Kol 1,15-20; Ps 100,2-3.4-5; Lk 5,33-39
Kol 1
15 Er ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.
16 Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen.
17 Er ist vor aller Schöpfung und in ihm hat alles Bestand.
18 Er ist das Haupt, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang.
19 Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen,
20 um durch ihn alles auf ihn hin zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.
In der heutigen Lesung aus dem Kolosserbrief hören wir den Anfang des Hauptteils. In diesem betet Paulus einen Christushymnus, der voller tiefgründiger Überlegungen ist. Paulus bezeichnet Jesus mit so vielen theologischen Begriffen, die wir sehr lange betrachten können. Zunächst einmal nennt er Jesus das „Bild des unsichtbaren Gottes“. Wie ist das zu verstehen? Gott ist Geist. Er ist eigentlich unsichtbar, nicht fassbar bzw. immer nur so viel begreiflich, wie er sich uns Menschen offenbart. Mit seiner Menschwerdung in Jesus Christus hat diese Selbstoffenbarung Gottes aber ihren Höhepunkt erreicht. Gott hat ein Gesicht bekommen, in das wir hineinschauen können. Nicht nur das. Jesus zeigt den Menschen mit seinem ganzen Wesen, mit seinen Worten, seinen Taten, mit jedem Atemzug, wer Gott ist. Er ist wirklich zu einem Bild Gottes geworden. Der Sohn zeigt den Vater und dies sagt er gerade im Johannesevangelium immer wieder zu den Menschen: Wer mich sieht, sieht den Vater.
Jesus ist der „Erstgeborene der ganzen Schöpfung“. Das muss man richtig verstehen, damit man es nicht arianisch auffasst. Die Arianer gingen davon aus, dass Jesus nicht gezeugt, sondern geschaffen ist wie wir. Er ist zwar der Höchste, aber eben nur ein Geschöpf in ihren Augen. Wir beten deshalb im großen Glaubensbekenntnis ganz deutlich: „Gezeugt, nicht geschaffen“ und „eines Wesens mit dem Vater“. Er ist Gott. Er ist aber geboren – nämlich durch eine Jungfrau. Und durch dieses Ereignis ist er zum ersten Menschen der neuen Schöpfung geworden, zum Adam der neuen Schöpfung aus dem Hl. Geist. Dieser Schöpfung gehören wir an, wenn wir uns taufen lassen. Es ist eine neue Schöpfung, die nicht mehr dem Verfall anheimfällt, sondern das ewige Leben bei Gott hat – und zwar ganz, also mit Leib und Seele. Als neuer Adam dieser neuen Schöpfung ist er uns vorausgegangen in die Ewigkeit, um mit Leib und Seele beim Vater zu sein. Auch wir werden die leibliche Auferstehung erfahren als Teil dieser neuen Schöpfung, doch erst am Ende der Zeiten. Er ist Erstgeborener in diesem Sinne. Er ist der neue Adam. Er ist es aber noch in einem anderen Sinne und da müssen wir berücksichtigen, dass es ein Hymnus ist: Jesus ist vor aller Zeit, er ist im Anfang beim Vater. Er ist Erstgeborener im bildhaften Sinne, so wie „Vater“ und „Sohn“ Bilder sind. Sie sind ja nicht Vater und Sohn in dem Sinne, wie wir es von uns her kennen. Das Verhältnis von Vater und Sohn geht über unsere irdischen Erfahrungen hinaus. Jesus ist schon, bevor die Welt geschaffen wird. Er ist sogar beteiligt am Schöpfungsakt, denn er ist der Logos, das Wort aus dem Mund des Vaters. Er ist Schöpfungsmittler, durch den alles geschaffen ist. Er ist die Logik hinter den Naturgesetzen, hinter der Ordnung des gesamten Universums. Es ist nicht nur alles durch ihn geschaffen, sondern auch auf ihn hin. Er ist das Ziel der gesamten Schöpfung. Er ist das Ziel der gesamten Weltgeschichte. Alles läuft fluchtpunktartig auf ihn zu. Das gilt nicht nur für die sichtbare Welt, also für das Diesseits, sondern auch für die unsichtbare Welt der Engel.
