Ex 20,1-17; Ps 19,8.9.10.11-12; 1 Kor 1,22-25; Joh 2,13-25
Ex 20
1 Dann sprach Gott alle diese Worte:
2 Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.
3 Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.
4 Du sollst dir kein Kultbild machen und keine Gestalt von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.
5 Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen und ihnen nicht dienen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, ein eifersüchtiger Gott: Ich suche die Schuld der Väter an den Kindern heim, an der dritten und vierten Generation, bei denen, die mich hassen;
6 doch ich erweise Tausenden meine Huld bei denen, die mich lieben und meine Gebote bewahren.
7 Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.
8 Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!
9 Sechs Tage darfst du schaffen und all deine Arbeit tun.
10 Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem HERRN, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du und dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin und dein Vieh und dein Fremder in deinen Toren.
11 Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der HERR den Sabbat gesegnet und ihn geheiligt.
12 Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der HERR, dein Gott, dir gibt!
13 Du sollst nicht töten.
14 Du sollst nicht die Ehe brechen.
15 Du sollst nicht stehlen.
16 Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.
17 Du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren. Du sollst nicht die Frau deines Nächsten begehren, nicht seinen Sklaven oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen Esel oder irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.
In der ersten Lesung hören wir heute die Zehn Gebote, die Gott Mose übergibt – nicht einfach unpersönlich, sondern in der Begegnung. Der Rahmen der Gabe der Gebote ist zugleich hermeneutischer Schlüssel der Gebote. Später reflektiert Mose selbst, dass die Gabe des Dekalogs in eine Theophanie eingebettet ist: „Auge in Auge hat der Herr auf dem Berg mitten aus dem Feuer mit euch geredet“ (Dtn 5,4). Am Sinai schließt Gott mit seinem Volk einen Bund, der eine gegenseitige Selbstübereignung der Bündnispartner bedeutet. Ausgehend davon wird der Mensch nach dem Willen Gottes leben, nicht weil er es muss (deshalb ist das „du sollst“ ungünstig übersetzt), sondern weil er es will (man muss vielmeher übersetzen mit „du wirst“). Ganz nach dem Grundsatz des Augustinus: Liebe und tue, was du willst. Denn das, was man aus Liebe zu Gott möchte, ist seinen Willen zu tun. Die Zehn Gebote sind einzuteilen in die Gebote, die die Gottesliebe betreffen (1-3), und jene, die die Nächstenliebe betreffen (4-7). Sie merken, dass es keine Nummerierung im eigentlichen Bibeltext gibt. Deshalb gibt es auch unterschiedliche Zählungen der Zehn Gebote. Das Bilderverbot wird nach katholischer Zählung zum ersten Gebot gezählt, weshalb das vierte Gebot die Reihe der Nächstenliebe Gebote mit „ehre deinen Vater und deine Mutter“ eröffnet. Betrachten wir die Gebote nun also vom Doppelgebot der Liebe her, begreifen wir, warum Jesus davon Gesetz und Propheten abhängig macht (Mt 22,40).
Gott hat Israel aus Ägypten herausgeführt. Er hat die Befreiung gebracht und anschließend am Gottesberg den Bund mit Israel geschlossen. Diese Befreiung ist ein einziges Zeichen dafür, dass Gott dem Menschen auch im existenziellsten Sinne Befreiung schenken möchte: durch ein Leben in Fülle. Dieses kann der Mensch aber nur haben, wenn er nach Gottes Geboten lebt. Das wird ihn in die wahre Freiheit führen. Denn was die Menschheit noch viel mehr erleidet, ist die Sklaverei der Sünde. In dieser befindet sich Israel auch nach dem Exodus. Mit den Zehn Geboten wird dem Volk aber ein Weg aufgezeigt, wenigstens ein Stück weit Befreiung auch im existenziellen Sinne zu erhalten. Warum nur ein Stück weit? Weil es die Gebote nicht immer halten wird. Wir wissen ja schon, wie es ausgegangen ist. Und doch ist es ein Rettungsanker, den die Propheten in Zeiten der Gottlosigkeit immer wieder auswerfen. Sie besinnen die Menschen zurück auf Gottes Willen, auch wenn sie dafür immer wieder Ablehnung ernten. Wo sich die Israeliten aber wieder auf Gott zurückbesinnen, erhalten sie die Vergebung und den Segen Gottes. Gott ist wirklich die Lebensquelle, von der ausgehend wir Segen haben und ein Leben in Fülle.
