Freitag der 2. Osterwoche

Apg 5,34-42; Ps 27,1.4.13-14; Joh 6,1-15

Apg 5
34 Da erhob sich im Hohen Rat ein Pharisäer namens Gamaliël, ein beim ganzen Volk angesehener Gesetzeslehrer; er befahl, die Apostel für kurze Zeit hinausführen.
35 Dann sagte er: Israeliten, überlegt euch gut, was ihr mit diesen Leuten tun wollt!
36 Vor einiger Zeit nämlich trat Theudas auf und behauptete, er sei etwas Besonderes. Ihm schlossen sich etwa vierhundert Männer an. Aber er wurde getötet und sein ganzer Anhang wurde zerstreut und aufgerieben.
37 Nach ihm trat in den Tagen der Volkszählung Judas, der Galiläer, auf; er brachte viel Volk hinter sich und verleitete es zum Aufruhr. Auch er kam um und alle seine Anhänger wurden zerstreut.
38 Darum rate ich euch jetzt: Lasst von diesen Männern ab und gebt sie frei; denn wenn dieses Vorhaben oder dieses Werk von Menschen stammt, wird es zerstört werden;
39 stammt es aber von Gott, so könnt ihr sie nicht vernichten; sonst werdet ihr noch als Kämpfer gegen Gott dastehen. Sie stimmten ihm zu,
40 riefen die Apostel herein und ließen sie auspeitschen; dann verboten sie ihnen, im Namen Jesu zu predigen, und ließen sie frei.
41 Sie aber gingen weg vom Hohen Rat und freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden.
42 Und sie ließen nicht ab, Tag für Tag im Tempel und in den Häusern zu lehren, und verkündeten das Evangelium von Jesus, dem Christus.

Heute hören wir in der Lesung den weiteren Verlauf der Anhörung der Apostel vor dem Hohen Rat. Es kommt heute eine neue Person ins Blickfeld, die der Lehrer des Paulus ist: Gamaliel. Er bildet Männer zur Pharisäern aus und ist im Hohen Rat vertreten. Er lässt die Apostel hinausschicken, um mit den Mitgliedern des Hohen Rates eine Strategie auszumachen.
Er erzählt den Anwesenden, dass vor einiger Zeit ein gewisser Theudas mit messianischem oder prophetischem Anspruch aufgetreten war und ebenso ein gewisser Judas. Beide haben eine Menschenmenge um sich versammelt, doch wurde diese nach deren Tod zerstreut. In Bezug auf diese Ereignisse schlägt Gamaliel vor, die Apostel freizulassen, da auch sie diesem natürlichen Prozess anheimfallen würden (dass sie irgendwann sterben und ihre Anhängerschaft sich zerstreuen werde). Wenn auch diese ganze Bewegung menschengemacht ist, wird auch sie so enden. Es ist bemerkenswert, dass Gamaliel die Möglichkeit stehenlässt, dass es doch ein gottgewirktes Werk sein könnte. Für jenen Fall sollte der Hohe Rat nicht dagegen ankämpfen, um nicht zu Kämpfern gegen Gott zu werden. Dann können sie ja sowieso nichts dagegen ausrichten, weil Menschen gegen Gott nicht ankommen. Das ist sehr interessant und wir Leser bzw. Hörer bestätigen seine Rede: Es ist von Gott gewirkt und die Apostel gehorchen seinem Willen. Hier ist der Heilige Geist am Werk und so kann auch der Hohe Rat nichts dagegen tun.
Seine Worte scheinen Anklang zu finden. Der Hohe Rat beschließt, diese Strategie umzusetzen: Die Apostel werden ausgepeitscht und dann freigelassen, wieder unter dem Verbot, weiter im Namen Jesu zu predigen.
Die Apostel sind überhaupt nicht eingeschüchtert von der ganzen Situation. Vielmehr fühlen sie sich geehrt, dass sie im Namen Jesu dieses Leiden durchmachen mussten. Davon unbeeindruckt gehen sie auch weiter in den Tempel und predigen das Evangelium Jesu Christi. Sie verkünden ihn auch in den Häusern, wahrscheinlich im Kontext der Hausgemeinschaften und der Eucharistiefeier. Ihre Sichtweise auf das Leid ist sehr reif. Sie nehmen es nicht nur an, sondern tragen es sogar mit Freude. Sie fühlen sich geehrt, an dem Leiden Jesu Christi mitzutragen, weil sie ihm nachfolgen und in seinem Namen das Werk Gottes weiterführen.

