10. Sonntag im Jahreskreis (B)

Gen 3,9-15; Ps 130,1-2.3-4.5-6b.6c-7au. 8; 2 Kor 4,13 – 5,1; Mk 3,20-35

Gen 3
9 Aber Gott, der HERR, rief nach dem Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du?
10 Er antwortete: Ich habe deine Schritte gehört im Garten; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.
11 Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen?
12 Der Mensch antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen.
13 Gott, der HERR, sprach zu der Frau: Was hast du getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt. So habe ich gegessen.
14 Da sprach Gott, der HERR, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch wirst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens.
15 Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse.

In der ersten Lesung wird uns berichtet von der Konfrontation Gottes mit dem Menschenpaar, das gesündigt hat. Er weist ihnen in diesem Gespräch die Tragweite ihrer Tat auf.
Der heutige Abschnitt beginnt mit Gottes Frage „Wo bist du?“ Er fragt den Menschen, was „Adam“ wörtlich heißt. Der Literalsinn ist an dieser Stelle das Rufen Gottes nach Adam, nachdem dieser gesündigt und sich versteckt hat. Auch Jesus ruft die Menschen später zu sich v.a. ruft er nach den Sündern – er ruft Matthäus/Levi, er ruft Zachäus, er ruft aber auch seine Apostel, ihm nachzufolgen. Gott ist immer im Dialog mit seinen Geschöpfen und ruft umso lauter, je mehr sie sich von ihm entfernen. So ruft auch die Kirche in der Nachfolge Christi, der seinen Jüngern auftrug, in die ganze Welt hinauszugehen, das Evangelium zu verkünden und alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen. Die Kirche ruft die Menschen zur Umkehr, auch wenn sie sich dadurch unbeliebt macht (so wie Johannes der Täufer). Gott ruft auch jeden einzelnen Menschen – zur Umkehr und in seine Nachfolge (in Berufung steckt der Ruf). Wenn wir gegen Gottes Gebote gehandelt haben, kriegen wir ein schlechtes Gewissen. Das ist der Ruf Gottes in unserer Seele. Gott ruft uns auch zum heiligen Berg, zum himmlischen Jerusalem am Ende der Zeiten. Dann werden die Engel ihm zur Seite stehen und mit Posaunen Gottes Ruf unterstützen. Dann wird uns Gott auch fragen, wo wir stehen – auf seiner Seite oder nicht.
Warum aber versteckt sich das Menschenpaar? Es hat Angst – und das ist etwas Neues, das Gott so nicht geschaffen hat. Die Angst ist eine Folge der Sünde. Ein Weiteres hängt damit zusammen und ist ebenfalls Folge der Sünde – die Scham. Das Menschenpaar erkennt mit dem Sündenfall ihre Nacktheit und will nicht, dass Gott es so sieht. Das bezieht sich nicht nur auf die körperliche Nacktheit, sondern auf die gesamte menschliche Existenz. Der Mensch fühlt sich in Gottes Angesicht nun nicht mehr geborgen, weil er ihn ganz sieht, sondern er fühlt sich ausgeliefert, dadurch dass Gott in sein Innerstes sehen kann. Er hat jetzt einen Bereich im Leben, den er Gott nicht zeigen will. Gott fragt Adam, ob er von dem Baum gegessen habe. Diese Frage ist für ihn eigentlich überflüssig, da er allwissend ist und die Antwort bereits kennt. Er fragt aber wegen des Menschen. Dieser soll bekennen und erhält die Chance, Reue zu zeigen! Doch was macht Adam? Er redet sich heraus und macht die Frau dafür verantwortlich („die FRAU, die du mir beigesellt hast“). Es ist noch schlimmer, als wir auf den ersten Blick sehen: Er macht sogar Gott verantwortlich („die Frau, die DU mir beigesellt hast“). Adam gesteht seine eigene Schuld nicht ein, die er ja hat. Schließlich hatte Gott beide Menschen mit einem freien Willen ausgestattet und beide hätten ablehnen können von ihrer Disposition her. Auch die Frau erhält eine Frage von Gott, auf die er ja bereits die Antwort kennt „was hast du getan“. Dies ist auch typisch für Jesus: Er fragt die Menschen, obwohl er deren Antwort bereits kennt. Z.B. fragt er den Blinden „was willst du, dass ich dir tue?