Ausgehend von der Befreiung Gottes sollen auch wir die Gebote halten. Das betrifft auch uns als Getaufte im Neuen Bund mit Gott! Denn wir sind befreit worden von der Sklaverei der Erbsünde im Sakrament der Taufe. Davon ausgehend ist uns die Taufgnade geschenkt worden, die uns befähigt, gut zu leben.
Weil Gott uns zuerst geliebt und sein Leben für uns hingegeben hat, sollen wir keinen anderen Göttern schöne Augen machen. Das kann alles Mögliche sein, nicht nur andere Religionen mit ihren Gottheiten, sondern natürlich auch alles, was den Widersacher Gottes betrifft – Satanismus, Okkultismus, esoterische Angebote. Das kann auch den Aberglauben betreffen und im entferntesten Sinne alles, was wir höher als Gott einordnen, selbst unseren geliebten Ehepartner, unsere Familie, unsere Devotionalien! All diese Dinge können uns zum Götzen werden, wenn nicht Gott die erste Stelle in unserem Leben einnimmt.
Auch die Erstellung eines Kultbildes ist eine Sünde gegen das erste Gebot. Das hebräische Wort pesel bezieht sich nicht auf jegliche Bilder, die göttliches oder himmlisches darstellen, sondern auf jene, die die Gottheit selbst sind. In den Völkern um Israel herum gab es immer wieder die Praxis, Kultpfähle, Bilder, Figuren als die Gottheit selbst zu betrachten, ihr Essen und Trinken hinzustellen etc. Das ist mit pesel gemeint. Zugleich gebietet Gott dem Mose ja, Darstellungen von Engeln und ähnliches anzufertigen, das im Tempel Platz findet. So sind zum Beispiel die Kerubim auf der Platte der Bundeslade zu nennen. Ja sogar die eherne Schlange in der Wüste ist in dem Kontext zu nennen. Einfache Darstellungen sind also nicht verboten und mit Jesus Christus der wandelnden Ikone Gottes werden natürlich auch Darstellungen Gottes nicht verboten!
Das Gebot des Sabbats ist sehr entscheidend, weil es Ausdruck der Dankbarkeit gegenüber Gott darstellt. Die Israeliten halten sogar die Übertretung jenes Gebotes für die Ursache des Babylonischen Exils. Das ist der Grund für die sehr strenge Überwachung des Sabbatgebotes zur Zeit Jesu.
Gott hat am siebten Tag geruht, so sollen es auch die Israeliten tun. Zu Anfang wird das Sabbatgebot mit der Schöpfung begründet. Später kommt als Begründung die Befreiung aus dem Sklavenhaus Ägyptens hinzu. Es ist der Tag, an dem das Volk des Bundes gedenkt, den Gott mit ihm geschlossen hat.
Dann beginnt die Serie der Gebote bezüglich der Nächstenliebe. Nicht umsonst wird diese durch das Ehren der Eltern eröffnet. Sie sind die Nummer eins, wenn es um die Nächstenliebe geht. Ohne unsere Eltern wären wir nicht auf der Welt. Ganz egal, wie sie zu uns sind, ob sie ihre Aufgabe als Eltern gut erfüllen oder nicht: Allein deshalb gebührt ihnen die Ehre, weil sie uns zur Welt gebracht haben. Das vierte Gebot sieht unterschiedlich aus je nachdem, ob wir noch klein oder erwachsen sind. Das vierte Gebot besagt auch, dass wir uns aus Respekt vor unseren Eltern um ein gutes Verhältnis zu unseren Geschwistern bemühen. Im weiteren Sinne sollen wir allen Autoritäten in unserem Leben Respekt entgegenbringen: Den Großeltern, anderen Verwandten, Lehrern, Geistlichen, Politikern etc.
Die weiteren Gebote werden sehr knapp aufgezählt: Du sollst nicht töten, nicht die Ehe brechen, nicht stehlen, nicht lügen. Auch die Begierde wird thematisiert – in Form einer Begierde gegenüber der Frau eines anderen (das betrifft auch die Frauen, die keinen anderen Mann begehren sollen) und gegenüber dem Besitz eines anderen Menschen. Das ist der Neid. Die Gebote können zu Clustern zusammengefasst werden. Manchmal sind die Übergänge fließend. Eine Sünde zieht sehr oft weitere Sünden nach sich.
