Montag der ersten Adventswoche

Jes 2,1-5 oder Jes 4,2-6; Ps 122,1-3.4-5.6-7.8-9; Mt 8,5-11

Jes 2
1 Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem geschaut hat. 
2 Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des HERRN steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Nationen. 
3 Viele Völker gehen und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn vom Zion zieht Weisung aus und das Wort des HERRN von Jerusalem. 
4 Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg. 
5 Haus Jakob, auf, wir wollen gehen im Licht des HERRN.

In dieser besonderen Gnadenzeit werden wir immer wieder aus dem Buch Jesaja eine Lesung hören, weil es das messianischste Buch der gesamten hl. Schrift darstellt. Dabei werden uns heute zwei Texte zur Auswahl gestellt. In den beiden Jesajatexten sowie in Ps 122 geht es um die Wallfahrt nach Jerusalem, zum Tempel auf dem Zionsberg. Dieser ist höher als alle anderen Berge, weil auf ihm das Haus des HERRN errichtet ist, d.h. der Tempel. „Am Ende der Tage“ deutet schon an, dass es um mehr geht als um eine herkömmliche Wallfahrt, nämlich um eine endzeitliche. In dieser Hinsicht sind auch die Querverweise Joel 4,10 und Mi 4,1-3 zu verstehen. Bei Micha heißt es: „Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des HERRN steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen Völker. Viele Nationen gehen und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion zieht Weisung aus und das Wort des HERRN von Jerusalem. Er wird Recht schaffen zwischen vielen Völkern und mächtige Nationen zurechtweisen bis in die Ferne. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht mehr das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg.“ Die Begründung für diese endzeitliche Wallfahrt besteht darin, dass die Weisung (hebr. Torah), also das Wort Gottes, vom Berg ausgehen wird. Es erinnert zunächst an den Berg Sinai, von dem aus das mosaische Gesetz, die Torah ausgegangen ist. Der entscheidende Unterschied: Es geht nicht um den Berg Sinai, sondern um Zion! Also deutet Jesaja hier nicht mehr das an Israel ergangene mosaische Gesetz an, sondern das andere, nämlich das fleischgewordene Wort Gottes, das von Jerusalem ausgeht, d.h. den Kreuzestod erlitten hat. Zur Zeit des Propheten Jesaja steht dieses Ereignis noch aus und deshalb sagt Jesaja diese Verheißung in der Zukunftsform (תֵּצֵא teze „sie – die Torah – wird ausgehen“). Wenn Jesaja dann ankündigt, dass die Waffen zu Pflugscharen und Winzermessern umgeschmiedet werden, dann sind das einerseits Bilder von Umkehr, andererseits Evangelisierungsmetaphern. Aus den Evangelien sind uns diese Bilder von den Gleichnissen Jesu wie dem der Arbeiter im Weinberg oder dem Feigenbaum im Weinberg bekannt. Schließlich handelt es sich um Erntemotive, die auch neutestamentlich im Kontext der Endzeit verwendet werden. Am Ende der Tage wird auch Frieden sein, da laut Jesaja die Schwerter nicht mehr gegeneinander erhoben und kein Krieg mehr geführt wird. Dieser Frieden wird mit dem Ausgehen der Weisung Gottes vom Zion einhergehen.

Ps 122
1 Ein Wallfahrtslied. Von David. Ich freute mich, als man mir sagte: Zum Haus des HERRN wollen wir gehen. 
2 Schon stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem: 
3 Jerusalem, als Stadt erbaut, die fest in sich gefügt ist. 
4 Dorthin zogen die Stämme hinauf, die Stämme des HERRN, wie es Gebot ist für Israel, den Namen des HERRN zu preisen. 
5 Denn dort standen Throne für das Gericht, die Throne des Hauses David. 
6 Erbittet Frieden für Jerusalem! Geborgen seien, die dich lieben. 
7 Friede sei in deinen Mauern, Geborgenheit in deinen Häusern! 
8 Wegen meiner Brüder und meiner Freunde will ich sagen: In dir sei Friede. 
9 Wegen des Hauses des HERRN, unseres Gottes, will ich dir Glück erflehen.