“ Er tut es um des Befragten willen. Der Blinde soll von sich aus, also freiwillig und mit eigenen Worten aussprechen, was er sich wünscht. Die Kirche tut dies in Christi Vollmacht, die er den Aposteln übertragen hat („Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben“ etc.). Dies geschieht im Sakrament der Beichte. Der Priester fragt vielleicht nicht so direkt, aber erwartet die Antwort durch den Beichtenden in dessen Bekenntnis. Denn eigentlich fragt der Priester stellvertretend für die ganze Kirche, mit der sich dann der Beichtende am Ende versöhnt (also nicht nur mit Gott!). Der Herr gibt uns auf diese Weise die Chance, umzukehren. Wie oft nutzen wir das aber nicht…wir sehen die leeren Beichtstühle, falls es sie überhaupt noch gibt. Umso tröstlicher, dass an anderen Orten die Beichtstühle übervoll sind und Menschen umkehren! Gott fragt uns „was hast du getan“ auch durch unser Gewissen. Stellen wir uns nicht manchmal selbst die Frage „was habe ich nur getan?“. Eigentlich ist es Gott in uns, der das zur Sprache bringt, damit wir uns selbst anklagen und bereuen mit der Absicht, es nicht wieder zu tun. Bei uns Menschen bleibt der Gewissensruf oft unerhört oder wird dadurch erstickt, dass wir uns die Schuld nicht eingestehen, sie anderen in die Schuhe schieben und ganz besonders auch dadurch, dass wir es Gott in die Schuhe schieben. Wie schnell machen wir ihn dafür verantwortlich, wenn in unserem Leben etwas nicht gut läuft. Wir hadern ganz schnell mit dem, der die Quelle unseres Lebens ist. Schließlich wird uns Gott am Ende fragen „was hast du getan“, wenn wir nach unserem Tod vor ihm stehen. Dann werden wir im Feuer seiner Liebe unser eigenes Verschulden sehen und es wird uns so sehr schmerzen, wie nichts Anderes. Dann werden wir uns eben nicht mehr herausreden können, weil wir uns nicht mehr verstecken können.
Das Motiv des Essens vom Baum ist heilsgeschichtlich gesehen unendlich wichtig und wir müssen es unbedingt im Hinterkopf behalten. Denn der Baum wird antitypisch erfüllt, ebenso wie Adam und Eva. Die Kirchenväter werden eine typologische Brücke zum Holz des Kreuzes ziehen, an dem Jesus, der neue Adam gestorben ist. Sie erkennen im Baum des Kreuzes den Baum des ewigen Lebens.
Es ist bemerkenswert, wie die Schlange bestraft wird. Den Worten Gottes nach müssen wir davon ausgehen, dass sie ursprünglich Gliedmaßen besaß und kein Kriechtier war. Die selige Anna Katharina Emmerick hat in ihren Visionen die Schlange als intelligentes Tier auf zwei Beinen gesehen, das Eva überall hin begleitet hat.
Mit dem Sündenfall tritt zwischen der Frau und der Schlange eine Feindschaft in Kraft, die Gott hier nun verkündet. Diese wird sich fortsetzen mit dem Nachkommen der Frau. Was Gott hier verkündet, ist der ewige Kampf, in dem sich die gesamte Menschheit, ja die gesamte Schöpfung befindet, bis der neue Himmel und die neue Erde ins Dasein gerufen werden. Diese Feindschaft wird sich aber auch zunächst historisch zeigen, in dem das auserwählte Volk ständig im Kampf gegen andere Völker sein wird. Das heißt natürlich nicht, dass die anderen Völker vom Teufel sind, aber dass dieser im Hintergrund seine Fäden zieht und der Kern aller Kämpfe der Welt ein geistiger ist. So hetzt er Menschen gegeneinander auf, Familienmitglieder gegeneinander auf (so wird auch Jesus später verkünden) und so hetzt er auch Menschen im neuen Bund gegeneinander auf. Jesu gesamte Verkündigung und seine messianische Identität betonen diese geistige Realität. Die Menschen haben das mehrheitlich nicht verstanden und einen Messias als politischen Freiheitskämpfer erwartet. Auch heute schimpfen wir und klagen wir über die Nöte unserer Welt und vergessen dabei manchmal, dass das eigentliche Problem ein geistiges ist. Hier in Gen 3 ist trotz dieser weiterreichenden Dimensionen ganz spezifisch die Feindschaft der Frau und der Schlange sowie ihres Nachkommens mit der Schlange die Rede. Das ist kein Zufall. Von Anfang an hat die Kirche damit eine typologische Brücke zu Jesus und Maria geschlagen, die zu Erzfeinden des Teufels werden. Dann ist Maria der Antitypos der Frau, die hier zum Feind der Schlange wird – dem Teufel. Nicht umsonst wird Jesaja in seiner Friedensvision sehen, wie ein kleines Kind mit einer Schlange spielen wird.