Ganz wichtig ist: Es geht nicht, dass wir alle Gebote halten, nur eines nicht. Die Gebote sind als Ganzes zu halten, weil es hier um Beziehung und Liebe geht. Liebe geht aufs Ganze. Sünde ist eine Beleidigung Gottes und so verletzen wir ihn, wenn wir auch nur eine Sache nicht so tun, wie er es uns gebietet. Es ist wie in einer zwischenmenschlichen Beziehung: Wenn wir auch nur eine negative Angewohnheit haben, einen negativen Charakterzug, kann das die Beziehung schon sehr strapazieren. Wenn ich einen Menschen liebe, nehme ich ihn als ganzen Menschen an und kann mir nicht nur die positiven Züge herauspicken. So ist es auch bei Gott. Wenn ich Gott ganz annehme und mich ihm ganz übereigne in einer Bundesbeziehung, dann muss ich ihn mit allem annehmen. Ich kann mir nicht nur das herauspicken, was mir angenehm ist.
Ps 19
8 Die Weisung des HERRN ist vollkommen, sie erquickt den Menschen. Das Zeugnis des HERRN ist verlässlich, den Unwissenden macht es weise.
9 Die Befehle des HERRN sind gerade, sie erfüllen das Herz mit Freude. Das Gebot des HERRN ist rein, es erleuchtet die Augen.
10 Die Furcht des HERRN ist lauter, sie besteht für immer. Die Urteile des HERRN sind wahrhaftig, gerecht sind sie alle.
11 Sie sind kostbarer als Gold, als Feingold in Menge. Sie sind süßer als Honig, als Honig aus Waben.
12 Auch dein Knecht lässt sich von ihnen warnen; reichen Lohn hat, wer sie beachtet.
Wir beten heute einen Lobpsalm auf die Schöpfung Gottes und auf seine Weisung, also die Torah. Das passt sehr gut als Antwort auf die Gabe der Zehn Gebote. In Vers 8 wird die Vollkommenheit der Weisung gepriesen. Sie „erquickt den Menschen“. Gott gibt keine Gebote auf, die den Menschen einschränken, belasten und unglücklich machen sollen. Es geht immer darum, dass er nur das Beste für den Menschen bereithält und genau weiß, was dieser braucht. Die Torah macht vielmehr frei und bringt dem Menschen Heil. Das haben wir vorhin ja schon bedacht. Deshalb ist es Gottes Timing, die Gebote ausgerechnet nach dem Auszug aus Ägypten zu übergeben.
„Das Zeugnis des HERRN ist verlässlich“ bezieht sich ebenfalls auf die Torah, denn das hebräische Wort עֵד֥וּת edut, das hier mit „Zeugnis“ übersetzt wird, kann auch mit „Gebot“ übersetzt werden. Es macht den Unwissenden weise, denn es ist die Schule Gottes.
Gottes Befehle sind „gerade“ und „erfüllen das Herz mit Freude“. Gott erwartet nichts Unmögliches, bei dem man ganz überfordert ist. Die Geradlinigkeit steht für die Nachvollziehbarkeit und Machbarkeit. Sie erfüllen mit Freude, weil Gott den Menschen glücklich machen möchte. Er gibt keine tausend Gebote und Verbote. Er gibt eine überschaubare Menge an Geboten, zehn Stück, an zwei Händen abzählbar.
Gottes Weisung ist rein und erleuchtet die Augen. Sie ist ganz frei von bösen Absichten und Hinterhältigkeit. Sie ist so, dass sie den Weg vor dem Menschen erkennbar macht und er erkennt, wie er sich verhalten soll. Auch in Vers 10 wird mit ähnlichen Ausdrücken wiederholt, dass Gottes Weisung wahr und gerecht ist. Dort ist aber auch die Rede von der Gottesfurcht, die lauter ist. Dieses uns kaum noch geläufige Wort ist ein Synonym für „rein“ und soll verdeutlichen, dass die Gottesfurcht bei der Befolgung der Torah essenziell ist. Sie bedeutet, dass wir Angst haben, Gott zu beleidigen und damit die Beziehung zu ihm zu zerstören.
Gottes Torah ist wertvoller als Gold, weil sie uns zum ewigen Leben verhilft. Sie ist köstlicher als Honig, was als der Süßstoff schlechthin galt. Sie schmeckt süß, weil sie den Menschen erquickt (siehe oben). Gott ist ein Gott des Lebens und was er uns schenken möchte, ist ein gutes Leben voller Glückseligkeit.
