Freitag der 29. Woche im Jahreskreis

Röm 7,18-25a; Ps 119,66 u. 68.76-77.93-94; Lk 12,54-59

Röm 7
18 Ich weiß nämlich, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt: Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen.

19 Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich.
20 Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der es bewirkt, sondern die in mir wohnende Sünde.
21 Ich stoße also auf das Gesetz, dass in mir das Böse vorhanden ist, obwohl ich das Gute tun will.
22 Denn in meinem Innern freue ich mich am Gesetz Gottes,
23 ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit liegt und mich gefangen hält im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern herrscht.
24 Ich elender Mensch! Wer wird mich aus diesem dem Tod verfallenen Leib erretten?
25 Dank aber sei Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn! Es ergibt sich also, dass ich mit meiner Vernunft dem Gesetz Gottes diene, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde.

Paulus fährt im Römerbrief fort, seine Gesamtargumentation zu vertiefen: Er stellt heraus, wie das alte Leben unter dem Gesetz, also unter der Torah war. Dabei erklärt er das Phänomen am Menschen, das er auch an sich selbst bemerkt hat und was wir theologisch Erbsünde nennen: In seinem Fleisch wohnt nichts Gutes. Er merkt die Neigung zum Bösen, die sich darin zeigt, dass man das Böse tut, was man nicht will, und das Gute nicht tut, das man tun will. Diese Zerbrochenheit im Menschen, dass sein Wille nicht Herr über ihn selbst ist, steckt in jedem Menschen. Er deutet diesen Zwang oder die fehlende Durchsetzungskraft als ein Phänomen, das vom Bösen kommt. Die Sünde ist dann Herr über den Menschen, nicht der Mensch selbst, obwohl Gott ihm einen freien Willen geschenkt hat. Dieses Durcheinander zeigt sich dann darin, dass das Gesetz der Sünde, wie er den Prozess der Sünde nennt, im Streit liegt mit dem Gesetz der Vernunft. Das ganze Leid des Menschen entspringt diesem innersten Kampf des „inneren Schweinehunds“ gegen die eigene Vernunft. Wie schrecklich und tragisch es doch ist, dass der Mensch ursprünglich geschaffen ist als ein in sich ganz geordnetes Wesen mit einem freien Willen und mit geordneten Emotionen, einem perfekten Zusammenspiel von Willen, Vernunft, Gefühlen, Körper, Erinnerung, Phantasie…doch all dies ist durch den Sündenfall ins Chaos gestürzt, sodass alle Elemente des Menschen gegeneinander in Streit liegen. Wie kann daraus nicht noch mehr Streit im zwischenmenschlichen Bereich und vor allem in Beziehung zu Gott entstehen! Wie sehr waren wir Menschen also aufgeschmissen, weil wir durch unsere Natur nicht mehr heiligmäßig leben konnten!
Umso mehr wird uns bewusst, was Christus für uns getan hat. Auch wenn unsere Natur eine gefallene ist, hat er uns durch die Gnade erlöst und gerechtgemacht! Auch wenn wir weiterhin eine zerbrochene Natur sind, dienen wir dank der Taufgnade mit unserer „Vernunft“ – das Wort ist an dieser Stelle der Nous – dem Gesetz Gottes, während es natürlich immer noch einen Streit gibt mit dem Sarx, dem Fleisch. Paulus spricht hier nicht leibfeindlich. Wir müssen verstehen, was er mit Nous und Sarx meint. Nous betrifft an dieser Stelle so wie schon in Vers 23 die Willenskraft des Menschen. Durch die Gnade Gottes kann der Mensch wieder Herr seiner selbst sein, sodass zwar nicht selbstständig durch die Natur Ordnung einkehrt, dafür aber Kraft der Gnade. Gemeint ist nicht, dass der Körper des Menschen nur sündigen kann, sondern mit „Fleisch“ ist bei Paulus stets die gesamte gefallene Natur gemeint, mit allem, was dazugehört. Der letzte Vers ist eine Zusammenfassung der gesamten Ausführungen. Er sagt etwas sehr Wichtiges, damit wir verstehen, dass mit der Taufe nicht automatisch alles getan ist und wir uns zurücklehnen können. Die Neigung zum Bösen ist weiterhin da, unser Fleisch ist immer noch wirksam, aber die Gnade Gottes, ist stärker. Wir müssen aus der Gnade Gottes und mithilfe der Gnade Gottes leben im steten Kampf gegen unser Ego, gegen die Welt und den Bösen. Wir sind auf Erden eine streitende Kirche!

Ps 119
66 Gutes zu verstehen und zu erkennen, lehre mich, denn ich glaube deinen Geboten!
68 Gut bist du und tust Gutes. Lehre mich deine Gesetze!