Ps 130
1 Ein Wallfahrtslied. Aus den Tiefen rufe ich, HERR, zu dir:

2 Mein Herr, höre doch meine Stimme! Lass deine Ohren achten auf mein Flehen um Gnade.
3 Würdest du, HERR, die Sünden beachten, mein Herr, wer könnte bestehn?
4 Doch bei dir ist Vergebung, damit man in Ehrfurcht dir dient.
5 Ich hoffe auf den HERRN, es hofft meine Seele, ich warte auf sein Wort.
6 Meine Seele wartet auf meinen Herrn mehr als Wächter auf den Morgen, ja, mehr als Wächter auf den Morgen.
7 Israel, warte auf den HERRN, denn beim HERRN ist die Huld, bei ihm ist Erlösung in Fülle.
8 Ja, er wird Israel erlösen aus all seinen Sünden.

Wir beten als Antwort auf die Lesung einen Bittpsalm, der zu Wallfahrten nach Jerusalem gebetet worden ist. Wir beten diesen Psalm heutzutage unter anderem bei Beerdigungen, also wenn es um den Tod geht. Und auch für uns ist er stets angemessen, die wir tagtäglich Gefahren des moralischen Todes ausgesetzt sind wie Adam und Eva.
„Aus den Tiefen rufe ich, HERR, zu dir“ entspricht der Tiefe des Falls in moralischer Hinsicht, also wenn wir gesündigt haben. Es bezieht sich auf die gesamte Menschheit nach dem Sündenfall, die in die Tiefe gerissen worden ist und nun eine gefallene Schöpfung darstellt. Es bezieht sich auf die Menschheit, die nach Erlösung schreit und die Jesus dann gebracht hat. Aus der Tiefe rufen auch wir Menschen nach der Erlösungstat Christi, die weiterhin sündigen und die im Namen Jesu vieles erleiden müssen und das Ende der Zeiten ersehnen.
„Mein Herr, höre doch meine Stimme! Lass dein Ohren achten auf mein Flehen um Gnade.“ Gott hat natürlich keine Ohren, aber es ist bildhaft gemeint für Gottes Gehör. Nichts verklingt vor Gott unerhört. Er hilft allen Menschen aus ihrer Not, aber auf seine Weise und in seinem Timing.
„Würdest du, HERR, die Sünden beachten, mein Herr, wer könnte bestehn?“ – bringt es auf den Punkt. Kein Mensch hätte in den Himmel kommen können, wenn Jesus nicht alle Sünden der Welt auf sich genommen hätte. Wäre es ein reiner Kausalzusammenhang ohne diese barmherzige Intervention Gottes, wären alle Menschen ewig von Gott abgeschnitten gewesen. So ist es bei Gott aber nicht, sondern von Anfang an wollte er uns erlösen, weil sein Plan mit uns ist, dass wir alle gerettet werden. Er hat dafür alles vorbereitet, uns alles auf einem edlen Tablett serviert – nun liegt es an uns, die Erlösung, die Barmherzigkeit, die Vergebung Gottes anzunehmen und aufzustehen von unserem Fall.
„Doch bei dir ist Vergebung, damit man in Ehrfurcht dir dient“ – beschreibt den Grund unserer Erlösung: Wir sollen alle die Chance auf den Himmel haben, wo wir in ewiger Ehrfurcht Gott dienen. Aber auch jetzt schon in unserem irdischen Dasein vergibt uns Gott durch das Sakrament der Versöhnung immer wieder unsere Schuld, damit wir ihm mit versöhntem Herzen dienen können und er uns mit seinen Gnaden beschenken kann.
