4. Januar

1 Joh 3,7-10; Ps 98,1.7-9; Joh 1,35-42

1 Joh 3
7 Meine Kinder, lasst euch von niemandem in die Irre führen! Wer die Gerechtigkeit tut, ist gerecht, wie er gerecht ist. 

8 Wer die Sünde tut, stammt vom Teufel; denn der Teufel sündigt von Anfang an. Der Sohn Gottes aber ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören. 
9 Jeder, der von Gott stammt, tut keine Sünde, weil Gottes Same in ihm bleibt, und er kann nicht sündigen, weil er von Gott stammt. 
10 Daran kann man die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels erkennen: Jeder, der die Gerechtigkeit nicht tut und seinen Bruder nicht liebt, ist nicht aus Gott.

Heute geht es im ersten Johannesbrief weiter mit der Konsequenz der Taufe – dem gerechten Lebenswandel. Darauf kommt es an und an diesem wird man erkennen, wer gerecht ist. In den Evangelien sagt Jesus „an den Früchten wird man sie erkennen“. Das ist damit gemeint. Mit „gerecht sein“ ist hier nicht nur die Gerechtigkeit vor den Menschen, sondern vor allem die Rechtfertigung vor Gott gemeint.
Die „Frucht“ des Teufels bzw. das Stammen von ihm ist dann nicht die Gerechtigkeit, sondern die Sünde. Die Bemerkung, dass der Teufel von Anfang an sündigt, deutet seinen Abfall von Gott an. Teufel sind von ihrer geschaffenen Natur her wie die Engel Geistwesen mit eigenem Charakter, mit einem freien Willen und mit Kraft. Sie waren ja zuerst Engel von ihrer Aufgabe und Berufung her. Vor Erschaffung der Welt kam es zu einem Abfall Luzifers („Lichtträger“, er war der hellste aller Engel) und vieler weiterer Engel. Sie sind, wie Jesus in Lk 10,18 sagt, wie ein Blitz vom Himmel gefallen. In Offb 12 heißt es „er wurde gestürzt“ und „sie verloren ihren Platz im Himmel“. Der Satan hat also schon einen sündhaften Anfang und so die Heilsgeschichte von Beginn an versucht, zu beeinträchtigen. Jesus ist aber gekommen, um seine Pläne zunichte zu machen.
Jeder, der von Gott stammt (γεγεννημένος  gegennemenos „geworden“ im Sinne von „geboren sein aus“), bezieht sich auf die Taufe. Genealogisch sind wir mit Gott ja nicht biologisch verbunden, sondern sakramental. Wer also getauft ist, sündigt nicht. Der Same Gottes ist im Getauften, sodass er nicht mehr sündigt. Gemeint ist die Taufgnade, die einem die Kraft gibt, ein christliches Leben zu führen. Die Diskussion darum, dass der Mensch aber auch nach der Taufe weitersündigen kann, ist damals schon geführt worden und es gab dann auch erste Konsequenzen in der kirchlichen Praxis in Richtung Bußsakrament.
Der Abschnitt aus der heutigen Lesung schließt ab mit der wiederholten Unterscheidung von Kindern Gottes und des Teufels anhand ihrer „Früchte“. Wer die Gebote hält, ist aus Gott. Wer sie nicht hält, ist vom Teufel. Dass Johannes dieses Thema hier so ausführlich behandelt, hängt mit den aktuellen Problemen in der Gemeinde zusammen: Es gibt häretische Strömungen, die die Gemeindemitglieder in Verwirrung bringen mit neuen Lehren und Behauptungen bezüglich Christi Identität. [Es ist vor allem der Doketismus zu nennen, demzufolge Jesus nicht wirklich Mensch war und nicht gelitten habe. Jesus habe einen Scheinleib gehabt und war eigentlich nur Geist. Alles, was irdisch und materiell ist, sei nämlich schlecht und der gute Gott könne dann ja keine Materie annehmen.]

Ps 98
1 Ein Psalm. Singt dem HERRN ein neues Lied, denn er hat wunderbare Taten vollbracht! Geholfen hat ihm seine Rechte und sein heiliger Arm.

7 Es brause das Meer und seine Fülle, der Erdkreis und seine Bewohner. 
8 In die Hände klatschen sollen die Ströme, die Berge sollen jubeln im Chor 
9 vor dem HERRN, denn er kommt, um die Erde zu richten. Er richtet den Erdkreis in Gerechtigkeit, die Völker so, wie es recht ist.

