Samstag der 30. Woche im Jahreskreis

Röm 11,1-2a.11-12.25-29; Ps 94,12-13.14-15.17-18; Lk 14,1.7-11

Röm 11
1 Ich frage also: Hat Gott sein Volk verstoßen? Keineswegs! Denn auch ich bin ein Israelit, ein Nachkomme Abrahams, aus dem Stamm Benjamin. 2 Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er im Voraus erwählt hat.
11 Nun frage ich: Sind sie etwa gestrauchelt, damit sie zu Fall kommen? Keineswegs! Vielmehr kam durch ihren Fehltritt das Heil zu den Heiden, um sie selbst eifersüchtig zu machen.
12 Wenn aber ihr Fehltritt Reichtum für die Welt bedeutet und ihre geringe Zahl Reichtum für die Heiden, um wie viel mehr ihre Vollzahl!
25 Denn ich will euch, Brüder und Schwestern, nicht in Unkenntnis über dieses Geheimnis lassen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung liegt auf einem Teil Israels, bis die Vollzahl der Heiden hereingekommen ist,
26 und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: Es wird kommen aus Zion der Retter, / er wird alle Gottlosigkeit von Jakob entfernen.
27 Und das ist der Bund, den ich für sie gestiftet habe, / wenn ich ihre Sünden hinwegnehme.
28 Vom Evangelium her gesehen sind sie Feinde, und das um euretwillen; von ihrer Erwählung her gesehen aber sind sie Geliebte, und das um der Väter willen.
29 Denn unwiderruflich sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes.

In der heutigen Lesung geht es wieder um einen Abschnitt aus dem Römerbrief. Paulus nimmt das Volk Israel von seiner Erwählung her in den Blick und stellt heraus, dass es nicht aus dem Heilsplan Gottes herausgefallen ist. Wieder spricht er sich positiv aus und entkräftet den Vorwurf, ein Judenhasser zu sein.
Gott hat Israel nicht verstoßen. Er hat das die gesamte Heilsgeschichte hindurch nicht getan, obwohl sein Volk immer wieder untreu geworden war. Gott ist der Treue. Alles andere würde seinem Wesen widersprechen.
Paulus zählt sich selbst zu den Israeliten, da er aus dem Stamm Benjamin kommt. Er geht sogar so weit, zu sagen, dass die Ablehnung des Messias Anlass zum Heil für die Heiden geworden ist. Hätten sie den Messias nicht abgelehnt – hier muss man natürlich klarstellen, dass man nicht kollektiv das ganze Volk für den Tod Jesu verantwortlich machen darf, sondern es geht um die religiöse Elite, die einen ahnungslosen Mob für sich genutzt hat – wäre es nicht zur Kreuzigung gekommen. Er wäre nicht den Opfertod gestorben und hätte die ganze Welt nicht erlöst. Die an sich böse Eifersucht der Juden ist den Heiden zum Heil geworden.
Paulus sagt sogar, dass die Verstockung Israels so lange geht, bis die Vollzahl der Heiden erreicht ist. Für uns ist entscheidend, zu begreifen, dass alles im Heilsplan Gottes liegt, auch die unbegreiflichen Umwege. Dass so viele Juden den Messias nicht anerkannt haben, ist an sich schmerzhaft, doch auf diesen krummen Seiten setzt Gott seine schönen geraden Pläne und wir staunen umso mehr, was aus der Ablehnung des Messias heutzutage für eine große Masse an Jüngern geworden ist! Paulus erhofft sich zudem, dass sie nicht bei der Ablehnung bleiben, sondern ebenfalls zu Jüngern Christi werden. Dieser Vers ist nicht Teil des heutigen Abschnitts, Vers 15: „Denn wenn schon ihre Zurückweisung für die Welt Versöhnung bedeutet, was wird dann ihre Annahme anderes sein als Leben aus den Toten?“ Es ist nicht zu spät für die Verstockten, auch wenn sie durch ihre Ablehnung den Herrn ans Kreuz gebracht haben. Das wird auch in Vers 24 deutlich, der ebenfalls nicht dem heutigen Abschnitt zugehört und im Kontext eines Ölbaum-Gleichnisses steht. Die herausgebrochenen Juden werden wieder eingepfropft werden. Das Entscheidende ist die Entscheidung für Christus.
Dass Paulus nicht kollektiv Israel beschuldigt, sehen wir in Vers 25: Da ist die Rede von einem Teil Israels.
Auch weiterhin gilt die Verheißung, dass der Messias Israel retten wird. Und auch bei ihnen gilt wie bei den Heiden: Christus ist für alle gestorben. Die Erlösung wird uns allen auf einem Silbertablett serviert. Wir müssen sie nur gläubig annehmen. So auch die Juden.
Gemäß des Evangeliums und ihrer Intrige sind sie Feinde, doch ihre Bundesbeziehung mit Gott bleibt erhalten und so sind sie zugleich Geliebte Gottes. Gott nimmt seinen Bund und sein Versprechen nicht zurück. Das müssen auch wir Christen anerkennen.
Paulus brennt das Herz für seine jüdischen Geschwister. So sehr bemüht er sich und betet dafür, dass auch sie ihren Weg zu Christus finden, dass auch die ausgebrochenen Zweige dem Ölbaum wieder eingepfropft werden. Immer wieder versucht er es ja, wenn er in eine neue Stadt kommt: Er geht in die Synagogen und spricht dort über das Evangelium Jesu Christi, auch wenn seine Berufung die Heidenmission ist.