„Ich hoffe auf den HERRN, es hofft meine Seele, ich warte auf sein Wort.“ Es ist total messianisch zu lesen: Die Menschen, die sich auf den Weg nach Jerusalem zu den Wallfahrtsfesten im jüdischen Festkalender machen, sind zugleich in einer umfassenden Notsituation, denn sie warten auf den Messias, der sie aus ihrer jeweiligen Fremdherrschaft und politischen Spannung herausholt. Vor allem ist es zurzeit Ezechiels akut, als das Volk Israel in babylonischer Gefangenschaft ist und der erste Tempel ja zerstört ist. So warten die Juden auf den Messias, der dann aber ganz anders kam und ganz anders erlöste, als sie es erwartet haben. Jesus ist das fleischgewordene Wort Gottes, auf das der Psalmenbeter heute wartet. Auch wir warten auf den Messias, allerdings auf seine Wiederkehr am Ende der Zeiten.
Wir warten wie das Volk Israel dabei mehr als die Wächter auf den Morgen. Es ist ein schönes Bild, denn mit dem Morgen geht die Sonne auf und Christus ist die Sonne der Gerechtigkeit. Es ist auch kein Zufall, dass der Herr im Morgengrauen auferstanden ist – zusammen mit der Sonne. Aber nicht nur der Herr wird in diesem Bild umschrieben, sondern auch seine Mutter. Sie ist der Morgenstern, der die aufgehende Sonne ankündigt!
Israel soll geduldig sein und warten, denn die Erlösung kommt. Ja, das Warten hat mit dem Kommen Christi ein Ende gehabt und der Welt ist wirklich die Erlösung in Fülle geschenkt worden – sie reicht bis in unsere heutige Zeit hinein und wird auch für die kommenden Generationen gelten!
Das Warten auf Gott zahlt sich immer aus. Die Geduld und die Standhaftigkeit bis dahin wird Gott sehen, er wird auch unser Rufen hören und so werden wir am Ende für das Warten überreich entschädigt. Gott wird uns in seine Arme schließen, sodass wir auf ewig mit ihm sein werden.

2 Kor 4
13 Doch haben wir den gleichen Geist des Glaubens, von dem es in der Schrift heißt: Ich habe geglaubt, darum habe ich geredet. Auch wir glauben und darum reden wir.

14 Denn wir wissen, dass der, welcher Jesus, den Herrn, auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und uns zusammen mit euch vor sich stellen wird.
15 Alles tun wir euretwegen, damit immer mehr Menschen aufgrund der überreich gewordenen Gnade den Dank vervielfachen zur Verherrlichung Gottes.
16 Darum werden wir nicht müde; wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert.
17 Denn die kleine Last unserer gegenwärtigen Not schafft uns in maßlosem Übermaß ein ewiges Gewicht an Herrlichkeit,
18 uns, die wir nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare blicken; denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare ist ewig.
1 Wir wissen: Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, dann haben wir eine Wohnung von Gott, ein nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im Himmel.

