Heute gibt es viele Heilige und Selige, über die man nachdenken könnte. Ein interessanter Hinweis ließ mich hängenbleiben bei der hl. Procula, derer heute in den orthodoxen Kirchen gedacht wird: Sie ist die Frau des Pontius Pilatus.
Wenn man jemals eine Pilgerreise nach Äthiopien unternehmen würde, wäre man überrascht, in den orthodoxen Kirchen des Landes die Ikone des Märtyrers Pontius Pilatus mit seiner Frau Claudia zu finden. Die Verehrung dieser beiden Personen ist eine uralte Tradition in diesen Kirchen. Sie werden als heilige Ehepartner verehrt. Nach der Tradition der äthiopischen Kirche wurden Pontius Pilatus und seine Frau hingerichtet, weil sie sich weigerten, die Statue des römischen Kaisers zu verehren, nachdem sie beide zum Christentum übergetreten waren.
Matthäus ist der einzige Evangelist, der die Frau des Pilatus erwähnt, die zu ihm sagte: „Lass die Finger von diesem Gerechten, denn wegen ihm habe ich heute im Traum viel gelitten“ (Mt 27,19). Sie wird nicht namentlich genannt, aber der Autor der apokryphen Paulus-Akten sagt, dass sie die Taufe von dem Heidenapostel empfangen hat. Im apokryphen Evangelium von Nikodemus wird sie Procla oder Procula genannt. Ab dem späten 4. oder frühen 5. Jh, ist sie als Claudia Procula bekannt.
Die Historiker sind gespaltener Meinung: Einige meinen, Pilatus habe sich im Exil in Gallien umgebracht. Andere vermuten, dass er während der Herrschaft von Kaiser Nero hingerichtet wurde. Pontius Pilatus wollte Christus nicht freilassen, weil er Angst vor den Juden hatte. Entweder heißt es, dass nach dem Tod ihres Mannes Claudia Procula das Christentum angenommen habe. Nachdem sie ihr Leben in äußerster Güte und Frömmigkeit gelebt hatte, übergab sie ihre Seele in Frieden. Es gibt jedoch auch Berichte, die sie als Märtyrerin bezeichnen. Anderer Legenden nach verfolgten die schlechten Vorzeichen, die das Martyrium Christi begleiteten, Pilatus und seine Frau Claudia noch lange nach dem Tod des Erlösers und bereiteten ihnen großen Kummer, bis Pontius unter dem Einfluss seiner Ehefrau schließlich zum Christentum übertrat. Nach apokryphen Schriften verursachte die Mitschuld an der Ermordung Christi bei Pontius Pilatus ein schlechtes Gewissen, das ihn viele Jahre lang schlaflos ließ und ihn nach einem Weg suchte, sich von seiner Schuld reinzuwaschen.
Was auch immer der Fall war, es gibt gute Gründe für die Annahme, dass Pontius Pilatus schließlich Christ wurde. Der christliche Schriftsteller Tertullian aus dem zweiten Jahrhundert deutete in einer seiner Schriften an, dass Pilatus bald nach der Kreuzigung Christi zum Christentum übertrat und sogar versuchte, Kaiser Tiberius davon zu überzeugen, ihm zu folgen. Bischof Irenäus von Lyon schreibt über eine von Pontius Pilatus gemalte Ikone des Herrn. Der heilige Augustinus Aurelius spricht in einer seiner Predigten von ihm als Heiligem. Alle drei Autoren standen an der Basis der schriftlichen Überlieferung der alten christlichen Kirche. Wir finden Hinweise auf die Bekehrung Claudia Proculas in den Schriften von Athanasius dem Großen, Augustinus, Johann Malala und einigen anderen maßgeblichen christlichen Autoren.
Der Name Claudia wird auch im zweiten Timotheusbrief (4,21) erwähnt, den einige Bibelwissenschaftler der Frau von Pontius Pilatus zuschreiben. Im alten Rom wurden Todesurteile gegen Könige oft in Verbannung umgewandelt. Claudia stammte aus der Familie der Flavier, die mit den Kaisern Vespasian und Nachfolgern verwandt war. Dass sie ihre Todesstrafe umwandeln lassen konnte, erscheint plausibel. Es ist daher durchaus möglich, dass sie sich der Apostel Christi und ihrer Jünger angeschlossen hat. Im Mittelalter kursierten zahlreiche Legenden über die Vision der Frau des Pilatus. Viele Gemälde nehmen darauf Bezug.
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