Freitag der 6. Osterwoche

Apg 18,9-18; Ps 47,2-3.4-5.6-7; Joh 16,20-23a

Apg 18
9 Der Herr aber sagte nachts in einer Vision zu Paulus: Fürchte dich nicht! Rede nur, schweige nicht!
10 Denn ich bin mit dir, niemand wird dir etwas antun. Viel Volk nämlich gehört mir in dieser Stadt.
11 So blieb Paulus ein Jahr und sechs Monate und lehrte bei ihnen das Wort Gottes.
12 Als aber Gallio Prokonsul von Achaia war, traten die Juden einmütig gegen Paulus auf, brachten ihn vor den Richterstuhl
13 und sagten: Dieser verführt die Menschen zu einer Gottesverehrung, die gegen das Gesetz verstößt.

14 Als Paulus etwas erwidern wollte, sagte Gallio zu den Juden: Läge hier ein Vergehen oder Verbrechen vor, ihr Juden, so würde ich eure Klage ordnungsgemäß behandeln.
15 Streitet ihr jedoch über Lehre und Namen und euer Gesetz, dann seht selber zu! Darüber will ich nicht Richter sein.
16 Und er wies sie vom Richterstuhl weg.
17 Da ergriffen alle den Synagogenvorsteher Sosthenes und verprügelten ihn vor dem Richterstuhl. Gallio aber kümmerte sich nicht darum.
18 Paulus blieb noch längere Zeit. Dann verabschiedete er sich von den Brüdern und segelte zusammen mit Priscilla und Aquila nach Syrien ab. In Kenchreä hatte er sich aufgrund eines Gelübdes den Kopf kahl scheren lassen.

Heute setzen wir die Bahnlesung der Apostelgeschichte sowie die der Abschiedsreden fort.
Zuletzt wurde uns von Paulus‘ Areopagrede in Athen berichtet und es endete damit, dass er nach Korinth ging. Im weiteren Verlauf lernte er das jüdische Ehepaar Aquila und Priscilla kennen, das durch das Claudius-Edikt von 49 n.Chr. aus Rom verbannt worden ist. Sie teilen mit Paulus denselben Beruf der Zeltmacherei und arbeiteten mit ihm, bis seine Gefährten aus Mazedonien nachgereist kamen. Auch in Korinth gab es Anfeindungen durch die ansässigen Juden, weshalb er zu den Heiden ging. Dennoch ist es sehr bemerkenswert, dass ausgerechnet der Synagogenvorsteher sich mit seinem Haus zum Christentum bekehrt hat.
Heute beginnt es damit, dass Gott ihm in nächtlicher Vision seinen Beistand zusagt. Es wird ihm noch einiges zustoßen und doch möchte ihm der Herr versichern, dass alles gut wird. Er spricht ihm diese Worte auch deshalb zu, weil er in Korinth so viele Widerstände erfahren hat. Gott nimmt uns meistens nicht das Leid in unserem Leben. Was er aber voller Bereitschaft tut, ist uns die Kraft zu geben, das Leiden anzunehmen und es zu tragen. Er sichert auch uns immer wieder die Bereitschaft zu, uns beizustehen. Gott gibt Paulus auch zu verstehen, dass seine Verkündigung Gottes Willen entspricht und keiner Paulus etwas antun wird.