Ps 27
1 Von David. Der HERR ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist die Zuflucht meines Lebens: Vor wem sollte mir bangen?
4 Eines habe ich vom HERRN erfragt, dieses erbitte ich: im Haus des HERRN zu wohnen alle Tage meines Lebens; die Freundlichkeit des HERRN zu schauen und nachzusinnen in seinem Tempel.
13 Ich aber bin gewiss, zu schauen die Güte des HERRN im Land der Lebenden.
14 Hoffe auf den HERRN, sei stark und fest sei dein Herz! Und hoffe auf den HERRN!

Wir beten heute einen ganz bekannten Psalm, der das Vertrauensverhältnis Davids zu Gott offenbart. Es gibt hier messianische Hinweise bzw. erkennen wir Christus im Psalm: Der HERR, Jahwe, ist mein Heil. Das hebräische Wort weist denselben Stamm auf wie der Name Jesu. Das ist kein Zufall. Der Psalm ist ganz und gar von Vertrauen geprägt („vor wem sollte mir bangen“, „Zuflucht“, „Hoffe auf den HERRN“). Es ist eben jenes unerschütterliche Vertrauen, das auch die Apostel Gott gegenüber besitzen und weshalb sie freimütig mit der Verkündigung des Evangeliums fortfahren – trotz der Drohungen und Gefahren.
Zugleich wird die Sehnsucht nach dem ewigen Leben deutlich: „im Haus des HERRN zu wohnen alle Tage meines Lebens“; die Freundlichkeit des HERRN zu schauen“. Das entspricht unseren anagogischen Gedanken zum Beispiel bei den vielen Jesajatexten, in denen das Leben bei Gott im Himmelreich die ultimative Befreiung vom drückenden Joch ist. Es ist auch auf die Apostel zu beziehen, die mit einer brennenden Sehnsucht nach der Wiederkunft Christi leben und in einer absoluten Naherwartung leben.
Im Psalm wird die Lichtmetapher verarbeitet, die im Johannesevangelium dann sehr wichtig wird. Hier wird auch der Übergang von der Dunkelheit ins Licht thematisiert, denn er beinhaltet die Einladung zur Hoffnung auf den HERRN. Diese Auslegung vom Licht Gottes sehen wir indirekt in der Apostelgeschichte. Sie steht hinter der Einstellung der Apostel, die in der Dunkelheit des irdischen Daseins umhergehen, aber aus dem Inneren so viel Licht ausstrahlen, dass es um sie herum ganz hell wird. Jesus ist die Hoffnung der Menschen. Er schenkt dem Menschen eine Perspektive, einen Sinn im Leben, eine Berufung – nämlich die Berufung zur Heiligkeit. Und diesen Sinn möchten die Apostel auch weitergeben, indem sie alle Menschen zu Jesu Jüngern machen wollen.
„Das Land der Lebenden“ ist durch und durch ein Zeugnis für die Auferstehungshoffnung von Christen. Dies zeigt, dass David mal wieder geisterfüllt diesen Psalm formuliert. Wie kann ein israelitischer König 1000 Jahre vor Christi Geburt so etwas Österliches sonst sagen? Lob sei Gott, dass er schon damals diesen König mit seinen wunderbaren Verheißungen erfüllt hat! Das Land der Lebenden ist das Himmelreich. Wir werden leben, auch wenn wir sterben. Das wird Jesus immer wieder erklären. Denn Gott ist ein Gott der Lebenden, nicht der Toten.

Joh 6
1 Danach ging Jesus an das andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt.