Ps 94
12 Selig der Mann, den du, HERR, erziehst, den du mit deiner Weisung belehrst, 

13 um ihm Ruhe zu schaffen vor bösen Tagen, bis dem Frevler die Grube gegraben ist. 
14 Denn der HERR lässt sein Volk nicht im Stich und wird sein Erbe nicht verlassen. 
15 Nun spricht man wieder Recht nach Gerechtigkeit; ihr folgen alle Menschen mit redlichem Herzen.
18 Wenn ich sage: Mein Fuß gleitet aus, dann stützt mich, HERR, deine Huld. 

Das Privileg, zum Volk Israel zu gehören, wird im Psalm weiter entfaltet. Es geht um die Seligpreisung des Mannes, der in der Torah unterwiesen wird. Er bekommt von Gott selbst die Lektionen aufgetragen. Die Torah wird nicht als Bürde den Menschen gegeben, sondern zur „Ruhe (…) vor bösen Tagen“. Diese sind gezählt und begrenzt. Es muss so kommen, aber dann wird dem „Frevler die Grube gegraben“. Der Böse hat nur eine begrenzte Zeit, in der er die Menschen versucht und von Gott abbringen will. Dann wird Gott den Bösen ganz entmachten und das Leid hat ein Ende. Für diese Zeit der Bedrängnis ist die Torah ein Schutzschild – denn wer mit festen Schritten den Weg der Gebote Gottes geht, fällt auf die Versuchungen des Teufels nicht so schnell herein. Die Torah ist eine Ruhestatt. Das unruhige und leidende Herz kann sich bei Gottes Geboten erholen und stärken. Gott gibt uns seine Gebote, damit wir in schweren Zeiten durchhalten können. Sie sollen uns nicht belasten, sondern entlasten. Ohne seine Gebote würde er uns aber unserem Schicksal überlassen. Das Gegenteil ist der Fall, er „lässt sein Volk nicht im Stich und wird sein Erbe nicht verlassen“. Gott ist treu und auch wir, die wir nun im Neuen Bund mit ihm vereint sind, können auf seine Treue vertrauen. Gott lässt uns nicht im Stich und bietet uns unser Erbe an. Wir sind es, die es verspielen können, in dem wir einen anderen Weg einschlagen.
Gott musste sein auserwähltes Volk immer wieder lehren und auch züchtigen, damit es wieder zur Besinnung kommt. Wie oft sind die Israeliten vom Weg abgekommen, indem sie sich anderen Göttern zugewandt und Götzendienst getrieben haben. Gott überlässt seine untreue Braut aber nicht dem Schicksal, sondern rüttelt sie immer wieder wach.
Und wenn sie es verstanden hat, kehrt die Braut um und beginnt von vorne. Das wird in Vers 15 angedeutet: „Nun spricht man wieder Recht nach Gerechtigkeit“. Die Herzen der Menschen sind wieder Gott zugewandt, worum es eigentlich geht. Das Herz ist wieder dort, wo es sein sollte, beim Bundespartner, beim Bräutigam.
Und wenn man den Weg mit Gott geht, stützt und trägt er einen in schweren Zeiten. Wo der Fuß ausgleitet, ist Gott eine Stütze. Wo die Sorgen einen belasten, tröstet Gott den Menschen. Der Weg in Gemeinschaft mit Gott ist viel leichter als der Irrweg von Gott weg, auf dem man alleine unterwegs ist. Dann fehlt nämlich die Gnade. Jesus sagt im Johannesevangelium „getrennt von mir könnt ihr nichts tun.“ Das ist sehr deutlich gesagt, wirklich gar nichts! Man wird nicht weit kommen und das Gefühl haben, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Machen wir es uns nicht unnötig schwer, indem wir unser eigenes Gesetz sein wollen. Gehen wir den Weg, der auf uns abgestimmt ist, weil Gott uns, seine geliebten Geschöpfe, durch und durch kennt.
Dass das Volk Israel immer wieder zum Herrn zurückkehren durfte, tröstet uns in unserer Sorge um das Volk Israel bis heute. Womöglich hat die Betrachtung der bisherigen Heilsgeschichte auch Paulus mit Hoffnung erfüllt, dem die Umkehr und Erlösung des Gottesvolkes am Herzen liegt.