76 Tröste mich in deiner Liebe, nach dem Spruch für deinen Knecht!
77 Dein Erbarmen komme über mich, sodass ich lebe, denn deine Weisung ist mein Ergötzen.
93 Nie will ich deine Befehle vergessen; denn durch sie belebst du mich.
94 Dein bin ich, errette mich! Ich suche deine Befehle.

Als Antwort beten wir einige Verse aus dem längsten Psalm, den wir haben, der ein Weisheitspsalm ist. Er ist betitelt mit „Lebenslanger Wandel in der Weisung des Herrn“. Schon der Titel ist Antwort auf Paulus, den wir im Römerbrief nicht so missverstehen dürfen, dass man der Weisung nicht mehr folgen muss. Im Gegenteil. Bei ihm geht es einfach darum, was zuerst kommt: Die Gnade der Erlösung, dann das Leben in der Weisung. So tut man nichts allein durch das „Fleisch“, also durch die eigenen menschlichen Kräfte, sondern Kraft der Gnade Gottes, die dazu befähigt.
Der Herr soll uns Gutes verstehen lernen, uns in seine Schule nehmen. Gott tut dies tagtäglich! Er erzieht uns in seiner Liebe und führt uns an der Hand, damit wir seine Gebote immer mehr in der Tiefe begreifen und ihren lebensfreundlichen Kern erkennen. Nur der Weg seiner Gebote kann uns wirklich ein Leben in Fülle schenken.
Gott ist gut und tut Gutes. Er hat uns erlöst! Das ist das beste, das uns widerfahren konnte! Aus der innigen Beziehung zu ihm können wir sagen: „Lehre mich deine Gesetze!“ Es ist ja kein rein juristischer Zugang zu seinen Geboten, sondern vom Bundesgedanken her.
Inwiefern tröstet uns Gottes Liebe? In Spr 10,12 heißt es, dass die Liebe viele Sünden zudeckt. Gottes Barmherzigkeit ist so groß, dass er uns mit seiner Liebe tröstet, wo wir uns aufrichtig selbst anklagen. Seine vergebende Liebe ist immer größer als die größte Sünde. Möge er uns die Schuld vergeben, wo wir aufrichtig bereuen und ihn um Vergebung bitten!
Ohne seine Barmherzigkeit sind wir alle verloren. Die Erlösung ist dagegen ein einziger Akt des Erbarmens! Sie hat uns wirklich ein neues Leben geschenkt, sodass wir leben dürfen in Fülle. Die Aussage in Vers 77 ist ungünstig übersetzt, denn die Weisung Gottes, also die Torah, sollte natürlich kein Er-Götzen sein, sondern Erquickung. Sie kann aber zum Götzen werden, wo wir die Torah um der Torah willen halten und ihren Geber vergessen. Diese Haltung findet sich leider oft zur Zeit Jesu. Deshalb findet er immer wieder kritische Worte gegenüber den Pharisäern und Schriftgelehrten. Wir leben in einem Bund mit Gott, dem Geber der Weisung. Was hier natürlich ausgesagt werden soll, ist wie sehr die Torah dem Menschen Balsam für die Seele ist, das beste überhaupt. Auch wir müssen lernen, diese Worte zu verinnerlichen in einer Zeit, in der viele sagen: „Ach, die Zehn Gebote waren doch nur für die Israeliten, weil Mose sie damit kontrollieren wollte. Heute gelten sie nicht mehr.“ Sie sind auch uns das heilsamste, was uns passieren kann.
Gebe Gott, so bitten wir zusammen mit dem Psalmisten, dass wir seine Gebote und seinen heiligen Willen nie vergessen. Wir haben das ewige Leben ja deshalb, weil wir diesen Weg gehen. Wenn wir ihn aber verlassen, entfernen wir uns von unserer Lebensquelle und sterben den moralischen und schließlich ewigen Tod. Das ewige Leben erreichen wir aber nur auf dem Weg seiner Gebote. Der Weg, die Wahrheit und das Leben, der Zugang zum Vater – er heißt Jesus Christus.
Zum Ende hin beten wir in absoluter Bundessprache: „Dein bin ich, errette mich!“ Ja, wir sind ganz sein geworden in der Taufe. Wir sind seine Kinder, die Erben des Gottesreichs. Gott möge uns alle erretten aus den Fängen des ewigen Todes, die uns umklammern. Er rette uns durch die Taufe und als gefallene Getaufte durch die Beichte.

Lk 12
54 Außerdem sagte Jesus zu der Volksmenge: Wenn ihr im Westen eine Wolke aufsteigen seht, sagt ihr sofort: Es gibt Regen. Und so geschieht es.