Paulus macht einen fließenden Übergang zur Kirche. Der springende Punkt ist nämlich, dass sie der sichtbare Teil der neuen Schöpfung hier auf Erden ist! Und weil Christus auch das Haupt der anderen Schöpfungsbereiche ist, ist er es in der Kirche. Er ist das Haupt und die Kirche der Leib. Es ist ein einziger lebendiger Organismus. Dieses Bild verwendet Paulus für die Kirche sehr häufig. Hier geht er weniger darauf ein, sondern reiht verschiedene theologische Begriffe aneinander. Ein Hymnus hat es an sich, dass verschiedene Bezeichnungen für Gott aneinandergereiht werden.
Noch einmal wird Jesus als Erstgeborener angerufen – und nun betont Paulus die Toten. So wie Jesus der Erstgeborene der neuen Schöpfung im Hl. Geist ist, so geht er uns allen voraus in die Ewigkeit als Auferstandener von den Toten. Er hat in allem den Vorrang, nicht nur zeitlich, sondern auch in der Hierarchie der Familie Gottes. Er ist der älteste Sohn und wir werden nie in demselben Sinne Kinder Gottes sein wie er es ist. Wir werden nie zu Göttern werden. Wir werden immer Menschen bleiben, aber dürfen in die Liebesgemeinschaft des dreifaltigen Gottes hineintreten. Diese Liebesgemeinschaft deutet Paulus durch die Worte der „ganzen Fülle“ an. Es ist ein einziger trinitarischer Akt, nicht nur die alte und neue Schöpfung hervorzubringen, sondern auch die ganze Welt zu erlösen. Die vielen trinitarischen Kreuze mit Gott Vater und den Hl. Geist als Taube über dem Haupt Christi fassen diese tiefe Wahrheit künstlerisch zusammen.
Jesus hat am Kreuz Frieden gestiftet. Dass er zu seinen Aposteln als Auferstandener kommen und ihnen seinen österlichen Frieden wünschen kann, hat mit diesem Ereignis zu tun. Jesus hat den Frieden gebracht, denn er ist der Friedensfürst. Er hat nicht das Blut von anderen Menschen vergossen, hat nicht mit Waffen von Menschen gekämpft, sondern sein eigenes Blut vergossen und eine Schlacht auf geistlicher Ebene geführt.
Ps 100
2 Dient dem HERRN mit Freude! Kommt vor sein Angesicht mit Jubel!
3 Erkennt: Der HERR allein ist Gott. Er hat uns gemacht, wir sind sein Eigentum, sein Volk und die Herde seiner Weide.
4 Kommt mit Dank durch seine Tore, mit Lobgesang in seine Höfe! Dankt ihm, preist seinen Namen!
5 Denn der HERR ist gut, ewig währt seine Huld und von Geschlecht zu Geschlecht seine Treue.
Als Antwort beten wir Psalm 100, der betitelt wird als „Lobgesang der Völker beim Einzug ins Heiligtum“.
„Dient dem HERRN mit Freude! Kommt vor sein Angesicht mit Jubel!“ Diese Worte dürfen nun alle Christen sprechen, die den Frieden Christi durch die Taufe empfangen haben. Der Wortsinn dieses Psalms ist zunächst auf die Heiden in alttestamentlicher Zeit zu beziehen, die zum Tempel kommen sollen („vor sein Angesicht“). Dort gibt es einen eigens für sie bestimmten Tempelhof. Jesus hat der samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen schon angekündigt, dass in Zukunft weder der Tempel in Jerusalem noch die Kulthöhe auf dem Garizim die Anbetungsorte Gottes darstellen werden. Er hat angekündigt, dass er selbst der Ort der Anbetung darstellen wird und die rechte Weise der Anbetung im Geist und in der Wahrheit sein werde. Es wird keine örtliche Gebundenheit mehr geben, weil Jesus in jeder Heiligen Messe eucharistisch anwesend sein wird! Alle Menschen aus allen ihren biographischen Kontexten kommen und lassen sich taufen, um nun durch die Liturgie zum Angesicht Gottes hintreten zu können, egal wo sie sich befinden.