Heute beten wir die Fortsetzung von Psalm 98, von dem wir die letzten Tage den Anfang gebetet haben. Es geht immer noch um den Lobpreis der wunderbaren Taten Gottes. Ich habe zuvor schon auf die Rechte und seinen heiligen Arm hingewiesen und dessen messianische Dimension hervorgehoben: Jesus ist Gottes Rechte und sein heiliger Arm, er ist sozusagen die „Exekutionsgewalt“ seines Vaters. Der Hl. Irenäus hat den Sohn und den Geist als die Hände Gottes bezeichnet.
Heute kommt als neuer Aspekt das Gerichtshandeln Gottes hinzu. Die ganze Schöpfung wird zum Lobpreis aufgefordert (das Meer, der Erdkreis, die Ströme, die Berge). Als Begründung dafür wird das Kommen Gottes genannt, mit dem er das Gericht in Gerechtigkeit vollzieht. Interessant ist, dass das Verb בָּא ba entweder als Vergangenheit oder als Gegenwart übersetzt werden kann. Gott hat schon zuvor Gericht gebracht (nämlich immer dann, wenn das Volk ihm untreu geworden und Götzen nachgelaufen ist). Dann wurde Israel von Fremdherrschern unterdrückt oder erlitt schlimme Plagen. Das wird im Nachhinein auch immer erkannt und als Gerichtshandeln Gottes gedeutet.
Gott ist aber auch gegenwärtig im Kommen. Es hat jedoch eine neue Dimension – er kommt als Messias, um Gericht zu halten und die Menschen, die unter Ungerechtigkeit leiden, zu befreien. Zuvor hat Gott von der Ewigkeit aus gewirkt, ohne selbst in die Welt einzugehen. Wir Christen erwarten das zweite Kommen des Messias am Ende der Zeiten. Im Glaubensbekenntnis beten wir „von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.“ Das ist auch für uns nicht bedrohlich, die wir die Gerechtigkeit und den Frieden Gottes in einer Welt der absoluten Bedrängnis und Dunkelheit ersehnen.
Insgesamt wird auch hier im Psalm das Gericht Gottes positiv dargestellt und sogar ersehnt. Oft hören wir Vorurteile gegenüber dem Alten Testament, die ein strenges und furchteinflößendes Gottesbild behaupten. Das können wir am heutigen Beispiel getrost ablehnen.

Joh 1
35 Am Tag darauf stand Johannes wieder dort und zwei seiner Jünger standen bei ihm. 

36 Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes! 
37 Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus. 
38 Jesus aber wandte sich um, und als er sah, dass sie ihm folgten, sagte er zu ihnen: Was sucht ihr? Sie sagten zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister – , wo wohnst du? 
39 Er sagte zu ihnen: Kommt und seht! Da kamen sie mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm; es war um die zehnte Stunde. 
40 Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer der beiden, die das Wort des Johannes gehört hatten und Jesus gefolgt waren. 
41 Dieser traf zuerst seinen Bruder Simon und sagte zu ihm: Wir haben den Messias gefunden – das heißt übersetzt: Christus. 
42 Er führte ihn zu Jesus. Jesus blickte ihn an und sagte: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen, das bedeutet: Petrus, Fels.

