7. Sonntag im Jahreskreis (C)

1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-23; Ps 103,1-2.3-4.8 u. 10.12-13; 1 Kor 15,45-49; Lk 6,27-38

1 Sam 26
2 Saul machte sich mit dreitausend Mann, ausgesuchten Kriegern aus Israel, auf den Weg und zog in die Wüste von Sif hinab, um dort nach David zu suchen.
7 So kamen David und Abischai in der Nacht zu den Leuten und siehe, Saul lag mitten im Lager und schlief; sein Speer steckte neben seinem Kopf in der Erde und rings um ihn schliefen Abner und seine Leute.

8 Da sagte Abischai zu David: Heute hat Gott deinen Feind in deine Hand ausgeliefert. Jetzt werde ich ihn mit einem einzigen Speerstoß auf den Boden spießen, einen zweiten brauche ich nicht dafür.
9 David aber erwiderte Abischai: Bring ihn nicht um! Denn wer hat je seine Hand gegen den Gesalbten des HERRN erhoben und ist ungestraft geblieben?
12 David nahm den Speer und den Wasserkrug, die neben Sauls Kopf waren, und sie gingen weg. Niemand sah und niemand bemerkte etwas und keiner wachte auf; alle schliefen, denn der HERR hatte sie in einen tiefen Schlaf fallen lassen.

13 David ging auf die andere Seite hinüber und stellte sich in größerer Entfernung auf den Gipfel des Berges, sodass ein weiter Zwischenraum zwischen ihnen war.
22 David erwiderte: Seht her, hier ist der Speer des Königs. Einer von den jungen Männern soll herüberkommen und ihn holen.

23 Der HERR wird jedem seine Gerechtigkeit und Treue vergelten. Obwohl dich der HERR heute in meine Hand gegeben hatte, wollte ich meine Hand nicht an den Gesalbten des HERRN legen.

In der ersten Lesung hören wir heute eine Episode, die in ähnlicher Weise mehrfach passiert. Es geht um David und Saul. David ist als Feldherr erfolgreicher und beliebter bei den Israeliten als Saul. Dieser hat eine starke Eifersucht gegen David entwickelt. Es kommt mehrfach zur Situation, dass er David umbringen will. Auch im heutigen Abschnitt geht es darum, dass Saul den Flüchtigen verfolgt. David findet es heraus und kommt nachts in das Lager Sauls. Seine Gefährten und er schlafen tief und fest. Saul hat sein Speer neben sich in den Boden gesteckt, ebenso steht ein Wasserkrug neben ihm. David hätte leichtes Spiel, den Speer herauszuziehen und ihm Saul mitten ins Herz zu rammen. So denkt auch sein Begleiter Abischai. David hält ihn jedoch davon ab, Saul etwas anzutun, denn dieser ist ein Gesalbter Gottes. Egal wie schlimm er sich vielleicht verhalten hat, bleibt er immer noch ein besonderes Eigentum des Herrn. Dieser soll mit Saul verfahren, aber David wird ihm kein Haar krümmen. Er versteht, dass nicht er der Richter über Saul ist, sondern Gott. Er begreift, dass das Vergehen gegen einen Gesalbten gewichtiger ist, als an einem nichtgesalbten Menschen. Gott ist gerecht und würde es nicht ungestraft lassen. Er wird den angemessenen Weg wählen, die Untaten Sauls zu sühnen, weil er der gerechte Richter ist. Es sollte ihm überlassen werden.
Als Zeichen gegen Saul nimmt David seinen Krug und Speer mit. So soll Saul verstehen, dass David da war und ihm gegenüber barmherzig gehandelt hat. Eine ähnliche Situation ergibt sich in einer Höhle, als Saul seine Notdurft verrichtet und in dieser machtlosen Situation von David verschont wird. Als Zeichen für seine barmherzige Tat schneidet er einen Zipfel des Mantels Sauls ab und zeigt ihn diesen später.
Was wir von David heute lernen können, ist: Wir werden Segen haben, wenn wir unsere Hand nicht gegen unseren Nächsten erheben, sondern ihm vergeben. Gott wird ihn richten. Er weiß um seine innersten Regungen und Gründe für sein Verhalten. Wir selbst sind zudem nicht ohne Sünde. Wer sind wir, also den anderen zu verurteilen und uns zu rächen, wenn wir uns als erstes an die eigene Nase fassen müssen?

Ps 103
1 Von David. Preise den HERRN, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen! 