Psalm 122 ist ein ganz klassisches Wallfahrtslied, das sich an die eschatologische Völkerwallfahrt in Jesaja anschließt. Auch hier finden sich Formulierungen, die über das typische Wallfahrtslied hinausgehen:
Zum Haus des Herrn zu ziehen, ist eine große Freude, weil es der Ort der nächsten Nähe Gottes ist. Nirgendwo ist seine Herrlichkeit spürbarer als im Tempel. Deshalb ist es für die Juden eine einzige Freude, zu den Wallfahrtsfesten nach Jerusalem zu ziehen. Sie haben zudem im Hinterkopf, dass der Tempel zerstört wurde und neu aufgebaut worden war. Umso weniger selbstverständlich nehmen sie die Möglichkeit, Wallfahrtsfeste zu feiern.
Jerusalem ist eine heilige Stadt, die fest gefügt ist nicht nur dank der Stadtmauern, sondern vor allem wegen Gottes Präsenz. Er ist der größte Schutz. In seiner Gunst zu stehen, ist viel mehr wert als noch so hohe Stadtmauern.
Auch der Palast des Königs schlechthin, David, ist die Stadt besonders. Er hat alle Feinde besiegt und alles vorbereitet für den Tempelbau, den sein Sohn dann umgesetzt hat.
In Vers 4 wird das hebräische Wort עֵד֣וּת edut mit „Gebot“ wiedergegeben. Die Elberfelder Übersetzung verwendet das Wort „Mahnzeichen“. Die primären Bedeutungen des Wortes sind „Zeugnis, Verordnung, Gesetz“. Die Übersetzung „Gebot“ ergibt Sinn, da die Wallfahrtsfeste vorgeschrieben sind. Doch auch die Übersetzung mit „Zeugnis“ ist interessant, weil sie in der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments auch gewählt wird: Dort heißt es Martyrion! Aufgrund des Zeugnisses, das Jesus abgelegt hat am Kreuz sollen nun in allegorischem Sinn die Völker nach „Jerusalem“ ziehen, das heißt zur Kirche Jesu Christi, und sich taufen lassen!
In Vers 5 werden Gerichtsthrone des Hauses David beschrieben. Dies ist im Zusammenhang mit Jesaja zu lesen, wo vom Zion aus Rechtsprechung vollzogen wird (Jes 2,4). Dabei handelt es sich um messianische Rede, denn später wird es über den Messias heißen, dass er mit eisernem Zepter über die Stämme regieren wird.
In Jerusalem ist Frieden schon zurzeit des Königs Salomo. In seiner Regierungszeit bricht kein einziger Krieg aus, damit er sich ganz dem Tempelbau widmen kann. Wir beziehen diesen Frieden aber auf den messianischen Frieden! Er ist der Friedefürst und möchte uns einen wahren Schalom schenken, den die Welt nicht geben kann. Es meint das umfassende Heil, nicht einfach nur einen politischen Frieden. Wenn er kommt, dann wird sich das bewahrheiten, was Jesaja im 11. Kapitel sieht. Es wird eine Versöhnung der gefallenen Schöpfung geben, eine Rückkehr zu paradiesischen Zuständen, allerdings in einer ganz neu geschaffenen Schöpfung.
In Jerusalem ist Friede, weil Gott in Jerusalem wohnt. In unserem inneren Jerusalem können wir nur dann Frieden finden und uns mit uns selbst versöhnen, wenn wir Gott darin wohnen lassen.
Und in der Kirche werden wir erst wieder zu einem Frieden zurückkehren, wenn wir uns bekehren und Christus den Friedensfürsten wieder ins Zentrum stellen. Dazu haben wir jetzt eine wunderbare Gnadenzeit!