Auch David bemüht sich, die Gebote zu halten, auch wenn es nicht immer klappt. Er versündigt sich sogar sehr schwer, wenn er die Ehe bricht und den betrogenen Mann absichtlich im Krieg fallen lässt. David ist der Begierde anheimgefallen, der Begierde nach der Frau eines anderen. Das ist eine Sünde gegen das neunte Gebot. Die Konsequenzen hat er deutlich zu spüren bekommen. Umso mehr kann er betonen, dass die Menschen auf Gottes Gebote achten sollen, damit sie ein gutes Leben haben.
Danken auch wir dem Herrn für seine Gebote, denn sie machen auch uns heute glücklich! Wir werden mit dem Segen Gottes ganz überschüttet, wenn wir uns immer um seinen Willen bemühen. Und wenn wir fallen, weil wir schwache Menschen sind, die auch nach der Taufe zum Bösen neigen, dann ist Gott noch so barmherzig, dass er uns bei aufrichtiger Reue die Schuld vergibt! Er schenkt uns sogar das Sakrament der Versöhnung, damit wir wieder rein und untadelig vor ihm stehen dürfen! Wie groß ist Gottes Gnade und wie sehr möchte er, dass wir glücklich werden!
1 Kor 1
22 Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit.
23 Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit,
24 für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.
25 Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen.
In der Lesung aus dem ersten Korintherbrief hören wir heute Paulus‘ Ausführungen über die Weisheit des Kreuzes. Das stellt den Kontext der heutigen Verse dar. Durch Paulus‘ Worte begreifen wir einmal mehr, wie diametral Gott und die Welt sich gegenüberstehen. Es liegt nicht daran, dass die Schöpfung an sich schlecht ist, sondern gefallen ist. Deshalb ist die weltliche Denkweise von Gottes ewiger Weisheit ganz zu unterscheiden. Wir lernen also von Paulus, dass ein Konflikt mit der Welt vorprogrammiert ist, wenn wir nach den Geboten Gottes leben wollen. Das Kreuz Christi sowie seine Auferstehung sind ja die Besiegelung des Neuen Bundes, den wir durch die Taufe gläubig annehmen. Aus diesem Bundesschluss heraus sollen ja auch wir die Zehn Gebote halten, die Christus mit seiner Person erfüllt hat.
Das Wort vom Kreuz ist den weltlich denkenden Menschen eine Torheit. Sie sehen keinen Sinn in den Worten, denn sie sehen nur die Schande, die diese Hinrichtungsart bringt. Sie sehen nicht über den irdischen Tellerrand hinaus. Für jene, die die heilbringende Kraft des Kreuzes erkannt und gläubig angenommen haben, ist es die Kraftquelle schlechthin. Sie halten ihre Leiden nur dadurch aus, dass Christus zuerst gelitten hat. Schon die Schrift kündigt an, dass Gott die Weisheit und Klugheit der Welt vernichten wird. Sie sind Schall und Rauch in Gottes Augen. Wir müssen betonen, dass Paulus mit „Welt“ die gefallene Schöpfung meint. Jene, die in ihrem Denken weltlich sind, können in Gottes Augen nicht klug und weise genannt werden.
Und weil die Welt Gottes Weisheit abgelehnt hat, hat Gott den Gläubigen die Rettung durch die Torheit des Kreuzes hindurch ermöglicht. Die „Torheit der Verkündigung“ ist aus der Sicht der Welt so zu bezeichnen, aus Gottes Sicht ist es die einzige Weisheit.
Paulus geht in den heutigen Versen auf Juden und Griechen ein: Die Juden fordern Zeichen (zur Zeit Jesu wird das ja immer wieder erwähnt), die Griechen streben die Weisheit an (und das vor allem durch die Philosophie). Dementsprechend ist das Kreuz für die einen ein Anstoß, für die Anderen eine Torheit. Der gläubige Jude nimmt am Kreuz Jesu Christi deshalb Anstoß, weil er auf Dtn 21,23 verweist, wo ein Hingerichteter als Gottverfluchter bezeichnet wird. Der Sohn Gottes kann also nicht hingerichtet worden sein, wenn er nicht vom eigenen Vater verflucht sein will. Für die Griechen ist das Kreuz eine Torheit, weil sie die weltliche Weisheit anstreben, die nichts mit der Einfachheit und dem Sterben für andere zu tun hat. Wer aber berufen ist zur Nachfolge Jesu Christi und diese annimmt, erkennt in dem Kreuz das Heil. Und da spielt es dann keine Rolle, ob die Person aus dem Judentum oder Heidentum kommt.