Er sagt Paulus in dem Kontext auch, dass in der Stadt viele ihm gehören. Das heißt nicht, dass nur auserwählte Menschen Gott gehören und der Rest nicht. Im Griechischen heißt es διότι λαός ἐστίν μοι πολὺς ἐν τῇ πόλει ταύτῃ dioti laos estin moi polys en te polei taute – in dieser Stadt ist dem Herrn viel Volk. Laos ist der Begriff für das auserwählte Volk Israel, nun aber angewandt auf das neue Volk Gottes, das ihm gehört. Er kündigt Paulus also an, dass eine große Gemeinde in der Stadt entstehen wird.
Nach eineinhalb Jahren wendet sich das Blatt, denn als Gallio Prokonsul wird, klagen die korinther Juden Paulus bei ihm an. Der Vorwurf lautet „Gottesverehrung, die gegen das Gesetz verstößt. Das Stichwort νόμος nomos zeigt uns, dass es die Torah meint. Die Juden haben ein religiöses Problem mit Paulus. Doch Gallio reagiert unbeeindruckt, denn es liegt außerhalb seines Aufgabenbereichs. Für religiöse Angelegenheiten haben die Juden ihre eigene Torah. Er selbst kümmert sich um Verbrechen und römische Gesetzesbrüche. So weist er die Ankläger ab und Paulus bleibt unbeschadet. Doch aus Wut und Frust ergreifen die Juden Sosthenes, der für sie als Hochverräter gelten muss. Ausgerechnet er als Synagogenvorsteher hat sich ja mit seinem Haus zum Christentum bekehrt. So prügeln sie vor Gallio auf ihn ein, doch den Prokonsul lässt es kalt. Er sagte, dass er „echte“ Verbrechen ordnungsgemäß fahnde. Angesichts der Gewalt, die sich vor seinen Augen abspielt und gegen die er nichts unternimmt, scheint dies nicht ganz zu stimmen.
Paulus verlässt die Stadt nicht sofort, sondern bleibt noch ein wenig bei den korinther Christen, bevor er sich mit Aquila und Priscilla auf den Weg nach Syrien begibt.
Zum Schluss wird noch von einem Gelübde berichtet, bei dem er sich die Haare schert. Zumeist wird angenommen, dass damit das Nasiräergelübde gemeint ist, das dann in Kenchreä durch das Scheren der Haare beendet wird. Vielleicht wollte sich Paulus dadurch unter den besonderen Schutz Gottes stellen und auch den judäischen Gegnern bei der Durchreise über Jerusalem seine Gesetzestreue beweisen (man musste bei einem Nasiräat auch nach Jerusalem reisen). Dies ist aber nicht ganz sicher und dann hätte Paulus auch am Herrenmahl das Blut Christi nicht empfangen können (Nasiräer dürfen keinen Wein trinken). Welches Gelübde auch gemeint sei: Paulus handelt nie nach eigenem Gutdünken und auch nicht aus eigener Kraft. Er tut alles mit der Gnade Gottes. Vielleicht hat er das Gelübde auch abgelegt aus Dank für den Schutz und Beistand des Herrn während seiner Zeit in Korinth.