Mt 8
5 Als er nach Kafarnaum kam, trat ein Hauptmann an ihn heran und bat ihn:
6 Herr, mein Diener liegt gelähmt zu Hause und hat große Schmerzen. 
7 Jesus sagte zu ihm: Ich will kommen und ihn heilen. 
8 Und der Hauptmann antwortete: Herr, ich bin es nicht wert, dass du unter mein Dach einkehrst; aber sprich nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund! 
9 Denn auch ich muss Befehlen gehorchen und ich habe selbst Soldaten unter mir; sage ich nun zu einem: Geh!, so geht er, und zu einem andern: Komm!, so kommt er, und zu meinem Diener: Tu das!, so tut er es. 
10 Jesus war erstaunt, als er das hörte, und sagte zu denen, die ihm nachfolgten: Amen, ich sage euch: Einen solchen Glauben habe ich in Israel noch bei niemandem gefunden. 
11 Ich sage euch: Viele werden von Osten und Westen kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; 

In den bisherigen Lesungen ging es um das Kommen. Es ging vor allem darum, dass Menschen zu Gott kommen. Auch im Evangelium ist dies der Fall: Ein Hauptmann, ein Centurio, tritt an Jesus heran mit einem Anliegen. Vor dem Hintergrund der bisherigen Lesungen wird deutlich, dass Jesus nun die Personifikation der „Geborgenheit in den Häusern“ (Ps 122) ist. Der Hauptmann ist ein Heide, der zu diesem personifizierten Zion kommt – so wie es die Erweiterung des Psalms 122 in Offb 15 dann ausdrücken wird: Alle Nationen werden kommen – auch die Nichtjuden! Der Centurio kommt voll Glauben, um das Heil, den Schalom zu erhalten, wie es wörtlich in Ps 122,6-7 heißt. In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, was Jesus am Ende dieses Abschnitts sagt: Er bestätigt dieses universale Kommen und erklärt zudem, was die vielen dann tun werden: feiern, zusammen mit Abraham, Isaak und Jakob, den Erzvätern der Juden!
Nun kommt die entgegengesetzte Richtung zum Tragen: Nicht mehr die Menschen pilgern zu Gott, sondern Gott kommt zu den Menschen! Jesus antwortet dem Hauptmann auf die Bitte um Heilung seines Dieners wörtlich: „Kommend werde ich ihn heilen.“  Jesus ist bereit, in ein heidnisches Haus zu gehen, obwohl er Jude ist. Er kann das auch, weil er Gott ist und über den jüdischen Reinheitsvorschriften steht. Er kommt immer wieder mit Unreinheit in Verbindung, ob mit dem Tod, mit Blut, mit Aussatz oder mit Todsündern. So begann schon sein Leben – in einem Stall mit Tieren, die ihren Kot dort hinterließen. Jesus ist auch im moralischen Sinne stets bereit in ein unreines Leben zu kommen, wie sündhaft es auch gewesen ist. Ist nicht jede Seele ein armseliger, dreckiger Stall, der für Gottes Anwesenheit eigentlich immer zu unwürdig sein wird? Gott ist aber größer als der Dreck und kann aus jedem Sünder einen Heiligen machen, wenn dieser bereit ist. Allegorisch weitergedacht kommt Jesus in der Eucharistie immer wieder zu den Menschen. Sein Kommen macht er nicht davon abhängig, wie sündhaft oder sündlos der Priester ist, der die Messe feiert. Jesus wird sogar dann Leib Christi, wenn der Priester oder die Gläubigen nicht einmal an seine Gegenwart glauben. Er ist bereit, sich zu zeigen in der kleinen Hostie und im Kelch, damit wir wie Thomas mit unseren eigenen Sinnen ihn erkennen und sagen: Mein Herr und mein Gott! Anagogisch gesehen nähern wir uns jetzt dem eigentlichen Anlass der heutigen Lesungen an: Jesus ist im Kommen. Wir befinden uns in einem zweiten Advent. Wir warten auf seine Wiederkunft am Ende der Zeiten. Er heilt uns jetzt schon durch die Heilsmittel, die Sakramente und am Ende wird er alles vollkommen heilen.