In der zweiten Lesung hören wir einen Abschnitt aus dem zweiten Korintherbrief. In dem vierten Kapitel thematisiert Paulus seine Anteilhabe am Leiden Christi, das ihm von seiner Berufung als Apostel her ereilt. In den Versen zuvor sagt er, dass er den ihm anvertrauten Schatz in zerbrechlichen Gefäßen trägt. Er ist ein schwacher Mensch, doch Gottes Gnade befähigt ihn, die große Berufung als Apostel umsetzen zu können.
Die Apostel sind erfüllt vom selben Geist wie Christus, von dem erfüllt er z.B. in seiner Heimat aus dem Buch Jesaja vorträgt und auslegt. Es ist derselbe Geist, den Christus den Aposteln angekündigt hat, von dem erfüllt die Apostel verkünden sollen und vor Gericht aussagen werden. Es ist der Geist des Glaubens, weil er dem Menschen in der Taufe (und in der Firmung, früher wurde beides als ein Sakrament betrachtet) voll eingegossen wird. Die Taufe ist wiederum Ausdruck des zum Glauben gekommenen Menschen.
Paulus beschreibt, dass die Apostel sowie alle Gläubigen sich vor Gott rechtfertigen müssen, wenn sie sterben. Zugleich formuliert er den Auferstehungsglauben: So wie Christus von den Toten auferweckt worden ist, werden die Getauften von den Toten auferstehen. Sie gehören ja der neuen Schöpfung an.
Alles, was die Apostel auf sich nehmen, tun sie um der Verherrlichung Gottes und der Vermehrung der Gnade bei allen Menschen willen. Sie nehmen dafür auch in Kauf, äußerlich aufgerieben zu werden, denn sie wissen, wofür sie das tun. Zugleich werden sie innerlich immer wieder erneuert. Sie sehen die wahren Verhältnisse und ordnen ihr gegenwärtiges und kurzweiliges Leiden dem ewigen Heil unter. Sie richten ihren Blick auf das ewige Leben, nicht nur auf das Sichtbare. Diese Perspektive dürfen wir als Erlöste einnehmen. Wir dürfen auf unsere wahre himmlische Heimat schauen und uns schon darauf freuen, dort hinzukommen, wenn wir in diesem Leben standhaft geblieben sind. Dieses irdische Dasein ist nur vorübergehend. Paulus verdeutlicht es durch das Bild des Zeltes. Ein Zelt ist schnell auf- und abgebaut. Was dagegen im Himmel auf uns wartet, ist das ewige Haus. Das sind alles keine Jenseitsvertröstungen. Vielmehr geht es Paulus darum, ausgehend von diesem eschatologischen Blick richtig auf das Jetzt zu schauen. So wird die irdische Not und Ungerechtigkeit ertragbar. So verstehen wir, was hier geschieht. Was änderbar ist, ist natürlich zu ändern. Was aber nicht änderbar ist, soll uns nicht in Verzweiflung und Hadern bringen.

Mk 3
20 Jesus ging in ein Haus und wieder kamen so viele Menschen zusammen, dass sie nicht einmal mehr essen konnten.

21 Als seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen.
22 Die Schriftgelehrten, die von Jerusalem herabgekommen waren, sagten: Er ist von Beelzebul besessen; mit Hilfe des Herrschers der Dämonen treibt er die Dämonen aus.

23 Da rief er sie zu sich und belehrte sie in Gleichnissen: Wie kann der Satan den Satan austreiben?
24 Wenn ein Reich in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben.
25 Wenn eine Familie in sich gespalten ist, kann sie keinen Bestand haben.
26 Und wenn sich der Satan gegen sich selbst erhebt und gespalten ist, kann er keinen Bestand haben, sondern es ist um ihn geschehen.
27 Es kann aber auch keiner in das Haus des Starken eindringen und ihm den Hausrat rauben, wenn er nicht zuerst den Starken fesselt; erst dann kann er sein Haus plündern.
28 Amen, ich sage euch: Alle Vergehen und Lästerungen werden den Menschen vergeben werden, so viel sie auch lästern mögen;
29 wer aber den Heiligen Geist lästert, der findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern seine Sünde wird ewig an ihm haften.
30 Sie hatten nämlich gesagt: Er hat einen unreinen Geist.
31 Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blieben draußen stehen und ließen ihn herausrufen.