2 Preise den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat! 
3 Der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt, 
4 der dein Leben vor dem Untergang rettet und dich mit Huld und Erbarmen krönt,
8 Der HERR ist barmherzig und gnädig, langmütig und reich an Huld.
10 Er handelt an uns nicht nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Schuld.
12 So weit der Aufgang entfernt ist vom Untergang, so weit entfernt er von uns unsere Frevel. 
13 Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über alle, die ihn fürchten. 

Heute beten wir einen Lobpreispsalm, bei dem der heilige Name Gottes gepriesen werden soll. Der Psalmist fordert die eigene Seele auf, was typischer Psalmenstil ist. Dabei müssen wir berücksichtigen, was mit „Seele“ gemeint ist. Vor einigen Tagen sprach ich bereits an, dass es sich dabei um das hebräische Wort נַפְשִׁי nafschi handelt, was mehr als nur einen begrenzten Teil des Menschen umfasst. Es meint vielmehr den ganzen Menschen in seiner Existenz, sein ganzes Leben. Der Herr soll das ganze Leben über gepriesen werden und deshalb soll es auch keinen Moment geben, in dem man die guten Taten Gottes vergisst. Wenn das ganze Leben einen einzigen Lobpreis darstellt, dann ist es auch unmöglich, Gottes Güte zu vergessen.
Beziehen wir das auf die Kirche, gilt dasselbe: Würde die Kirche aufhören, den Lobpreis Gottes durchgängig zu praktizieren, würde sie sehr schnell seine Güte vergessen und sich anderem zuwenden. Dann würde sie aber auch aufhören, Sakrament der Liebe Gottes zu sein, das die Ewigkeit in dieser Welt vorwegnimmt. Deshalb steht die Eucharistie an erster Stelle im kirchlichen Leben sowie im geistlichen Leben des Einzelnen. Für Geistliche gilt sodann an zweiter Stelle das Stundengebet, denn diese sind es, die den Lobpreis auf besondere Weise als Berufung leben. Sie sind ungeteilt dazu fähig, weil sie keine Familie haben, um die sie sich kümmern müssen.
Der Psalm zählt einige dieser guten Taten auf, die Gott uns Menschen erweist: Er heilt die Gebrechen – ob physisch, psychisch oder seelisch. Er rettet unser Leben vor dem Untergang, denn er hat uns erlöst und uns zu Erben in seinem Reich eingesetzt. Hier ist das Verb für „retten“ ein Partizip, das heißt Gott rettet nicht nur einmalig durch die Taufe, sondern immer wieder, dauerhaft, das ganze Leben hindurch. Er ist es, der uns immer wieder vor dem moralischen Abfall rettet und uns zurückholt, wenn wir vom Weg abgekommen sind. Er ist barmherzig mit seinen Kindern, die von Herzen bereuen, wenn sie von Gottes Geboten abgerückt sind. Er vergibt ihnen die Schuld.
Diese Barmherzigkeit Gottes wird vor allem ab Vers 8 thematisiert: Gott ist gnädig und barmherzig. Er hat sehr viel Geduld mit uns. Er ist immer vergebungsbereit, wenn wir in aufrichtiger Reue zu ihm kommen. Dieser Psalm ist ein wunderbares Zeugnis dafür, dass auch schon das Alte Testament einen barmherzigen und vergebenden Gott kennt.
Dass Gott nicht mathematisch richtet, sehen wir an Vers 10: Er handelt am Menschen nicht nach seinen Sünden im Sinne von „er rächt sich an ihm für alles, was er ihm angetan hat.“ So ist Gott nicht. Wir müssen für unsere Sünden Rechenschaft ablegen und den entstandenen Schaden wieder gut machen. Wir müssen auch die Konsequenzen unserer Vergehen tragen, aber das hat nichts mit Rache zu tun. Nur so können wir zur Einsicht kommen und das gehört zur Verantwortung dazu, die einem von Gott verliehen worden ist.
Was in Vers 10 ausgedrückt wird, ist also nicht: „Es ist egal, wie du lebst, da Gott dich nicht nach deinen Sünden richten wird.“ Es heißt, dass Gott mehr als nur deine Handlungen selbst betrachten wird. Und wenn du deine Sünden von Herzen bereust, sie bekennst und dir vornimmst, sie nicht mehr zu tun, dann vergibt er sie dir. Die Vergebung ist ein Geschenk Gottes und Geschenke bekommt man unabhängig davon, ob man sie verdient hat oder nicht. Was wir für diese unverdiente Vergebung tun können, ist aufrichtig zu sein, ehrlich zu uns selbst und demütig im Licht seines Angesichts. Und mit dieser Einstellung öffnen wir uns für die Gnade Gottes so sehr, dass er auch aus einem großen Sünder einen Heiligen machen kann, solange er sich bekehrt. Dies zeigt uns Vers 12, der mit einem sehr romantisch-poetischen Ausdruck diese Verwandlung Gottes umschreibt: Gott entfernt unsere Sündhaftigkeit so weit von uns, wie es nur geht – eben „so weit der Aufgang entfernt ist vom Untergang“.
Gott ist ein barmherziger Vater, kann dies aber nur dann sein, wenn wir seine Kinder sein wollen und auf seinen Schoß kommen. Deshalb sagt Jesus auch: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Reich Gottes gelangen.“ Es liegt nicht an Gott, denn seine Tür steht immer offen. Es liegt an uns, ob wir zu ihm kommen oder nicht. Das nennen wir Umkehr. Und das ist auch gemeint, wenn hier die Rede von der Gottesfurcht ist. Gott kann uns nur dann vergeben, wenn wir Gott fürchten, ihn respektieren und deshalb merken, dass wir ihn respektlos behandelt haben. Auch der Psalm nimmt das Thema Barmherzigkeit in den Blick, die Barmherzigkeit, die wir in unserem Leben imitieren sollen, so wie es König David selbst, der diesen Psalm gedichtet hat, auch gelebt hat.