Ps 47
2 Ihr Völker alle, klatscht in die Hände; jauchzt Gott zu mit lautem Jubel!
3 Denn Furcht gebietend ist der HERR, der Höchste, ein großer König über die ganze Erde.
4 Er unterwerfe uns Völker und zwinge Nationen unter unsere Füße.
5 Er erwähle für uns unser Erbland, den Stolz Jakobs, den er lieb hat.
6 Gott stieg empor unter Jubel, der HERR beim Schall der Hörner.
7 Singt unserm Gott, ja singt ihm! Singt unserm König, singt ihm!

Der Missionsabschnitt in Korinth ist sehr erfolgreich gewesen. Eine große Gemeinde ist daraus entstanden und Paulus ist unbeschadet wieder von dort abgereist. Dies ist für uns Anlass zum Lobpreis im Psalm.
Gott ist furchtgebietend. Das ist nicht dasselbe wie angsteinflößend. Es meint, dass sein Wirken in uns nur eine Reaktion von Ehrfurcht hervorrufen kann. Auch seine Erscheinung ist furchteinflößend, auch wenn wir ihn unverhüllt gar nicht sehen können, ohne zu sterben. Seine Manifestationen wie die Wolke oder der Rauch sind schon furchteinflößend, sodass zum Beispiel bei der Verklärung die drei anwesenden Jünger es mit der Angst zu tun bekommen, als sie von der Wolke Gottes umhüllt werden. Erst recht werden alle Menschen überwältigt werden, wenn Jesus am Jüngsten Tag mit dieser göttlichen Herrlichkeit wiederkehren wird…
Die Unterwerfung von Völkern und das Zwingen unter die Füße seiner Auserwählten ist zuvor wörtlich verstanden worden. Mit militärischer Gewalt und politischen Mitteln sind diese Dinge im Alten Israel umgesetzt worden. Sie sind nun aber viel mehr geistlich zu verstehen: Es geht um die Gewinnung von Christen für das Volk Gottes des Neuen Bundes. Dies soll nicht durch Gewalt geschehen, sondern durch Überzeugung. Es soll genauso wenig eine tyrannische Herrschaft sein wie der Herrschaftsauftrag der ersten Schöpfung. Dort meint die „Unterwerfung der Erde“ unter das erste Menschenpaar die Sorge um die ihnen anvertraute Schöpfung. Nun sind es die Apostel, die ersten Menschen der neuen Schöpfung nach dem Erstgeborenen Christus, die in liebender Fürsorge die neue Schöpfung versorgen sollen.
Auch das Erbland ist nicht mehr irdisch zu verstehen, sondern bezieht sich auf das Reich Gottes. In dieses gehen jene ein, die im Heiligen Geist neugeboren sind. Im Gegensatz zum irdischen Erbland ist genug Platz für jeden und kein bisher dort lebendes Land muss dem auserwählten Volk weichen.
„Gott stieg empor unter Jubel, der HERR beim Schall der Hörner.“ Dies haben wir gestern mit Christus verknüpft, der in den Himmel aufgestiegen ist. Hörner und Jubel sind vielleicht nicht von den Jüngern betätigt worden, dafür aber können wir uns vorstellen, von welcher Freudenmusik begleitet der Menschensohn in die himmlische Heimat zurückgekehrt ist, aufgenommen in das Herz des Vaters!
„Singt unserm Gott, ja singt ihm! Singt unserm König, singt ihm!“ Auch hier wie in Vers 2 erklingt ein Lobpreisaufruf dessen, der der Allherrscher ist.
Psalm 47 beinhaltet Thronbesteigungsmotive, Elemente für die Krönungsfeier eines Herrschers. Mithilfe von Bildern des irdischen Königszeremoniells wird die kommende Herrschaft Gottes ausgedrückt. Diese Herrschaft verkünden ja die Apostel. Christus, so haben wir ja schon gestern bedacht, ist bei seiner Himmelfahrt wie bei einem Triumphzug der römischen Kaiser zurück in die Ewigkeit gekommen, als siegreicher Messias, der die Welt erlöst hat. Er wird begrüßt von den himmlischen Heerscharen und besteigt den Thron zur Rechten des Vaters. So können wir gut nachvollziehen, was Stephanus vor seinem Tod schauen durfte (Apg 7,56) und auch was Paulus meint, wenn er im Philipperhymnus betet: „Darum hat ihn Gott über alle anderen erhöht.“ (Phil 2,9).

Joh 16
20 Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, aber eure Trauer wird sich in Freude verwandeln.
21 Wenn die Frau gebären soll, hat sie Trauer, weil ihre Stunde gekommen ist; aber wenn sie das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an ihre Not über der Freude, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.
22 So habt auch ihr jetzt Trauer, aber ich werde euch wiedersehen; dann wird euer Herz sich freuen und niemand nimmt euch eure Freude.
23 An jenem Tag werdet ihr mich nichts mehr fragen.