32 Es saßen viele Leute um ihn herum und man sagte zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich.
33 Er erwiderte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?
34 Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder.
35 Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.

Heute hören wir etwas sehr Wichtiges im Evangelium. Jesus tut viele Heilstaten und aus dem ganzen Land reisen die Menschen zu ihm. Durch seine Taten wird er überall als Messias erkannt/erahnt. Doch das gilt nicht für alle Menschen. Als erstes wird uns eine kurze Episode von seinen Verwandten berichtet, die seine Messianität nicht erkennen und ihn für verrückt halten. Sie wollen ihn aus einem Haus holen, in dem er mit vielen Menschen versammelt ist. Es greift wirklich der Grundsatz, den Jesus an anderer Stelle explizit formuliert: Ein Prophet wird in seiner eigenen Heimat nicht anerkannt.
Auch die Schriftgelehrten aus Jerusalem, diejenigen, die die Hl. Schrift am besten kennen sollten, die die ganzen Anspielungen Jesu an die Verheißungen des AT am ehesten erkennen sollten, verstehen ihn nicht. Es ist noch schlimmer – sie unterstellen Jesus okkulte Kräfte. Sie, die die Geistbegabung beispielsweise eines König David am detailliertesten erklären können, sehen die offensichtliche antitypische Entsprechung zu Christus nicht. Stattdessen begehen sie die Sünde gegen den Hl. Geist. Sie verteufeln die Macht Gottes. Jesus treibe mithilfe okkulter Kräfte Dämonen aus. Warum sagen sie so etwas Unlogisches, das sie doch selbst nicht glauben können? Vielleicht aus Missgunst, denn Jesus treibt auch stumme Dämonen aus (davon lesen wir vor allem in anderen Evangelien) und diese kann laut jüdischer Tradition nur der Messias austreiben. Alle anderen Dämonen werden ansonsten auch von den Pharisäern exorziert. Die Stummheit eines Dämons ist insofern ein Hinderungsgrund für den jüdischen Exorzismus, weil die Erfahrung des dämonischen Namens ihn erst binden kann. Spricht der Dämon nicht, kann dies also nicht gelingen.
Wir kennen diese Situation leider auch heute. Ganz besonders die katholische Kirche muss sich immer wieder anhören, dass die Sakramente, die Sakramentalien, die Charismen, also alles, was der Hl. Geist bewirkt, okkult sei. Das wird vor allem von freikirchlichen Kreisen behauptet, die Analogien zu den Freimaurern entdecken, die viele okkulte Manifestationen kennen. Analogien liegen durchaus vor, aber die Schlussfolgerung ist falsch: Die Freimaurer sowie jegliche esoterische/okkulte Gruppen greifen urchristliche Symbolik, die Lehre der Kirche, selbst den Ablauf der Liturgie auf und pervertieren diese Dinge ins Dämonische. Die Manifestationen des Hl. Geistes werden teuflisch nachgeahmt. Aber zuerst ist Gott da. Zuerst ist das Pentagramm da, zuerst das Dreieck mit dem Auge, dann ist dies alles erst zweckentfremdet worden. Zuerst ist die Zungenrede, dann das dämonische Geplapper. Die Kraft des Hl. Geistes ist immer zuerst da.
Es ist sehr schmerzhaft, wenn man einerseits die wunderbaren Heilstaten Gottes in der Kirche erfährt – und gerade in der charismatischen Erneuerung wird man Zeuge von vielen vielen Krankenheilungen, von Exorzismen, von Charismen – andererseits diese Dinge dann von außen verteufelt werden. Die Verurteiler haben die Zeit der Gnade nicht erkannt. Wie kann etwas vom Teufel sein, wenn der Glaube wieder neu auflebt, wenn die Menschen nach vielen Jahrzehnten wieder beichten gehen und zu brennenden Christen werden? Der Satan kann Menschen in die Irre führen, indem er körperliche Heilungen imitieren kann. Aber die Seele kann kein Dämon heilen. Das ist das ausschlaggebende Indiz.