Lk 14
1 Und es geschah: Jesus kam an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen. Da beobachtete man ihn genau.
7 Als er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten, erzählte er ihnen ein Gleichnis. Er sagte zu ihnen:

8 Wenn du von jemandem zu einer Hochzeit eingeladen bist, nimm nicht den Ehrenplatz ein! Denn es könnte ein anderer von ihm eingeladen sein, der vornehmer ist als du,
9 und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten Platz einnehmen.
10 Vielmehr, wenn du eingeladen bist, geh hin und nimm den untersten Platz ein, damit dein Gastgeber zu dir kommt und sagt: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen.
11 Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Heute hören wir im Evangelium wieder von einer Episode im Haus eines Pharisäers. Jesus ist eingeladen worden und mal wieder wird er ganz genau beobachtet. Man merkt also auch hier wieder, dass die Einladungen anscheinend öfter aus unlauteren Absichten gemacht worden sind…
Jesus fällt auf, wie die eintreffenden Gäste sich die Ehrenplätze aussuchen. Dies nimmt er zum Anlass, ein Gleichnis zu erzählen:
Wenn man zu einer Hochzeit eingeladen wird, sollte man nicht automatisch den Ehrenplatz einnehmen. Denn es kann ja sein, dass ein anderer Gast kommt, der noch vornehmer ist, und man ihm den Platz geben muss. Das wird eine große Demütigung und man muss den untersten Platz einnehmen. Wenn man eingeladen wird, soll man dagegen sofort den untersten Platz einnehmen. Denn dann wird der Gastgeber kommen und ihm einen höheren Platz zuweisen. Das wird dann eine Ehre vor den anderen Gästen darstellen. Jesus erzählt dies, um die Haltung dahinter herauszustellen, mit der er seine Wort auch abschließt: „Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ Es geht um Demut und Hochmut. Die Gäste des Pharisäers kommen mit einer sehr hochmütigen Haltung daher, denn sie gehen davon aus, die verehrtesten Gäste zu sein. Der Pharisäer wird sie vielleicht nicht „degradieren“, aber mit ihrer allgemeinen Haltung wird Gott selbst ihnen irgendwann den richtigen Platz zuweisen. Das wird für sie eine große Demütigung werden. Hochmut kommt vor dem Fall.
Wer dagegen mit einer demütigen Haltung durchs Leben geht, sich nicht besser als die anderen hält, wird von Gott erhöht werden – und das schon in diesem Leben durch unverhoffte Ereignisse, Segen, Gebetserhörungen. Umso mehr wird dieser Mensch dann im Gottesreich erhöht werden! Beim himmlischen Hochzeitsmahl wird dieser Mensch dann sehr weit aufrücken dürfen.
Es geht Jesus also nicht nur um die Platzwahl der eingeladenen Gäste, sondern um ihre allgemeine Haltung. Er spricht diese Worte auch zu uns heute. Halten wir uns für besonders wichtig? Gehen wir in uns und erforschen unser Gewissen, wo in uns noch ein narzisstischer Fleck zu sehen ist. Mithilfe der Gnade Gottes werden wir auch diese Elemente nach und nach ablegen, bis wir demütig werden wie Christus. Er ist ganz erniedrigt worden im Kreuzestod. Aber genau deshalb ist er über alle anderen erhöht worden. Was Jesus hier den Gästen erklärt, hat er selbst ganz umgesetzt.
Paulus ist sehr demütig gewesen, er hat sich stets als den geringsten der Apostel verstanden, weil er die Christen zuerst verfolgt hat. Das hat er nie vergessen und Gott stets um dessen Gnade gebeten. Er hat zeitlebens verstanden, dass er ganz auf ihn angewiesen ist. Auch König David war so ein Mensch. Er hat als König der zwölf Stämme eben jene Haltung eingenommen, die Christus hier erklärt: Er hat sich automatisch auf den letzten Platz gesetzt.

Beten wir um Demut für uns und alle Menschen. Mit dieser beginnt der Weg der Umkehr, denn mit Hochmut begann die ganze Misere im Garten Eden. „Ihr werdet wie Gott sein!“ ist seitdem tief drin in uns. Ja, so viele Menschen wollten wie Gott sein, doch nur ein Gott wollte Mensch sein – und sich kreuzigen lassen uns zur Erlösung.

Ihre Magstrauss

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