Gott ist so unendlich viel weiser und klüger, als es Menschen jemals sein werden. Deshalb ist selbst das Törichte und Schwache Gottes stärker als die Menschen. Das ist natürlich rhetorisch gemeint, denn in Gott gibt es nichts Schwaches oder Törichtes. Als Jesus Mensch wurde, nahm er freiwillig die Schwachheit des Menschen an, das ist aber nicht genuin göttliche Eigenschaft.
Paulus erklärt heute etwas Entscheidendes, was brandaktuell ist: Der gekreuzigte Christus ist unattraktiv und gilt auch heute als töricht in der Welt. Nur das Starke und Selbstverwirklichte hat Wert. Ein zerbrochener Christusleib hingegeben für die ganze Menschheit passt da nicht so recht hinein. Das möchte keiner sehen. Der Tod ist Tabuthema. Es ist so vielen heute ein Anstoß, so sehr, dass so mancher Geistlicher für sie sogar das Kreuz um den Hals wegnimmt. Und doch ist das Kreuz das Zeichen, das uns retten wird.
Joh 2
13 Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf.
14 Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen.
15 Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern; das Geld der Wechsler schüttete er aus, ihre Tische stieß er um
16 und zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!
17 Seine Jünger erinnerten sich, dass geschrieben steht: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren.
18 Da ergriffen die Juden das Wort und sagten zu ihm: Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst?
19 Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.
20 Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten?
21 Er aber meinte den Tempel seines Leibes.
22 Als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.
23 Während er zum Paschafest in Jerusalem war, kamen viele zum Glauben an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat.
24 Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an, denn er kannte sie alle
25 und brauchte von keinem ein Zeugnis über den Menschen; denn er wusste, was im Menschen war.
Im Evangelium hören wir nun von der Tempelreinigung. Auch dort geht es zutiefst um eine Zeichenhandlung, so wie schon der Exodus und der Bundesschluss am Sinai Zeichenhandlung Gottes ist und auch das Kreuz als Zeichen Gottes zu betrachten ist. Sehr oft wird diese Episode missverstanden und Jesus eine Form von Jähzorn unterstellt. Jesus hat seine Gefühle immer unter Kontrolle gehabt. Gefühlsausbrüche sind Folge der Erbsünde. Der Mensch jenseits dieses inneren Bruchs ist ein in sich geordnetes Wesen. Jesus hatte keinen Wutausbruch, als er die Händler hinausgejagt hat. Aber was ist hier passiert?
Jesus hat hier ganz bewusst und kontrolliert gehandelt. Es handelt sich um eine prophetische Zeichenhandlung. Er hat sich ganz bewusst so benommen, damit die frommen Juden, die anwesend sind, sich an ein Schriftwort erinnern. Es geht um Ps 69 Vers 10, wo es heißt: „Denn der Eifer für dein Haus hat mich verzehrt, die Verhöhnungen derer, die dich verhöhnen, sind auf mich gefallen.“ Die Jünger Jesu verstehen diese Anspielung. Jesus möchte noch ein weiteres Signal geben, das mit dem „Tag des Herrn“ erwartet wird, mit dem Ende der Zeiten: Wir lesen am Ende des Buches Sacharja, dass wenn der Tag kommt, keine Händler mehr im Tempel sein werden. Wenn Jesus also die Händler aus dem Tempel jagt, somit das Haus seines Vaters reinigt, möchte er das Signal geben: Ich bin der Messias. Mit mir ist das Reich Gottes und das Ende der Zeiten angebrochen. Kehrt also um und glaubt an das Evangelium, denn lange Zeit bleibt euch dafür nicht mehr!
Es ist zugleich über diesen Wortsinn hinaus zu verstehen:
Der Herr reinigt den Tempel seines Leibes – das ist mystisch zu verstehen als sein Leib, der die Kirche ist. Schon bevor sie geboren wird am Pfingsttag, reinigt er ihre zukünftigen Glieder, prüft sie wie im Feuer, allen voran Petrus, den Felsen, damit die Apostel wirklich rein und bereit sind. Und seit die Kirche besteht, reinigt der Herr sie immer wieder, sendet Heilige wie Franziskus oder Caterina von Siena, die den Päpsten so richtig die Leviten lesen, mit ihrer liebenden Kritik aufräumen und eine aus dem Hl. Geist ergehende Erneuerung der Kirche antreiben. So muss die Kirche zu allen Zeiten innerlich gereinigt werden von den Händlern der jeweiligen Zeit, damit ihr sichtbarer Teil wieder zur alten Reinheit zurückkehrt. Unser Hl. Vater emeritus Benedikt XVI hat in der großartigen Freiburger Rede die Notwendigkeit einer Entweltlichung der Kirche herausgestellt. Das wäre so ein Reinigungsvorgang. Was aber momentan in der Kirche geschieht, ist ein zunehmendes Hereinholen von Händlern und Geldwechslern. Es wird immer politischer und weltlicher. Und das ist nicht der Wille des Herrn.