Jesus nimmt sich der Schriftgelehrten an. Er könnte sie öffentlich bloßstellen und sagen: „Also ernsthaft, IHR solltet meine ganzen Anspielungen doch am besten verstehen. Wo habt ihr denn die Hl. Schriften studiert?“ Aber er tut es nicht. Stattdessen legt er ihnen die unlogische Schlussfolgerung dar: Ein in sich gespaltenes Reich hat keinen Bestand. Nur die Einheit ist beständig. Wir sehen es bei König David. Sein Königreich hat deshalb Bestand, weil er erstens in Einheit mit Gott ist und sein „Haupt im Namen Gottes erhebt“, aus dieser Einheit heraus auch die Einheit der zwölf Stämme gewährleisten kann.
Jesus nennt einige Beispiele, bei denen Gespaltenheit den Untergang vorprogrammiert: Das Reich, von dem wir in der Lesung und im Psalm schon gehört haben, und die Familie, die die Zelle der Gesellschaft darstellt. In beiden Fällen ist Gott der Stifter von Einheit.
Analog dazu ist das Reich der Dämonen zu betrachten: Sind die Dämonen unter sich gespalten, haben sie keine Macht. Diese Spaltung setzen die Schriftgelehrten ja voraus, wenn Jesus unter dem Einfluss des einen Dämons die Dämonen in den anderen Menschen hinausjagt. Dann aber hätte Jesus nicht die Kraft, die anderen Dämonen auszutreiben. Es ist ein einziger Denkfehler.
Exorzismen sind Kämpfe, geistliche Schlachten innerhalb eines Hauses. Deshalb bringt Jesus den Vergleich mit einem Kampf eines Einbrechers mit dem Hausherrn. Das Haus ist die menschliche Seele, der Hausherr sind wir. Der Satan dringt wie ein Dieb in unser Haus ein, nicht gepflegt durch die Tür so wie Jesus, der höflich anklopft (Offb 3,20). Er muss zuerst uns selbst überwältigen. Was er besiegen muss, ist unseren freien Willen. Dann kann er mit uns treiben, was er will. Jesus bringt diesen Vergleich, um die Absurdität der Behauptung der Schriftgelehrten herauszustellen. Wie kann ein durch die Gespaltenheit geschwächter Dämon den Hausherrn überwältigen?
Jesus erklärt daraufhin die Sünde gegen den Hl. Geist. Sie verkennen Gottes Geist. In den Auferstehungserzählungen lesen wir davon, dass der auferstandene Jesus den Aposteln erscheint, sie anhaucht, ihnen sagt: „Empfangt den Heiligen Geist!“ und ihnen daraufhin die Vollmacht der Sündenvergebung überträgt („Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben, wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“). Wer den Geist Gottes leugnet, der leugnet die Vergebung Gottes. Nicht Gott selbst verweigert den Schriftgelehrten an dieser Stelle also die Vergebung, sondern sie selbst stellen sich quer. Deshalb formuliert Jesus diese drastischen Worte. Sie haben ihm eine Besessenheit unterstellt. Hüten wir uns davor, ebenfalls in dieses Missverständnis zu fallen. Gott ist es, auf den alles Gute zurückgeht. Er ist es aber nicht, ich betone NICHT, der das Böse in der Welt tut, der für unser Leiden verantwortlich ist. Er ist gut, nur gut. Wenn wir übernatürliche Dinge sehen, müssen wir unterscheiden, ob es von Gott oder vom Bösen kommt. Das ist auch berechtigt und sogar notwendig, heute mehr als je zuvor! Doch seien wir nicht von Eifersucht getrieben wie die Schriftgelehrten und unterstellen eindeutig geistbegabten Menschen okkulte Kräfte, um sie zu verunglimpfen. Damit beleidigen wir nämlich nicht nur sie, sondern noch vielmehr Gott selbst. Wo die Menschen näher zu Gott kommen, kann der Böse seine Finger nicht im Spiel haben.