Im Evangelium hören wir einen weiteren Ausschnitt aus der dritten Abschiedsrede. Jesus macht weitere Andeutungen, dass die Apostel es um seines Namens willen schwer haben werden. Sie werden „weinen und klagen“. Hier werden eindeutig die schlimmen Christenverfolgungen angedeutet, die bis heute andauern. Wenn die Welt ihn schon gehasst hat, wird es seinen Jüngern nicht anders ergehen. In dieser Hinsicht ist auch zu verstehen, warum die Welt sich freuen wird: Dabei handelt es sich nämlich um die Schadenfreude. Diese ist aber nur von kurzer Dauer, denn die Trauer der Jünger wird sich in Freude umwandeln. Dies wird spätestens mit der Ewigkeit passieren, wo die Freude eine Frucht des Heiligen Geistes ist und den anhaltenden Zustand darstellen wird.
Diese Worte spricht Jesus kurz vor seinem Tod. Das bedeutet, dass die Trauer der Apostel zuallererst mit seinem Tod zu tun haben wird. Sie werden unter Schock stehen und traurig sein über Jesu Tod. Die Trauer wird nicht einmal 48 Stunden andauern und sich dann am Ostermorgen in Freude verwandeln. Die Schadenfreude der Welt (damit ist bei Johannes ja immer die gefallene Schöpfung gemeint) bezieht sich in dieser Lesart vor allem auf den Hohen Rat Jerusalems, der scheinbar triumphiert. Auch moralisch können wir diesen Vers verstehen, denn der Böse tut alles daran, uns von Gott wegzuziehen. Er ist es, der sich freut, wenn wir sündigen. Er redet uns dann ein, dass nichts mehr zu retten ist. Er will uns einreden, dass wir nach dem Fall liegenbleiben sollen. Seine Schadenfreude ist nur von kurzer Dauer (er ist schadenfroh, weil er uns von dem wegzieht, was ihm selbst weggenommen worden ist – das Himmelreich). Aber er hat die Rechnung ohne Gott gemacht, der uns im Sakrament der Versöhnung die Sünden vergeben und uns in den Stand der Gnade zurückversetzen kann! So wird unsere Trauer über unsere Sündhaftigkeit in Freude über die Versöhnung mit Gott umgewandelt.
Insbesondere die eschatologische Lesart wird uns durch den nächsten Vers verdeutlicht (also die Perspektive auf die Ewigkeit hin), aber auch die ekklesiologische (auf die Kirche bezogen). Dort vergleicht Jesus die vorübergehende Trauer mit dem Prozess einer Geburt, der sehr schmerzhaft ist, aber das Ergebnis reine Freude bereitet. Wenn nach den Geburtswehen das Kind dann da ist, vergisst die Frau voller Freude, was sie durchgemacht hat. So ist es mit der Ewigkeit und deshalb greift Paulus dieses Bild dann später wieder auf: Die ganze Welt liegt in Wehen und je näher sie der (geistlichen) Geburt der neuen Schöpfung entgegen geht, desto akuter wird es. Dies wird durch die zunehmenden Christenverfolgungen spürbar, aber auch durch immer deutlichere Zeichen der Endzeit politischer und kosmologischer Natur. Wenn die neue Schöpfung aber dann vollzogen ist durch die Schaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, wird nur noch die Freude des Himmels herrschen.
Aber auch in ekklesiologischer Perspektive ist es so zu verstehen, wie uns die Berichte der Apostelgeschichte besonders zeigen: Die Missionare müssen viel durchmachen, werden gesteinigt, ins Gefängnis gesteckt, vor die Gerichte gebracht, verunglimpft und immer wieder verspottet, doch all dies ist es wert, wenn sich dafür die Menschen zu Christus bekehren.
Jesus wird seine Apostel wiedersehen – das ist wie gesagt auf seine Auferstehung zu beziehen, ebenso auf das Ende der Zeiten. Gestern feierten wir Christi Himmelfahrt. Es ist ein Abschied auf Zeit, denn er wird wiederkommen als verherrlichter Menschensohn am Jüngsten Tag.
Und die Freude, die die Apostel sowie alle bis dahin standhaft gebliebenen Menschen erfüllen wird, kann ihnen keiner nehmen. Dies gilt vor allem jenen Christen, die um ihres Glaubens willen viel erleiden müssen und sogar ihr Leben geben. Die Freude der Märtyrer kann ihnen keiner nehmen, am wenigsten ihre Verfolger.
Und dann werden die Apostel Jesus nichts mehr fragen. Warum sagt er das? Wenn der Mensch vor Gott steht, wird er alles sehen und erkennen. Er wird alles begreifen und so bleiben keine Fragen mehr offen. Das gilt auch uns: Noch haben wir viele Fragen, weil wir die Entwicklungen nicht verstehen, unser Leben nicht im Überblick vor uns haben und das Geheimnis Gottes nicht erfassen können. Doch wenn wir sterben und vor ihn treten, werden wir ihn sehen, wie er ist. Und in der Schau Gottes werden wir auch unser Leben sehen, wie es ist – mit all dem, was uns bis dahin unklar war. Das wird viel Schmerz verursachen, weil wir uns unserer Sünde schmerzlich bewusst werden, ebenso der vielen verpassten Chancen, Gottes unendliche Liebe zu erwidern.

Ihre Magstrauss

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