Freitag der 9. Woche im Jahreskreis

Tob 11,5-17; Ps 146,1-2 u. 7.8-9b.9c-10; Mk 12,35-37

Tob 11
5 Hanna aber saß da und suchte mit den Blicken den Weg ihres Sohnes ab.

6 Da entdeckte sie von Weitem, wie er kam, und sagte seinem Vater: Schau, dein Sohn kommt und der Mann, der mit ihm gegangen ist!
7 Rafaël aber sagte zu Tobias, bevor er zu seinem Vater kam: Ich weiß, dass seine Augen wieder geöffnet werden.
8 Träufle die Galle vom Fisch in seine Augen, dass das Heilmittel einzieht und es die weißen Flecken von den Augen löst! Dann wird dein Vater die Augen aufschlagen und das Licht sehen.
9 Da lief Hanna voraus. Sie fiel ihrem Sohn um den Hals und sagte ihm: Ich habe dich gesehen, Kind! Jetzt kann ich sterben. Und sie weinte.
10 Auch Tobit stand auf. Er stolperte über seine Füße, fand aber aus dem Hoftor heraus und Tobias ging auf ihn zu.
11 Die Fischgalle in seiner Hand, blies er in Tobits Augen, hielt ihn fest und sagte: Mut, Vater! Er legte das Heilmittel auf und gab es darauf.
12-13 Dann schälte er mit seinen beiden Händen die weißen Flecken aus den Augenwinkeln und Tobit fiel ihm um den Hals,
13 Und er konnte seinen Sohn sehen, fiel ihm um den Hals und sagte unter Tränen:
14 er weinte und rief Tobias zu: Ich kann dich wieder sehen, Kind, du Licht meiner Augen! Und er sagte: Gepriesen sei Gott! Gepriesen sei sein gewaltiger Name! Gepriesen seien alle seine heiligen Engel! Möge sein Name groß sein über uns! Und gepriesen seien alle Engel in alle Ewigkeit!
15 Denn er hat mich gezüchtigt, aber jetzt sehe ich meinen Sohn Tobias wieder. So trat Tobias fröhlich ein und pries Gott aus vollem Munde. Tobias berichtete seinem Vater, dass seine Reise gut verlaufen sei und er das Geld besorgt habe und wie er Sara, die Tochter Raguëls, zur Frau genommen habe. Sie komme gerade an und sei nahe beim Tor Ninives.
16 Da wollte Tobit die Braut seines Sohnes in Empfang nehmen. Voll Freude und Gott lobend ging er Sara bis zum Tor von Ninive entgegen. Die Einwohner Ninives sahen, dass er ging und mit seiner ganzen Kraft einherschritt, ohne von jemandem an der Hand geführt zu werden, und sie staunten.
17 Tobit aber bekannte vor ihnen, dass Gott sich seiner erbarmt und ihm die Augen geöffnet habe. Als sich Tobit Sara, der Frau seines Sohnes Tobias, näherte, segnete er sie und sagte ihr: Magst du glücklich zu uns kommen, Tochter! Gepriesen sei dein Gott, der dich zu uns geführt hat, Tochter. Gesegnet sei dein Vater, gesegnet sei mein Sohn Tobias und gesegnet seist du, Tochter. Tritt ein in dein Haus, glücklich und voll Lobpreis und Freude! Tritt ein, Tochter!