Schließlich hören wir noch einmal eine Episode, bei der die Familie Jesu auftaucht. Maria und seine „Geschwister“ kommen, um ihn aufzusuchen. Jesus wird darüber unterrichtet und nutzt diese Gelegenheit, um den Menschen eine wichtige Lektion zu erteilen, nicht um seine Familie zu verunglimpfen, was manchmal fälschlicherweise angenommen wird: Er erklärt, dass jene seine Familie sind, die den Willen seines Vaters tun. Familie ist etwas, das über die biologische Perspektive hinausgeht. Das ist sein springender Punkt. Für die Juden ist Biologie alles. Aber Jesus bereitet die Menschen auf die Familie Gottes vor, die nicht mehr durch die Blutbande vereint ist, sondern durch den Heiligen Geist. In diesem Fall muss das Sprichwort umgekehrt werden: Nicht mehr „Blut ist dicker als Wasser“, sondern „Wasser ist dicker als Blut“, nämlich das lebendige Wasser, der Hl. Geist!
Jesus schließt damit nicht aus, dass seine Mutter oder seine Geschwister seine Familie sind. Gerade an Maria sehen wir das Ideal: Sie ist einerseits seine biologische Mutter, andererseits im Glauben ganz mit ihm vereint, seine perfekte Jüngerin. Sie sind sich also auf irdischer und überirdischer Ebene zugleich ganz nahe. So soll es bei uns allen sein. Wir sollen nicht nur biologisch miteinander vereint sein, sondern auch im Glauben zusammengeschweißt sein. Das ist das Ideal, dem wir natürlich nicht immer nachkommen können, aber wenn dies geschieht, haben wir schon ein Stück Himmel auf Erden! Zu den Brüdern und Schwestern Jesu habe ich schon öfter geschrieben und auch Videos auf Youtube veröffentlicht. Es handelt sich dabei nicht um die leiblichen Geschwister, sondern um weitere Verwandte, deren Eltern jemand ganz anderes ist: Die „andere“ Maria sowie Kleopas. „Bruder“ und „Schwester“ sind im altorientalischen Kontext nie nur die direkten Geschwister, sondern auch Bezeichnungen für die weitere Verwandtschaft, also Cousin, Cousine, zweiten Grades, dritten Grades etc.
Diese Einheit zwischen Jesus und Maria ist wesentlich und führt uns zurück auf die erste Lesung: Sie sind gemeinsam das erste Menschenpaar der neuen Schöpfung, paradiesisch, frei von der Sünde. Sie markieren den Anfang der neuen geistigen Schöpfung, nicht mehr als Ehepaar, sondern als Mutter und Sohn. Die Mutter hat Anteil am Erlösungswerk Gottes durch ihre Zustimmung, Mutter Gottes zu werden. Sie ist dabei in jedem entscheidenden Augenblick des Erlösungswerks, bis zum letzten Atemzug ihres Sohnes steht sie unter dem Kreuz. Beide erleiden vieles, aber sie wissen, wofür das alles ist, so wie Paulus es in der zweiten Lesung beschreibt. Sie sind die Feinde des Bösen, ganz wie es in der ersten Lesung angekündigt worden ist. Sie zertreten der Schlange den Kopf, brechen ihr gleichsam das Genick. Deshalb dürfen wir das ewige Leben haben. Danken wir heute dem Herrn dafür, dass der Widersacher Gottes entmachtet ist und wir in das Himmelreich eingehen dürfen. Danken wir ihm, dass wir zur Familie Gottes gehören dürfen.

Ihre Magstrauss

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