2 Eine große Menschenmenge folgte ihm, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.
3 Jesus stieg auf den Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder.
4 Das Pascha, das Fest der Juden, war nahe.
5 Als Jesus aufblickte und sah, dass so viele Menschen zu ihm kamen, fragte er Philippus: Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?
6 Das sagte er aber nur, um ihn auf die Probe zu stellen; denn er selbst wusste, was er tun wollte.
7 Philippus antwortete ihm: Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll.
8 Einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, sagte zu ihm:
9 Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele?
10 Jesus sagte: Lasst die Leute sich setzen! Es gab dort nämlich viel Gras. Da setzten sie sich; es waren etwa fünftausend Männer.
11 Dann nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, so viel sie wollten; ebenso machte er es mit den Fischen.
12 Als die Menge satt geworden war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brocken, damit nichts verdirbt!
13 Sie sammelten und füllten zwölf Körbe mit den Brocken, die von den fünf Gerstenbroten nach dem Essen übrig waren.
14 Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll.
15 Da erkannte Jesus, dass sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein.

Im Evangelium wird uns heute von der wunderbaren Brotvermehrung berichtet, wie sie Johannes schildert. Sie ist die Vorgeschichte der sogenannten Himmelsbrotrede, in der Jesus zutiefst eucharistische Dinge erklärt, was aber nicht jeder Zuhörer ertragen kann.
Jesus geht an das andere Ufer des Sees Gennesaret. Er zieht weiter nördlich, dorthin, wo die Menschen seine Botschaft annehmen. Zuvor war er nämlich in Jerusalem und hat ein Streitgespräch mit der religiösen Elite geführt. Oft zieht er nach solchen ablehnenden Situationen in Gegenden, wo er angenommen wird – vor allem nach Galiläa.
Er ist nun am See und viele Menschen folgen ihm dorthin wegen der Heilstaten, die er vor allem an den Kranken tut. Nun ist für Jesus wieder die Zeit für prophetische Zeichenhandlungen gekommen, weshalb er so kurz vor dem Paschafest auf einen Berg steigt und sich mit seinen Jüngern dort niederlässt. Da fragt man sich vielleicht, warum er ausgerechnet so einen Ort aufsucht. Schließlich müssen die vielen Menschen ihm folgen, die dort mit Beschwerden zu ihm kommen. Der springende Punkt ist: Jesus tut nie etwas ohne tieferen Sinn. Es gibt so viele Verheißungen des Messias und auch der Gabe der Torah vom Zion aus (statt vom Sinai). Es ist eine Verheißung, die mit dem Tempel zu tun hat. Und nun unterweist Jesus vom Berg aus die Menschen (er setzt sich, was die Geste des Lehrers bei der Unterweisung ist!). Wir erkennen auch eine typologische Verbindung zum Volk Israel am Sinai, das von Mose gelehrt wird. Die Anwesenden werden über diese Dinge nachgedacht haben und den Ort sowie das Verhalten Jesu viel signalhafter wahrgenommen haben als wir.
Das Lehren Jesu wie ein Rabbi erinnert auch an die Bergpredigt, die typologisch zur Unterweisung des Volkes durch Mose zu betrachten ist. Jesus ist die Personifikation der Torah und erfüllt dieses Wort. Jesus erfüllt noch mehr. Es heißt, dass er heilt. Die Menschen sehen dies und staunen, denn über den Messias heißt es, dass er diese Heilstaten tun wird.
Dann stellt Jesus irgendwann Philippus die Frage, woher sie genug Brot für die Anwesenden hernehmen sollen. Dies fragt er aber, um Philippus zu testen. Dieser rechnet den Preis für die Verpflegung aus und realisiert, dass es unmöglich sei. Andreas macht daraufhin auf den Proviant eines kleinen Jungen aufmerksam, der aber auch viel zu wenig für die Menschenmasse ist: fünf Gerstenbrote und zwei Fische.