„Erkennt: Der HERR allein ist Gott. Er hat uns gemacht, wir sind sein Eigentum, sein Volk und die Herde seiner Weide.“ Dass es nur diesen einen Gott gibt, wird den Heiden gegenüber natürlich deshalb betont, weil sie den Monotheismus erst einmal lernen müssen. Sie kommen aus einem polytheistischen Kontext (Vielgötterei). Dieser eine wahre Gott hat die Welt geschaffen, auch die Menschen. Das ist uns im Kolosserbrief schon vor Augen geführt worden. Deshalb gehören alle Menschen ihm. Durch einen Bundesschluss wird diese Selbstübereignung aber noch viel intensiver. Man ist nicht nur geliebtes Geschöpf Gottes, sondern wird zum Kind, das heißt zum Erben in seinem Reich! Hier wird etwas deutlich, was mit dem Neuen Bund wahr wird: Gottes Volk setzt sich nicht mehr durch biologische Abstammung zusammen, sondern durch Menschen aller Nationen, Völker, Stämme und Sprachen, die durch die Taufe zur neuen Schöpfung werden, eine geistliche Familie. Als solche ist das neue Volk Gottes Herde des guten Hirten. Dieses Bild greift Jesus dann auf, wenn er sich selbst als diesen guten Hirten offenbart und seine Jünger als seine Herde.
„Kommt mit Dank durch seine Tore“ ist wörtlich zunächst auf die Stadttore Jerusalems und des Tempelareals gemeint, durch die die Heiden in die Höfe des Tempels gelangen. Im weiteren Sinn meint es auch die Heidenchristen zur Zeit des Paulus und bis heute alle Christen. Diese treten durch das Tor der Taufe hindurch in den Hof des Heiligtums Gottes, der in ihren Herzen Wohnung nimmt. Sie treten durch das Tor, wenn sie sich zur Eucharistie versammeln (damals in Hausgemeinschaften, nun in jeder katholischen Kirche). So ist es mit allen Menschen, die bis heute die Liturgie feiern. Die ganze Menschheit tritt schließlich durch das Tor des Todes ein in die Ewigkeit.
„Dankt ihm, preist seinen Namen!“ Dazu haben vor allem jene Neugetauften der Apostelgeschichte Anlass. Sie sind gerettet worden auf das ewige Leben hin. Dies veranlasst sie zu Lob und Dank.
Gott ist gut. Er hat das Heil jedes Menschen im Sinn. Er ist wirklich treu und verlässt seine Schäfchen nie. Deshalb können wir Menschen nicht anders, als zu jubeln über seine guten Taten an uns. Wir erkennen sie nicht immer und manchmal verdunkeln die Krisen unseres Lebens den dankbaren Blick auf das, was wir haben und was uns gelingt. Doch Gott ist immer der gleiche gute Gott, dem Ehre gebührt – gestern, heute und in Ewigkeit.
Lk 5
33 Sie sagten zu ihm: Die Jünger des Johannes fasten und beten viel, ebenso die der Pharisäer; deine Jünger aber essen und trinken.
34 Jesus erwiderte ihnen: Könnt ihr denn die Hochzeitsgäste fasten lassen, solange der Bräutigam bei ihnen ist?
35 Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam weggenommen sein; dann, in jenen Tagen, werden sie fasten.
36 Er erzählte ihnen aber auch ein Gleichnis: Niemand schneidet ein Stück von einem neuen Gewand ab und setzt es auf ein altes Gewand. Sonst würde ja das neue Gewand zerschnitten und zu dem alten würde das Stück von dem neuen nicht passen.
37 Auch füllt niemand jungen Wein in alte Schläuche. Sonst würde ja der junge Wein die Schläuche zerreißen; er läuft aus und die Schläuche sind unbrauchbar.
38 Sondern: Jungen Wein muss man in neue Schläuche füllen.
39 Und niemand, der alten Wein trinkt, will jungen; denn er sagt: Der alte ist bekömmlich.
Das heutige Evangelium greift etwas Wesentliches auf: Keine äußeren Handlungen machen uns vor Gott gerecht, wenn sie ohne eine entsprechende innere Haltung begleitet werden. Die Hauptversuchten in dieser Richtung sind zur Zeit Jesu die Pharisäer.
Der Streitpunkt ist dabei das Fasten, eine Sache, die man nach außen hin durchaus zur Schau stellen konnte. Jesus erklärt in der Bergpredigt die richtige Haltung beim Fasten, wo die pharisäische Haltung uns vermittelt wird: „Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten“ (Mt 6,16).
