er das polnische Gymnasium in Ploskirowo (Proskurowo). Auf der Flucht vor den Bolschewisten siedelte die Familie im Jahr 1920 nach Polen um und ließ sich in Swiecice nieder. Im Jahr 1921 legte Wladislaw in Krakau das Examen ab und trat in die Juristische Fakultät der Jagiellonen-Universität ein, wo er das Studium 1926 abschloss. Parallel dazu absolvierte er mit Auszeichnung die Polnische Schule für Politische Wissenschaften. Diese Jahre waren geprägt von einer intensiven Aktivität im Akademischen Kreis der Grenzländer, wo sich Studenten aus den östlichen Regionen Polens versammelten. Dort fand er viele Freunde. Von 1925 bis 1926 arbeitete Bukowinski in der Redaktion der Zeitschrift „Czas“. Die Berufung zum Priestertum erwachte in Wladislaws Seele bei dem Gespräch mit einem Seminaristen, der das Leben im Seminar als Zeit der großen Freude beschrieb. Dies stimmte gar nicht mit den dunklen Vorstellungen der Öffentlichkeit überein. Im Jahre 1926 trat Bukowinski in das Priesterseminar ein und begann das Theologiestudium an der Jagiellonen-Universität. Wladislaw Bukowinski wurde am 28. Juni 1931 von Kardinal Adam Stephan Sapieha in der Kathedrale zu Krakau zum Priester geweiht. Von 1931 bis 1935 war P. Wladislaw Seelsorger am Gymnasium in Rabka und danach in Sucha Beskidska. Dort kümmerte er sich um Kranke und Arme und gründete die akademische Gesellschaft „Wiedergeburt“ bestehend aus Krakauer Studenten, die aus Sucha Beskidska stammten. So wie er sich zur Zeit der Ausbildung an der Jagiellonen-Universität am öffentlichen Leben beteiligte, so nahm es nun die Form der selbstlosen Sorge um die Menschenseelen an, die seiner Obhut anvertraut wurden. Im August 1936 erhielt Bukowinski ein Urlaubsjahr, das er auf eigenen Wunsch im östlichen Grenzgebiet verbrachte. Danach bat er um die Versetzung ins Bistum Lucka. Dort war er Dozent am Priesterseminar, danach Sekretär des Diözesaninstituts für Katholische Mission und gleichzeitig Redakteur der Zeitschrift “ Spójnia“, außerdem Direktor des Höheren Instituts der Religionswissenschaft und stellvertretender Redakteur von „Życie Katolickie“.
Im Jahre 1939 wurde P. Wladislaw zum Pfarrer der Kathedrale in Lucka ernannt. Darüber hinaus besuchte er Menschen, betete mit ihnen vor der Deportation nach Sibirien und Kasachstan und spendete ihnen Worte der Unterstützung und Hoffnung. Außerdem beerdigte P. Wladislaw auf dem dortigen Friedhof erfrorene Kinder, die aus den Wagons hinaus geworfen wurden, mit denen die Verurteilten abtransportiert wurden. Der hl. Papst Johannes Paul II nannte diese Tat Heroismus des Zeugen und Hirten. Wegen solcher Dienste an Menschen wurde Bukowinski am 22. August 1940 von der NKWD verhaftet und blieb bis zum 26. Juni 1941 im Gefängnis von Lucka. Auf wundersame Weise entging er dem Tod durch eine Massenerschießung der Inhaftierten bevor die Stadt von den Deutschen eingenommen wurde. Bukowinski lag lange Zeit bewusstlos unter den Leichen, bis die Deutschen auftauchten, er zu sich kam und sich aus dem Leichenberg befreite. P. Wladislaw verließ äußerst abgemagert und geschwächt das Gefängnis, trotzdem setzte er den ihm anvertrauten Dienst als Pfarrer der Lucka Kathedrale fort. In der Nacht vom 3. auf den 4. Januar 1945 wurde Pater Wladislaw Bukowinski erneut verhaftet und mit weiteren Priestern im NKWD-Gebäude in Lucka festhalten. Nach achtzehn Tagen Untersuchungshaft wurden die Priester nach Kowel verlegt und von dort aus ins NKWD-Gefängnis nach Kiew gebracht. Der Prozess dauerte bis Juni 1945, der in Abwesenheit zu zehn Jahren Arbeitslager für alle Priester führte. 