Heute hören wir wieder einen Abschnitt aus dem Buch Tobit. Aufgrund des Fronleichnamsfests am gestrigen Tag sind uns so einige Episoden bis zu der heutigen nicht mehr verlesen worden. Es ist viel geschehen, wobei der Erzengel Rafael eine große Rolle gespielt hat. Tobits Sohn Tobias hat Sarah zur Frau genommen und aufgrund sie wurde durch eine exorzistische Handlung vom Dämon befreit. Nach den Hochzeitsfeierlichkeiten, die vierzehn Tage andauerten und in denen die Eltern des Tobias voller Sorge und Ungewissheit auf ihn warteten – sie wussten gar nichts davon und dachten deshalb, er sei vielleicht gestorben – kommt Tobias mit seiner Frau nun nach Hause.
Das Wiedersehen ist herzlich und tränenreich. Gerade Hannah hat ihren Sohn schon beweint, weil sie sicher war, es sei ihm etwas zugestoßen. Den ganzen Tag über saß sie am Wegesrand, weil sie insgeheim doch hoffte, ihr Sohn werde zurückkehren. Tobias und sein Begleiter Rafael, dessen Engelsidentität er sich übrigens nicht bewusst ist, kommen zuerst nach Hause, um alles für das Eintreffen seiner Ehefrau vorzubereiten. Doch zunächst geschieht etwas anderes: Wir hören davon, dass Rafael Tobias anordnet, den Rest der Eingeweide des Fisches, nämlich die Galle, dem Vater Tobit auf die Augen zu streichen. Mit Herz und Leber des Fischs hatte Tobias den Dämon exorziert. Vor einigen Tagen haben wir ja davon gehört, dass Tobit aufgrund von Vogelkot erblindet ist. Unbeholfen stolpert er beim Versuch, seinem Sohn entgegen zu laufen. Dieser fängt ihn liebevoll auf und schmiert ihm die Galle auf die Augen, die sofort zu brennen beginnt. Als der Vater sich die Augen reibt, verschwinden die weißen Flecken auf den Augen und er kann wieder sehen. Wie so oft bei Heilungserzählungen in der Hl. Schrift führt die Heilung zum Lobpreis Gottes. Immer wieder lesen wir auch davon in den Evangelien, wie die sehend gewordenen Blinden oder die genesenen Lahmen in den Tempel gehen, um Gott anzubeten, wie sie tanzen und Psalmen singen. Gott schenkt uns sein Heil, damit wir im Glauben wachsen und ihm die Ehre geben, damit wir unseren Auftrag erfüllen können, den er für uns bereitet hat, damit wir schließlich dienen können wie die Schwiegermutter des Petrus.
Tobias erzählt den Eltern in Ruhe, was geschehen ist. Voller Freude geht Tobit seiner neuen Schwiegertochter am Stadttor von Ninive entgegen, wo er von den anderen Bewohnern gesehen wird. Sie sind erstaunt, dass er wieder sehen kann. Sein genesener Zustand ist eigentlich schon Zeugnis genug für das wunderbare Wirken Gottes, doch er bringt es noch zusätzlich mit den Worten zum Ausdruck, dass Gott Erbarmen mit ihm gehabt hatte.
Als er seine Schwiegertochter trifft, segnet er sie und ihre Eltern. Er nimmt sie von Herzen an und von da an hat Tobit keinen Grund mehr zum Weinen. Nach seiner schmerzhaften Bewährungsprobe ist der Mann mehrfach entschädigt worden.

Ps 146
1 Halleluja! Lobe den HERRN, meine Seele!
2 Ich will den HERRN loben in meinem Leben, meinem Gott singen und spielen, solange ich da bin.
7 Recht schafft er den Unterdrückten, Brot gibt er den Hungernden, der HERR befreit die Gefangenen.
8 Der HERR öffnet die Augen der Blinden, der HERR richtet auf die Gebeugten, der HERR liebt die Gerechten.
9 Der HERR beschützt die Fremden, er hilft auf den Waisen und Witwen, doch den Weg der Frevler krümmt er.
10 Der HERR ist König auf ewig, dein Gott, Zion, durch alle Geschlechter. Halleluja!