Dann tut Jesus aber etwas Unerwartetes in der Wüste: Jesus bittet die Menge, sich hinzusetzen. Eigentlich steht da wörtlich das Verb ἀναπίπτω anapipto, was unter anderem die Bedeutung „sich zu Tisch legen“ aufweist und verwendet wird, wenn man sich zu Tisch begibt. In dem Kulturkreis lag man am Tisch, anstatt zu sitzen. Sich niederlegen in der Wüste auf einem Berg scheint absurd? Nicht für den Messias, der in seiner pädagogischen Feinfühligkeit den Juden zu verstehen geben will, dass sich nun ein weiteres Schriftwort erfüllt, nämlich Jesajas Schriftworte zum endzeitlichen Festmahl (z.B. Jes 25)! Jesus lädt zum Festmahl ein und bittet seine Gäste sozusagen „zu Tisch“. Hier ist die Endstation der Erfüllung noch nicht erreicht. Sie endet im Abendmahlssaal mit den zwölf Aposteln. Und doch werden die Menschen dafür schon vorbereitet, wenn Jesus neben den Fischen ausgerechnet Brot nimmt und dem Vater dafür dankt (die Danksagung heißt im Griechischen εὐχαριστία eucharistia!). Daraufhin lässt er die Jünger die übrigen Stücke wieder einsammeln. Bemerkenswert und wiederum ein göttliches Wunder ist, dass ganze zwölf Körbe voll von den Brotstücken übrig bleiben! Auch dies ist den Menschen ein Zeichen: Wenn Gott gibt, dann gibt er im Überfluss. Die Zahl Zwölf ist biblisch und immer eine Zahl der Fülle, Vollkommenheit und Vollständigkeit. Dies verdeutlicht das in dem Kontext stehende Verb ἐνεπλήσθησαν eneplesthesan „sie wurden gefüllt“. Die dort Anwesenden werden begriffen haben, dass die Verheißung der „fetten Speisen“ aus Jesaja sich nun vor ihren Augen erfüllt hat. Die frommen Juden werden vielleicht auch an das Manna in der Wüste gedacht haben. Dies erklärt auch, warum Jesus diese Speisung ausgerechnet in der Wüste vorgenommen hat. Auch damals war es zunächst eine Sättigung der Leiber und doch ging es damals schon darüber hinaus. Das alte Israel ist darauf vorbereitet worden, was nun mit Jesus geschah. Die Menschen mit ihm sind nicht nur körperlich, sondern auch im Glauben gesättigt worden – durch die Unterweisung, die Heilungen und die Speisung. Ein letzter Impuls, den dieses Evangelium gibt und den ich Ihnen heute besonders ans Herz legen möchte: In jeder Hl. Messe ist zunächst ein Wortgottesdienst vorgesehen, bei dem das Wort Gottes verkündigt wird. Es wird auch ausgelegt, die Menschen sozusagen unterwiesen. Und im Anschluss werden die Gaben bereitet und ein eucharistisches Festmahl gefeiert! Jesus bereitet im heutigen Evangelium auf das vor, was die Kirche nun sakramental nachempfindet!

Jesus hat mitten in der Finsternis der Wüste das Licht gebracht. Er hat Hoffnung in die Öde gebracht. Er hat gesättigt, wer erschöpft und hungrig ist. Jesus sättigt die ersten Christen der Apostelgeschichte durch die Eucharistie, wodurch sie die Kraft haben, bei den Anfeindungen und geistigen Anfechtungen standhaft zu bleiben und mutig für Christus einzustehen. Selbst gestärkt von der Eucharistie stehen die Apostel nun vor dem Hohen Rat, ebenfalls auf einem Berg, nämlich auf dem Zionsberg! Sie verkünden freimütig das Evangelium und unterweisen die religiöse Elite in Jerusalem. Sie tragen wirklich weiter, was Jesus begonnen hat – nun aber nicht mehr in der Wüste als Landschaft, sondern in der Wüste der mangelnden Erkenntnis der Hohepriester, Pharisäer und Schriftgelehrten!

Unterschätzen auch wir nicht die Kraft, die uns der Herr durch die Eucharistie und das Wort Gottes schenkt. Diese ist nicht dafür da, dass wir sie für uns selbst genießen, sondern sie strebt immer über uns hinaus zur Hingabe und zum Dienst am Nächsten.

Ihre Magstrauss

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