1946-50 verbrachte er in den Arbeitslagern in Tscheljabinsk, wo P. Wladislaw neben harter Arbeit heimlich seinen priesterlichen Dienst verrichtete. Die nächsten vier Jahre verbrachte er in einer Kupfermine in Zheskasgan. Und auch dort nutzte er jede Gelegenheit für den Verkündigungsdienst. Während alle schliefen, feierte er die Eucharistie, kniete nieder vor der Gefängnisliege, die als Altar fungierte – in der Gefängnisrobe als Priestergewand. Am 10. August 1954 wurde P. Wladislaw Bukowinski aus dem Lager entlassen und nach Karaganda verbannt, wo er als Wächter auf einer Baustelle arbeitete und gleichzeitig im Verborgenen den Seelsorgedienst verrichtete. Als die Regierung davon erfuhr, schlug sie ihm vor, nach Polen auszuwandern. Doch er lehnte es ab und nahm die sowjetische Staatsangehörigkeit an, weil er die Notwendigkeit des Aposteldienstes in der Region eindeutig sah, obgleich kein anderer in seinem Umfeld eine solche Entscheidung traf. Nachdem P. Wladislaw einen Pass und die Bewegungsfreiheit in der ganzen Sowjetunion erhielt, kündigte er im Mai 1956 seine Stelle als Nachtwächter und widmete sich ab da gänzlich dem Seelsorgedienst, den er nach wie vor heimlich verrichten musste. Bukowinski ließ sich am Rande der Stadt Karaganda bei einer polnischen Familie nieder. Zu der Zeit begann er, anderen Priestern zu helfen, indem er Fahrten durch ganz Kasachstan und Mittelasien unternahm. Im Juni 1956 reiste P. Bukowinski in die Vororte von Alma-Ata zu polnischen Immigranten, die schon seit 20 Jahren keinen Priester mehr gesehen hatten. Die nächsten Missionsreisen unternahm er in den Jahren 1957-1958 sowie 1968, als er nach Tadschikistan aufbrach, wo hauptsächlich deutsche Umsiedler aus Odessa lebten, von denen P. Bukowinski bereits in Karaganda erfahren hatte. Auch dort war er der erste katholische Priester, der diese Gegend besuchte. Außerdem besuchte P. Wladislaw die Ukraine, wo er in den dortigen Priesterdienst integriert wurde, darüber hinaus die Städte Aktubinsk und Semipalatinsk. Allerdings wurde die Fahrt in den Osten nach Semipalatinsk im Jahre 1958 unterbrochen. Am 3. Dezember 1958 wurde P. Bukowinski wegen seines religiösen Wirkens verhaftet (in der Zeit versuchte er, die katholische Gemeinde in Karaganda zu registrieren). Von März 1959 bis Juni 1961 hielt er sich im Arbeitslager in Tschuma nahe Irkutsk auf, wo er als Baumfäller arbeitete. Von April bis zum 3.Dezember 1961 befand er sich in Sosnowka, Republik Mordowa. Insgesamt verbrachte P. Bukowinski über 13 Jahre in Gefängnissen und Arbeitslagern. Nachdem P. Wladislaw freigelassen wurde, kehrte er nach Karaganda zurück und setzte seinen pastoralen Dienst fort. Gemeinsam mit dem griechisch-katholischen Bischof Alexander Hira richtete P. Wladislaw den dritten Orden des Hl. Franziskus in Kasachstan ein. Im Jahr 1965 erhielt P. Wladislaw Bukowinski erstmals die Genehmigung für die Ausreise zum Besuch der Verwandten in Polen. Am 3. Juni 1965, nach fast 30-jährigem