55 Und wenn der Südwind weht, sagt ihr: Es wird heiß. Und es geschieht.
56 Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels wisst ihr zu deuten. Warum könnt ihr dann diese Zeit der Entscheidung nicht deuten?
57 Warum findet ihr nicht schon von selbst das rechte Urteil?
58 Denn wenn du mit deinem Gegner zum Gericht gehst, bemüh dich noch auf dem Weg, dich mit ihm zu einigen! Sonst wird er dich vor den Richter schleppen und der Richter wird dich dem Gerichtsdiener übergeben und der Gerichtsdiener wird dich ins Gefängnis werfen.
59 Ich sage dir: Du kommst von dort nicht heraus, bis du auch die letzte Münze bezahlt hast.

Im Evangelium hören wir Worte Jesu aus seiner endzeitlichen Rede, in der Jesus zur Wachsamkeit aufruft.
Heute bringt er Beispiele aus der Natur, was eine typisch weisheitliche Herangehensweise darstellt. In der weisheitlichen Literatur des Alten Testaments finden wir immer wieder Vergleiche mit der Fauna und Flora. Jesus bezieht sich auf den Regen, dessen Vorbote aufsteigende Wolken darstellen. Sieht man diese, weiß man schon, dass es regnen wird.
Und wenn der Südwind aufkommt, weiß man, dass das Wetter heiß wird. Der Mensch braucht also kein Hellseher zu sein, um diese Dinge zu erkennen. Das sagt Jesus, um der Volksmenge zu verdeutlichen, dass die Zeichen der Zeit ebenso deutbar sind, wenn man nur die Augen richtig aufmacht. Deshalb ruft er auch aus: „Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels wisst ihr zu deuten. Warum könnt ihr dann diese Zeit der Entscheidung nicht deuten?“ Die Zeit der Entscheidung zeigt, wie wichtig diese Phase nun ist. Christus ist unter ihnen und wirkt solch offensichtliche Zeichen, die jeder fromme Jude eigentlich erkennen müsste. Und doch sind sie blind dafür, indem sie seine Botschaft nicht annehmen und die Erfüllung der Verheißungen an ihm nicht erkennen. Diese Blindheit im Gegensatz zur Schöpfung macht sie zu Heuchlern.
Dann bringt Jesus ein weiteres Bild, das für uns alle sehr entscheidend ist: Wenn man mit einem Mitmenschen unterwegs zum Gericht ist, soll man diesen letzten Weg noch nutzen, um schon zuvor eine Einigung zu erzielen. Sonst wird man nämlich dem Gericht übergeben und am Ende im Gefängnis landen. Es ist besser, noch vorher Versöhnung zu schaffen. Was Jesus hier im Kontext der Endzeitrede damit meint, ist natürlich das Endgericht. Die Menschen sollen sich mit Gott versöhnen, noch bevor das Endgericht kommt. Denn dann ist es zu spät und man wird in das ewige Gefängnis geworfen werden, das die Hölle ist. Diese Versöhnung bedeutet Umkehr. Das ist nicht nur universal zu verstehen, sondern auch für jeden einzelnen Menschen, der noch Zeit zur Umkehr hat bis zu seinem Tod. Denn wenn man dann stirbt und vor Gott tritt, wird es zu spät sein, noch umzukehren. Bei diesem Individualgericht, wird man dann mit allem Unversöhnten schonungslos konfrontiert. Es ist für einen selbst besser, schon vor dem Tod Versöhnung zu schaffen. Das ist für uns eine wichtige Aussage. Anhand des letzten Verses erkennen wir, dass man nach dem Tod auch sühnen kann, ohne dass es auf ewig ist. Jesus bringt ja einen Vergleich und da ist es ja so, dass wenn Menschen Schulden nicht bezahlen konnten, im Gefängnis verbleiben mussten, bis alles beglichen ist. So haben auch wir nach dem Tod die Möglichkeit, noch zu sühnen, bevor wir die ewige Gemeinschaft mit Gott genießen dürfen. Das nennt die Kirche das Fegefeuer. Gewiss sind Bilder und Vergleiche immer begrenzt und können etwas nicht zu hundert Prozent vergleichen, aber hier bringt Jesus wirklich ein Bild an, das sich mit anderen Schriftverweisen deckt. Es gibt nicht nur die ewige Hölle, sondern auch eine Phase der Sühnung, die nicht ewig ist.
Und doch ist es angenehmer, wenn man vorher schon die Versöhnung geschaffen hat. Besser, man „sühnt“ die eigenen Vergehen noch in diesem Leben. Nach dem Tod wird es schmerzhaft.

Heute lernen wir viel über Erlösung, Rechtfertigung des zerbrochenen Menschen, Erziehung Gottes durch seine Gebote, seine Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Auf die Fürsprache des hl. Johannes Paul II, dessen Gedenktag heute ist, bitten wir um die Kraft und Gnade, diese Dinge immer besser zu begreifen und Gottes Gebote mit der richtigen Absicht zu halten.

Ihre Magstrauss

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