Was wir heute im Evangelium lesen, geschieht einen Tag nach der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer. Und wir lesen zugleich von den „Früchten“, an denen man den Menschen erkennt:
Johannes der Täufer tauft wie gewohnt im Jordan und zwei seiner Jünger sind bei ihm. Als Jesus vorübergeht, hören die Jünger des Johannes ihren Meister sagen: „Seht das Lamm Gottes!“ Dass sie daraufhin Jesus ansprechen und generell auf ihn aufmerksam werden, könnte man damit erklären, dass Johannes tags zuvor über Jesus heilsgeschichtlich entscheidende Dinge erklärt hat. Da hat er Jesus bereits als Lamm Gottes bezeichnet, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Jetzt, wo dieser besondere Mann wieder auftaucht, wollen sie die Chance nutzen, ihn besser kennenzulernen. Sie werden als Jünger des Johannes in einer intensiven Messiaserwartung gelebt haben und erkennen nun die Gunst der Stunde.
Sie folgen Jesus kurzerhand, ohne zunächst etwas zu sagen. Als dieser merkt, dass er verfolgt wird, wendet er sich um und fragt: „Was sucht ihr?“ Das Verb ζητέω zeteo macht an dieser Stelle weniger Sinn, wenn man es wörtlich übersetzt. Sie suchen ja nichts, sondern folgen Jesus. Man muss die übertragenen Bedeutungen berücksichtigen („untersuchen“ , „vermissen“ und „nach etwas verlangen“). Es kann also heißen, dass Jesus sie danach fragt, was sie möchten. Er ist Gott und weiß die Antwort ja schon. Er wird also auch wissen, dass sie mehr über Jesus herausfinden möchten, also „untersuchen“ wollen.
Diese Situation dürfen wir noch eingehender betrachten und mehrfach auslegen: Jesus fragt auch später, wenn Menschen mit Krankheiten und anderen Anliegen zu ihm kommen, was sie möchten – was sie ersehnen. Er kennt die Antwort immer schon, aber es geht um den freien Willensentschluss, den er den Menschen lässt. Sie sollen von sich aus laut aussprechen, was sie möchten (z.B. der Blinde in Lk 18). Auch ekklesiologisch wird dies weitergeführt. Keinem werden die sakramentalen Handlungen aufgezwungen. Wenn Eltern ihr Kind zur Taufe bringen oder wenn ein Erwachsener sich auf die Taufe vorbereitet, gehört es zum Ritus, dass die betroffenen Personen von sich aus den Wunsch äußern „ich bitte um die Taufe“ oder auch bei der Firmung. Da ist es meist ein Firmling stellvertretend für alle anderen, der dann nach vorne kommt und den Bischof um das Sakrament bittet. Ebenso ist es mit den anderen Sakramenten, auch mit dem Bußsakrament, das im ersten Johannesbrief angeklungen ist. Gott weiß schon längst, was wir wollen, wenn wir zur Kirche kommen, aber er möchte uns die Chance geben, es frei zu äußern. Er kennt unsere Sünden bereits, aber er möchte, dass wir sie mit eigenen Worten aussprechen.
Das betrifft auch den einzelnen Christen, wenn er ins Gebet geht. Der Herr weiß schon, um was wir bitten möchten, aber er lässt uns dennoch ausreden, damit wir unserer Sehnsucht Worte verleihen. Und wenn wir vor Gott stehen nach dem Tod, dann wird er schon längst alles wissen und uns doch anhören, was wir zu sagen haben.
Interessant ist übrigens auch die Analogie zu Exodus 33. Auch dort geht Gott vorüber, aber Mose darf sein Angesicht nicht sehen. Gott erlaubt ihm, seinen Rücken zu erhaschen. Hier im Evangelium erkennen wir, dass Gott heilsgeschichtlich nun eine neue Phase einleitet. Er wendet sich um und zeigt den Menschen sein Gesicht!
Warum stellen die Johannesjünger Jesus aber ausgerechnet die Frage: „Wo wohnst du?“ Natürlich kann man dies darauf zurückführen, dass man von der Art des Wohnens, des Zusammenlebens, der familiären Umstände auf den Menschen schließen kann. Hier steckt aber noch eine tiefere Wahrheit dahinter. Im selben Kapitel heißt es im Prolog ja: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Wörtlich heißt es sogar „es hat unter uns gezeltet“. Gott hat sein Zelt aufgeschlagen mitten unter den Menschen. Dies hat etwas Vorübergehendes an sich, denn es meint keinen dauerhaften Wohnsitz. Der Sohn Gottes hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann: Er wird in einem Stall geboren, der ihm nicht gehört, er muss nach Ägypten fliehen, weil die Heimat seiner Eltern eine tödliche Bedrohung darstellt, er wird vom Moment seines öffentlichen Wirkens an keinen festen Wohnsitz mehr haben. Nach dem Tod wird er nicht mal in ein eigenes Grab gelegt, sondern in ein geliehenes. Auch wenn hier nicht gesagt wird, wo Jesus wohnt, können wir davon ausgehen, dass er bei Freunden untergekommen ist. Es spielt sich ja bei Betanien ab, wo Maria, Marta und Lazarus wohnten, Freunde Jesu.