Christus muss auch manchmal einen Geiselstrick nehmen und im Tempel unseres Herzens die Händler vertreiben. Wie viel Anhänglichkeit an die Welt ist noch in uns vorhanden! Wie viel Gerümpel ist noch in unserer Seele, das uns daran hindert, Gott mit ungeteiltem Herzen zu dienen und ihm den ganzen Raum unseres Lebens zur Verfügung zu stellen! Gerade das Geld und die Anhänglichkeit an den weltlichen Konsum grassieren in unseren Herzen als hartnäckige Götzen. Und wir haben ja gelernt – Gott ist ein eifersüchtiger Gott, der unsere ganze ungeteilte Liebe will.
Am Ende der Zeiten wird der Menschensohn mit seinem himmlischen Heer kommen und mit dem Bösen mit seinem dämonischen Heer abrechnen. Dann wird sein Geiselstrick das zweischneidige Schwert sein, das Wort Gottes, wie es Johannes in der Johannesoffenbarung am Ende des Buches sieht. Dann wird der Böse für immer besiegt und verbannt werden aus der Schöpfung Gottes.
Jesus sagt zu den Juden, die ihn nach seiner Berechtigung fragen: „Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.“ Er meint damit den Tempel seines Leibes, wenn er sterben und wieder auferstehen wird. Doch die Juden verstehen ihn falsch und halten ihm entgegen: Wie willst du den Tempel in drei Tagen wieder aufbauen, an dem 46 Jahre gebaut worden ist?
Seine Jünger werden sich nach seiner Auferstehung wieder an diese Worte zurückerinnern. Alles, was Christus tut und sagt, ist eine einzige Lektion, eine pädagogische Meisterleistung. Verfolgt man alles aufmerksam, was er sagt und tut, wird man nach und nach an alles herangeführt. Jesus hat seinen Tod und seine Auferstehung schon gleich zu Anfang seines Wirkens mit dem Ende der Welt in Verbindung gebracht (Sach 10) und die Tempelthematik mit seinem Leib identifiziert. Der Tempel und die Kirche werden dabei zu einer typologischen Verbindung, sodass Christus hier die Jünger lehrt: Mein Leib, der für euch hingegeben wird, wird für euch der Ort der wahren Anbetung sein, der neue Tempel. Mein Leib wird aus den vielen Gliedern der Gemeinschaft der Gläubigen weiterbestehen. Er wird immer mehr aufgebaut werden. Von diesem Leib aus wird das lebendige Wasser ausgehen, das die ganze Erde tränkt. Von diesem Leib aus wird das Leben ausgehen, Gnaden über Gnaden auf alle Menschen guten Willens übergehen.
Auch wenn Jesus die Begegnung mit so verstockten Juden macht, gibt es etliche, die die Zeichenhaftigkeit seines Verhaltens begreifen, die zum Glauben an ihn kommen, die offen sind für das Wirken Gottes.
Christus kennt die Herzen der Menschen. Er ist Gott. Er braucht ihr Zeugnis nicht. Er sagt auch nicht zu ihnen: „Ja, ich bin der Messias“, weil er das nie tut. Auch in den synoptischen Evangelien sollen die Menschen durch sein zeichenhaftes Handeln darauf kommen, wer er ist, ohne dass er herumgeht und erzählt: „Ich bin der Messias.“
Wie steht es um uns? Erkennen wir die Zeichen Gottes? Nehmen wir ihn gläubig an und leben wir unseren Bund mit ihm bewusst? Das ist nicht einfach ein Vertrag, den wir mit der Taufe eingegangen sind. Es handelt sich um eine absolute Selbstübereignung. Wir gehören ganz Gott und Gott gehört ganz uns! Leben wir entsprechend? Lieben wir Gott? Wenn wir an uns Gleichgültigkeit und Lauheit bemerken, ist es nicht zu spät. Bitten wir den Herrn, uns das Feuer seiner Liebe zu geben, damit unsere Liebe zu ihm neu entbrennt. Erneuern wir unseren Bund mit ihm und nehmen wir nie selbstverständlich, was er am Kreuz für uns getan hat!
Ihre Magstrauss