Als Antwort beten wir einen Psalm aus dem Schluss-Hallel, dessen Psalmen durch Halleluja-Rufe gerahmt werden.
Es ist ein Lobpreis an Gott, wie er auch aus dem Munde Tobits kommen könnte. Zu Anfang erfolgt wie so oft eine Selbstaufforderung zum Lob. Im darauffolgenden Vers wird der Lobpreis gelübdeartig versprochen, wenn es heißt: „Ich will den Herrn loben, solange ich lebe, meinem Gott singen und spielen, solange ich da bin. Das sollen wir alle sagen, da wir durch den Bundesschluss mit Gott auch versprechen, nach seinem Willen zu leben, ihn anzubeten und ihm die Ehre zu geben, die ihm zusteht. Und doch sind es Worte, die gerade jene ganz bewusst sprechen, die Gottes Gnade auf besondere Weise erfahren haben. Tobit ist von seiner Blindheit geheilt worden, er ist aus allen Nöten gerettet worden und Gott hat seinem Sohn reichen Segen erwiesen. Er hat allen Grund, von ganzem Herzen und dankbar Gott zu loben und zu preisen. Im Grunde kann aber jeder Mensch diese Erfahrung in seinem Leben machen. Wenn wir genau hinsehen, werden wir viele Dinge entdecken, die Gott uns tagtäglich schenkt. Wenn wir sie entdecken, werden auch wir von Freude und Dankbarkeit erfüllt, sodass auch wir aufrichtig und bewusst Gotteslob vornehmen können.
Gott sorgt für Gerechtigkeit, denn sein Herz schlägt für die Benachteiligten und Unterdrückten. Wir dürfen darauf vertrauen, dass er uns in unseren ungerechten Situationen nicht im Stich lässt. Auch Tobit durfte dies erfahren, denn aufgrund seiner Blindheit haben die Menschen ihn verspottet, ja sogar seine eigene Frau. Er geriet in Not, weil er nicht mehr richtig arbeiten konnte. Doch Gott hat ihn in diesem Zustand nicht gelassen, sondern wir hörten ja von seiner Heilung. Gott kümmert sich auch um die Hungernden. Das ist zunächst wörtlich auf die physisch Hungernden zu beziehen, denn es ist die Rede vom Brot, das Gott ihnen zur Nahrung gibt. Aber wir sehen hier schon weitere Dimensionen von Hunger. Es ist jede Form von Mangel und Sehnsucht, die Gott stillt. Das Manna in der Wüste ist Ausdruck dieser Mehrdimensionalität, die in den seelischen Hunger mündet, den Christus mit der Eucharistie stillen möchte. Gott stillt auch unseren Hunger – nach Liebe und Zuwendung. Er gibt sich uns täglich in der Eucharistie, damit wir auf unserer Pilgerreise in die Ewigkeit nicht vor Erschöpfung zusammenbrechen. Der Weg ist lang und beschwerlich.
Gott befreit die Gefangenen. Auch dies ist ein Ausdruck, den wir mehrfach betrachten müssen. Einerseits befreit er jene, die sich wirklich in Gefängnissen aufhalten. Er befreit auch sein Volk aus der Fremdherrschaft – sei es in Ägypten, sei es im Babylonischen Exil, sei es unter dem Joch der Assyrer. Und doch gibt es eine noch viel existenziellere Gefangenschaft, aus der Gott befreit: aus der Gefangenschaft der Sünde. Wie schlimm war es, das Angesicht Gottes nicht schauen zu dürfen, weil die ganze Menschheit als Exilierte außerhalb des Paradieses leben musste! Umso ergreifender ist die befreiende Botschaft Christi, seine Heimführung des Gottesvolkes in die Heimat des Gottesreiches! Nicht umsonst spricht Paulus von der Freiheit der Kinder Gottes und davon, dass wir zur Freiheit befreit sind. Wir sind frei von dem Würgegriff der Sünde. Wir haben wieder einen Zugang zum Vater.
Gottes Zuwendung erfahren auch die Rechtlosen im Land: Das sind im Alten Israel die Fremden, also Ausländer, die Witwen und die Waisen. Wenn sie nicht die Barmherzigkeit anderer erfahren, kommen sie um. Die Beispiele zeigen: Selbst wenn kein Mensch sich um sie kümmert, Gott vergisst sie nicht. Bei Jesaja hören wir das wunderbare Bild von der Mutter, die ihr Kind nicht vergessen kann. Und selbst wenn dies geschehen sollte, Gott wird es nie. Er sorgt für jeden Menschen und übersieht niemanden. Das ist auch für unsere heutige Zeit wichtig: Gott sorgt auf besondere Weise für jene, die von allen anderen übersehen werden. Es sind vielleicht andere Personengruppen, aber das spielt in seinen Augen keine Rolle. Was für ein Trost, dass wir einen Gott haben, der jeden einzelnen Menschen behandelt, als wäre er der einzige Mensch auf Erden! Er schenkt jedem Menschen seine volle Aufmerksamkeit. Das kann nur Gott.
Schließlich erfolgt die Proklamation der ewigen Herrschaft Gottes als König. Er ist der wahre Herrscher – nicht nur über Menschen, sondern als Herr der gesamten Geschichte, als Herr über die ganze Schöpfung, der sichtbaren und unsichtbaren Welt. Weil er der Höchste ist, haben wir die tröstende Gewissheit, dass auch wenn die irdischen Herrscher jetzt noch ihr Unwesen treiben können, am Ende entmachtet werden. Wenn Gott am Ende der Zeiten in die Geschichte eingreift, wird es ein Leichtes für ihn sein, alles in Ordnung zu bringen und den Unterdrückten und Leidenden Trost und Gerechtigkeit zu erweisen.

Mk 12
35 Als Jesus im Tempel lehrte, sagte er: Wie können die Schriftgelehrten behaupten, der Christus sei der Sohn Davids?
36 Denn David hat, vom Heiligen Geist erfüllt, selbst gesagt: Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich mir zur Rechten, bis ich dir deine Feinde unter die Füße lege!
37 David selbst also nennt ihn Herr. Wie kann er dann sein Sohn sein? Es war eine große Menschenmenge versammelt und hörte ihm mit Freude zu.