Umherziehen, erreichte er die Heimat, traf die Familie und alte Freunde, wollte aber nicht bleiben, da er der Meinung war, sein Platz sei in Karaganda. Während des Polenbesuchs traf P. Bukowinski den Kardinal Karol Wojtyla, der lebhaftes Interesse am seelsorglichen Dienst in Kasachstan zeigte. Papst Johannes Paul II. erinnerte sich an die Begegnungen während seines Besuchs in Astana 2001. P. Wladislaw Bukowinski unterstrich, dass ein kranker Priester auch ein Seelsorger sei. Deshalb sagte er, als er nach zweimonatigem Aufenthalt im Krakauer Krankenhaus am 19. April 1973 nach Karaganda zurückkehrte, dass sogar sein Grab Aposteldienst verrichten würde. Nachdem der Aufenthalt in Polen die Gesundheit P. Wladislaws verbessert hatte, verschlechterte sie sich schlagartig wegen der ermüdenden Arbeit unter schlechten Bedingungen. Ende Oktober 1974 fuhr Bukowinski zur Erholung nach Werzbowec in Podolie, wo er im Hause von P. Josef Kuczynski blieb und seine Exerzitien machte. Da er merkte, dass sein Leben sich dem Ende neigte, wollte er seine Freunde besuchen, außerdem P. Josef Kuczynski sowie das Grab von P. Bronislaw Drzepecki aufsuchen. Trotz des schlechten Gesundheitszustands (starke Schwellungen und Ödeme) bewahrte er Freude und innere Ruhe und hegte lebhaftes Interesse an allen Geschehnissen. Jeden Tag las P. Wladislaw die Hl. Messe und predigte. Die Gesundheit besserte sich nicht, sodass P. Bukowinski nach der Rückkehr nach Karaganda den priesterlichen Dienst nur mit letzter Kraft vollzog. Seine letzte Hl. Messe hielt er am 25. November, empfing die Sterbesakramente und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Wladislaw Bukowinski starb am 3. Dezember 1974 in Karaganda. Bis zur letzten Minute war er bei vollem Bewusstsein und betete ununterbrochen. Er starb mit dem Rosenkranz in der Hand. Die Nachricht von P. Wladislaw Bukowinskis Tod verbreitete sich rasch und löste allgemeine Trauer aus. Seiner Beerdigung wohnten mehrere tausend Menschen bei, etliche Priester, u.a. aus der Ukraine, außerdem Priester anderer Konfessionen. Alle wollten dem Apostel Kasachstans, wie man ihn nannte, die letzte Ehre erweisen. Trotz der frostigen Kälte trugen Mädchen weiße Kleider mit Kränzen auf dem Kopf und hielten brennende Kerzen in den Händen. Mit hoher Würde und Gesängen verabschiedeten sich alle Anwesenden vom verstorbenen Priester. Die Beerdigung fand auf dem neuen Friedhof außerhalb von Karaganda statt. Viele Katholiken suchten das Grab auf, um zu beten. So erfüllte sich P. Wladislaws Wunsch: Sein Grab erwies ebenfalls den Aposteldienst.
2008 wurden seine Überreste in die neu errichtete Kathedrale der Heiligsten Jungfrau Maria von Fatima übertragen, begleitet von Gebeten, Fürsorge und Gedenken der Gläubigen. Papst Johannes Paul II. bezeichnete P. Wladislaw Bukowinski 2001 in Astana als Apostel Kasachstans, der mit demselben apostolischen Feuer brannte wie die Jünger Christi. Er wurde am 11. September 2016 durch Kardinal Angelo Amato im Auftrag von Papst Franziskus in der Kathedrale „Unsere Liebe Frau von Fatima“ in Karaganda seliggesprochen.
Mein Vater hat ein Lied zu Ehren des Seligen geschrieben:
Hier kommen Sie zu den Tageslesungen: https://magstrauss.com/2021/06/15/dienstag-der-11-woche-im-jahreskreis-2/
Ihre Magstrauss