Jesus antwortet den Johannesjüngern mit der Aufforderung „Kommt und seht!“ Von Anfang an lebt Jesus sein Evangelium vor und überzeugt so die Menschen. Es ist um die zehnte Stunde, also vier Uhr nachmittags, als sie mit Jesus gehen und sich selbst überzeugen, wo er lebt. Hier müssen wir auch ins Griechische schauen. Sie fragen wortwörtlich nämlich nicht: „Wo wohnst du“, sondern „Wo bleibst du?“ (μένω meno „bleiben“). Im Johannesevangelium ist das Wort „bleiben“ entscheidend. Es ist also mehr als nur eine banale Frage und daraufhin eine informative Aussage, wenn es heißt, dass die beiden Jünger an dem Tag bei Jesus bleiben. Jesus wird in seiner Verkündigung immer davon sprechen, dass wir in Gottes Liebe bleiben sollen. Der Begriff hat etwas mit Gemeinschaft mit Gott zu tun. Wenn die Jünger also mit Jesus gehen und sehen, wo er bleibt, dann werden sie nicht nur Zeuge der Unterkunft Jesu. Sie werden vielmehr Zeugen der Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn. Jesus wird ihnen diese Beziehung gezeigt haben, sodass ihnen aufgegangen ist, wer er ist. Was die beiden mit Jesus an dem Tag erlebt haben, überzeugt sie so sehr, dass sie am nächsten Tag sogar sagen: „Wir haben den Messias gefunden“. Sie haben „gesucht“ und „gefunden“. Dazu lädt Jesus später in der Bergpredigt ein: Suchet und ihr werdet finden (Mt 7,7). Das ist eine Einladung an jeden Menschen. Wer wirklich von Herzen auf der Suche ist – und das ist jeder Mensch, weil er als Abbild Gottes unbewusst immer nach Gott sucht – wird Gott auch finden. Dieser zieht jeden Menschen nämlich zu sich.
Die Ereignisse des Tages schließen sich an den ersten Johannesbrief an, wo wir heute gelesen haben, dass man den Gerechten am Verhalten erkennt. Jesus erzählt ihnen nicht einfach, wer er ist, obwohl er weiß, dass sie das wissen wollen. Er zeigt ihnen vielmehr an seinem Verhalten, wer er ist. Denn das überzeugt Menschen mehr als Worte.
Einer der beiden Johannesjünger ist der Bruder des Petrus, Andreas. Dieser bringt am nächsten Tag seinen Bruder zu Jesus, der den Beinamen Petrus erhält und eigentlich Simon heißt.
Andreas führt seinen Bruder zu Jesus. Das ist ein Kernsatz für jeden Seelsorger. Das ist die Aufgabe, zu der jeder Diakon, Priester und Bischof, jeder Ordensmensch, aber auch jeder Laie berufen ist – Menschen zu Jesus zu führen. Man erkennt den guten Geistlichen daran, dass dieser die Menschen nicht um sich scharrt wie eine Fanbase und diese von sich abhängig macht. Stattdessen führt er Menschen immer Christus zu und zeigt von sich weg. Es geht um Gott, nicht um die Person des Geistlichen.
Petrus begegnet Jesus heute zum ersten Mal und dieser beruft ihn sofort zum Felsen. In Mt 16 wird Jesus ihm sogar sagen, dass er auf ihn seine Kirche bauen wird! So eine große Berufung hat Jesus für ihn bereit. Dass Jesus ihm einen neuen Namen verleiht, muss für ihn etwas Besonderes gewesen sein. Er sagt ihm sogar, wie er heißt, bevor er das wissen kann. Simon bar Jona, „Sohn des Johannes“ wird somit klar, dass Jesus mehr ist als ein gewöhnlicher Mensch.

Wir erkennen den Gerechten an den Taten. Wie oft erfahren wir in unserem Leben, dass die beste Predigt einen ungläubigen Menschen nicht erweichen kann, aber dann eine Liebestat an ihm oder generell das Verhalten, die Umsetzung der Predigt den Ungläubigen überzeugt. Das heißt nicht, dass die Predigt überflüssig ist. Das Gesagte muss mit dem Gelebten aber übereinstimmen, damit es authentisch ist. Dann wird das eigene Leben zum missionarischen Wirken für die anderen, die bewusst oder unbewusst Gott suchen. Denken wir heute über unser eigenes Leben nach. Verhalten wir uns so, wie wir anderen „predigen“? Lieben wir die Liebe, die wir von anderen erwarten? Mit anderen Worten: Leben wir unsere Berufung, die wir durch Taufe und Firmung erhalten haben? Leben wir diese Gemeinschaft mit dem Vater, zu der wir berufen sind und die andere Menschen berühren kann?

Ihre Magstrauss

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