In den letzten Tagen sind uns verschiedene Themen der Streitgespräche Jesu mit der Tempelelite verlesen worden. Der heutige Abschnitt schließt sich an an ein Gespräch Jesu mit einem verständigen Schriftgelehrten. Nicht alle sind verstockt und hochmütig. Zuletzt hat Jesus mit einem Mann gesprochen, der Jesus aufrichtig zustimmt, als dieser das Doppelgebot der Liebe als das höchste Gebot herangezogen hat. Jesus erkennt sein aufrichtiges Herz und sagt ihm zu, dass er dem Reich Gottes nahe ist.
Im heutigen Abschnitt hat Jesus wieder mit anderen Menschen zu tun. Er spricht zu einer großen Menschenmenge über die Pharisäer und Schriftgelehrten, die sich mit der Hl. Schrift auseinandersetzen. Zugegebenermaßen schneidet er ein schwieriges Thema an, doch er möchte bewusst provozieren, um seine Präexistenz zu erklären. Die Menschenmenge hört ihm bereitwillig zu, auch wenn das Thema komplex ist: Er sagt, dass es im Grunde falsch ist, den Messias als Sohn Davids zu bezeichnen. Warum tun sie das überhaupt? Die messianischen Verheißungen des Alten Testaments bringen zum Ausdruck, dass der Messias ein Nachkomme Davids sein werde, also aus dem Geschlecht Davids geboren werde. In dieser Hinsicht wird er „Sohn Davids“ genannt. Dies ist ja auch eigentlich korrekt und Jesus ist ein Davidide. Er hat das davididische Blut von seiner Mutter erhalten, die selbst Davididin ist. Warum also sagt Jesus, es sei falsch, ihn als Sohn Davids zu bezeichnen? Neulich haben wir schon gehört, dass Jesus das Thema Familie und Zugehörigkeit nicht mehr vom Biologischen her erklärt, sondern vor allem vom gemeinsamen Glauben und der Taufe her betont. Er sagte ja sogar ganz provokativ, dass jene seine Mutter, Schwester oder sein Bruder seien, die den Willen Gottes erfüllen. Damit hat er nicht ausgeschlossen, dass seine biologische Familie seine wahre Familie sei, und gerade bei Maria trifft ja beides zu. In dieser Situation ist es ähnlich: Jesus möchte erklären, dass er von seinem Menschsein vielleicht ein Sohn Davids ist, denn er ist ja in einen bestimmten Stammbaum hineingeboren und hat eine bestimmte Abstammung angenommen. Von seinem Gottsein ist es aber genau umgekehrt. Nicht David ist sein Vater, sondern er ist als Gott der Vater Davids. David hat zu ihm gesprochen, als er im Psalm gebetet hat: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich mir zur Rechten und ich lege dir deine Feinde unter die Füße.“ Es sind ja messianische Worte, der springende Punkt ist die Anrede „Herr“. Wenn David ihn mit Herr anspricht, ordnet er sich hierarchisch Gott unter. Jesus ist also schon, als David ist. Er existiert schon, bevor David überhaupt geboren wird. Jesus hat keinen Anfang als Gott und er ist der Herr Davids. Immer wieder möchte er die Menschen dafür sensibilisieren, dass er schon war, bevor er Mensch wurde, und wahrer Gott ist.
Jesu Worte sind eine Herausforderung und doch hören die Menschen ihm mit Freude zu. Sie sind bereit, diese tiefgründigen Ausführungen anzunehmen. Nach und nach wird es den Menschen aufgehen, was Jesus mit all dem gemeint hat. Es wird ihnen vor allem aufgehen, wenn sie den Hl. Geist empfangen werden, der ihnen alles aufzeigt und sie an alles erinnert, was Jesus gesagt und getan hat.

Heute hören wir viele unterschiedliche Texte, doch sie gehören zusammen. Gott ist es, der Heil und Heilung, Gerechtigkeit und wahren Frieden schenken kann, keiner sonst. Wenn wir uns ganz an ihn klammern, wird er unsere Bitten nie abweisen. Wir müssen ihm ganz vertrauen. Und wenn Gott uns so viel Gutes erweist, können wir nicht anders, als ihm die Ehre zu geben, ihn zu loben und zu preisen. Dieser Gott, der all dies vermag, ist ein Gott in drei Personen. Schon König David wird vom Hl. Geist erfüllt, spricht vom Sohn, der zur Rechten des Vaters seinen Platz einnimmt. Ohne es in der Tiefe zu begreifen, sagt er schon vieles über die Dreifaltigkeit. Dieser wahre Gott ist unter den Menschen und ist als Sohn Davids zugleich dessen Herr, den er angebetet hat. Danken wir Gott, dass er sich unserer Schwachheit und unserer Nöte annimmt, immer bei uns sein will und wirklich unsere Bitten erhört wie bei Tobit. Geben wir ihm die Ehre und rufen wir Halleluja in jeder Lebenslage, schließlich ist es unsere Generalprobe für das Himmelreich.

Ihre Magstrauss

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