Die Johannesjünger und die Pharisäer fasten zusätzlich zu den gebotenen Fastentagen für die Juden. Bei den Johannesjüngern geht es dabei um die Buße für den kommenden Messias. Das ist ihre Berufung und ihr Charisma. Die Pharisäer sühnen ursprünglich für das Volk, aber leider sind sie versucht, dies den anderen vorzuhalten oder sich höher zu stellen als der Rest. Sie verkennen dabei, dass der Unterschied in der Fastenpraxis sie vor Gott nicht gerechter machen kann als die anderen. Die eigene Reue und Umkehr, das Tun des Willens Gottes, der Gehorsam macht gerecht vor Gott.
Jesus ist der Messias. Er muss nicht wie die Johannesjünger fasten, weil er ja das Ziel ihrer Vorbereitung ist. Er ist der Bräutigam, der um seine Braut Israel wirbt. Jetzt ist der Bräutigam da und er möchte durch seine Feiermentalität herausstellen, wer er ist. Im gesamten AT lesen wir diese Metapher der Braut Israel und des Bräutigams Gott. Jesus greift also die Hauptmetapher der heiligen Schrift auf, die die Juden eigentlich erkennen sollten. Nun ist er so weit gegangen, Mensch zu werden, um ganz bei seiner Braut zu sein. Kann man da fasten? Natürlich nicht! Diejenigen, die sich an Jesu fehlendem Fasten stören, haben ihn als Messias nicht erkannt. Sie erkennen nicht, dass die Vorbereitungszeit vor dem Kommen des Messias schon abgeschlossen ist, weil die neue, messianische Heilszeit angebrochen ist!
Jesus deutet auch an, dass er sterben werde, weshalb der Bräutigam der Braut weggenommen werde. Für alles gibt es eine Zeit, so das Buch Kohelet. Jetzt ist die Zeit zum Feiern und mit Jesu Tod kommt das Fasten.
Ab Vers 36 versucht Jesus durch zwei Bilder die ganz neu angebrochene Epoche zu verdeutlichen. Mann kann keine zwei unterschiedlichen Stoffe aufeinandernähen, weil sie sonst reißen. Man kann keinen neuen Wein in alte Schläuche gießen, weil diese zerbersten. Was Jesus durch die Bilder konkret sagen möchte: Ihr könnt nicht bei der angebrochenen messianischen Heilszeit weiterhin so tun, als sei der Messias noch nicht da. Ihr könnt nicht jetzt, wo ich direkt vor euch stehe, weiterhin auf mich warten. Dann fährt der Zug ohne euch ab. Mit dem gekommenen Messias müsst ihr eine vollkommen neue Verhaltensweise an den Tag legen.
Auch für uns sind das zwei wichtige Bilder, die an uns appellieren: Wir können nicht Jesus nachfolgen und dabei noch ein bisschen an dem alten sündigen Leben hängen. Wenn wir als Neugetaufte in die Gemeinschaft der Kirche eingegliedert worden sind, sind wir neugeboren im Heiligen Geist und unser alter Mensch gestorben! Dann können wir nicht mehr so leben, als wären wir nicht getauft. Dann können wir auch nicht neidisch auf die Ungetauften zurückschauen, die ein vermeintlich besseres Leben führen als wir.
Wenn wir gebeichtet haben und zurück in den Stand der Gnade gekommen sind, können wir nicht die alten sündhaften Verhaltensweisen fortsetzen. Wir haben in der Beichte Jesus versprochen, uns zu ändern. Wenn wir trotzdem das alte Leben weiterführen, wird ein großer Schaden entstehen wie die zerbersteten Schläuche und der größere Riss im Stoff. Jetzt wo wir die Gnade der Vergebung erhalten haben und vor allem zur Erkenntnis unserer Sünde gelangt sind, werden wir viel größere Verantwortung für dieselben Vergehen tragen müssen. Jetzt tun wir die bösen Dinge ja, obwohl wir ihre Bosheit erkannt haben.
Wir erfahren nicht davon, wie die Fragesteller reagiert haben, aber es wäre schon interessant, ob der ein oder andere Jesu Worte verstanden hat und ihm nachgefolgt ist. Gott hat in seinem Heilsplan den Höhepunkt erreicht. Sie müssen ihm doch nur zuhören und ihm in die Augen schauen. Dann realisieren sie, dass sie Gottes Angesicht schauen. Mit ihm ist eine neue Schöpfung gekommen, die einen radikalen Neuanfang voraussetzt. Neuer Wein in neue Schläuche. Begreifen auch wir das und überdenken wir unser Leben!
Ihre Magstrauss