Es ist bemerkenswert, wie der Centurio sich verhält. Er weiß, dass Jesus als frommer Jude sich durch das Kommen in sein Haus kultisch verunreinigen würde. Deshalb sagt er: „Sprich nur ein Wort“. Dass er mit diesen Dingen vertraut war, zeigt sich in der parallelen Erzählung in Lukas 7,10, die deutlicher hervorhebt, dass er ein Gottesfürchtiger war. Damit bezeichnete man zur Zeit Jesu Heiden, die dem Judentum nahestanden, vor allem der jüdischen Ethik, doch den letzten Schritt der Beschneidung nicht wagten. Der Hauptmann zeigt durch seine Worte auch, dass er großes Vertrauen in Jesus besitzt. Dies wird dadurch deutlich, dass er Jesus eine Fernheilung ohne viele Worte zutraut. Er bekundet Jesus gegenüber zudem seine Demut: Er erkennt in Jesu Gegenwart seine eigene Armut und dass er es eigentlich nicht verdient hat, Gott bei sich Zuhause aufzunehmen. Er vertraut aber auf Gottes Barmherzigkeit, die durch ein einziges Wort alles bewirken kann. Genau diese Einstellung führt die Kirche moralisch weiter, wenn in der Hl. Messe vor dem Kommunionempfang die Gläubigen beten: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort und meine Seele wird gesund.“ Jesus geht durch die Kommunion in die eigene Seele ein und in seinem Angesicht erkennt der Mensch ganz realistisch sein eigenes Ich. Dass Jesus dennoch kommt, erkennt man durch diesen Ausspruch als unverdientes Geschenk, als Gnade an. Auch allegorisch-ekklesiologisch hat es diese Leserichtung: Jesus hat seine Kirche auf einem sündigen Menschen wie Petrus gebaut. Das ist ebenfalls Gnade. Denn welcher Mensch hat es verdient, Werkzeug Gottes zu sein? Wer ist wirklich perfekt genug? So ist alles, was von Gott kommt, Gnade. Das betrifft auch die Sakramente und die Kirche als Ganze. Sie ist Gotteswerk und Geschenk. Wir machen Kirche nicht. Wir können nur jedes Mal demütig beten: „Jesus, komm in unsere Mitte, obwohl wir es nicht verdient haben.“ Und jeder kirchlicher Vollzug, alles Bestreben, jede Reform kann nur von Gott ausgehen, dem die Kirche gehört. Wir können diese Dinge nie aus uns selbst heraus. Anagogisch gesehen können wir auch nur sagen: Das Kommen des Reiches Gottes, das Ende der Welt, den Himmel können wir nicht herbeiholen. Wir können den Zeitpunkt des Weltendes nicht beeinflussen, beschleunigen oder hinauszögern. Beten wir demütig um das Kommen Gottes, der ebenfalls nur ein Wort sagen muss: Das fleischgewordene Wort Gottes Jesus Christus. Das tut die Kirche immer wieder, wenn sie betet: Oh komm, oh komm, Immanuel.

Dass ein Heide Jesus als Messias anerkennt und Glauben hat, ist eigentlich ein Zeichen für die angebrochene Endzeit. Das was Jesaja, was Ps 122 etc. schon damals angekündigt haben, die Anbetung durch alle Nationen und Stämme, wird hier nun am Beispiel eines Hauptmanns deutlich. Beten wir darum, dass Gott dieses eine Wort in unsere Welt hinein sagt, auf dessen Fleischwerdung wir im Advent warten.

Ihre Magstrauss

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