1 Kor 15
45 So steht es auch in der Schrift: Adam, der erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der letzte Adam wurde lebendig machender Geist.
46 Aber zuerst kommt nicht das Überirdische; zuerst kommt das Irdische, dann das Überirdische.
47 Der erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der zweite Mensch stammt vom Himmel.
48 Wie der von der Erde irdisch war, so sind es auch seine Nachfahren. Und wie der vom Himmel himmlisch ist, so sind es auch seine Nachfahren.
49 Wie wir nach dem Bild des Irdischen gestaltet wurden, so werden wir auch nach dem Bild des Himmlischen gestaltet werden.

Letzte Woche ging es um den unbedingten Zusammenhang von Jesu Auferstehung und der Auferstehung der Christen durch die Taufe. Daran schließen sich weitere Details zur Auferstehung an, die unserem heutigen Abschnitt vorausgehen.
Was wir heute hören, ist eine typologische Betrachtung. Jesus wird mit dem ersten Menschen in Beziehung gesetzt, um seine heilsgeschichtliche Bedeutung hervorzuheben.
Paulus argumentiert vor dem heutigen Abschnitt, dass es keine Auferstehung ohne Tod geben kann und dass das ewige Leben dem Menschen durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi ermöglicht worden ist. Dass der Mensch überhaupt dieses Ewigkeitspotenzial entfalten kann, hat er Christus zu verdanken. So versteht man auch, warum er die Gegenüberstellung von irdischem ersten Adam und überirdischem letzten Adam, also Christus, vornimmt. Der erste Adam ist ein irdisches Lebewesen, das zwar nach Gottes Ebenbild geschaffen ist, doch durch den Sündenfall das ewige Leben verloren hat. In diesem Sinne ist er ein irdisches Lebe-wesen, lebendig nur in dieser Welt. Das ewige Leben in der Gemeinschaft Gottes ist ihm verwehrt. Jesus ist dagegen in seiner Menschheit lebendig machender Geist geworden in der Auferstehung. Er ist wie jeder andere Mensch den irdischen Weg bis in den Tod gegangen, war wirklich ganz tot, um dann von den Toten aufzuerstehen. In diesem Vorgang hat er die Weichen gestellt, damit auch wir „lebendig machender Geist“ werden. Das betrifft einerseits unser Weiterleben der Seele in der Gegenwart Gottes. Das betrifft aber auch die leibliche Auferstehung, durch die wir in einem vergeistigten, verklärten Leib bei Gott sein werden. Das hat Jesus bereits erfahren.
„Der erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der zweite Mensch stammt vom Himmel.“ Der erste Mensch ist von der Erde, wie wir ganz eindrücklich im Schöpfungsbericht lesen: Gott schuf ihn aus dem Ackerboden. Sein Potenzial wurde verdorben durch den ersten Sündenfall, durch den die Sünde in die gesamte Schöpfung gekommen ist. Das erforderte eine zweite Schöpfung, bei der Gott selbst Mensch wurde, um sie zu begründen. Dieser zweite Mensch kam vom Himmel, aus der Ewigkeit, um der ersten Schöpfung die Ewigkeit zu schenken. Wer sich zur neuen Schöpfung wandeln lässt, das heißt die Taufe zur Vergebung der Sünden empfängt, wird im Hl. Geist zur neuen Schöpfung wiedergeboren. Die Typologie geht weiter: Wer von Adam abstammt, gehört zum Verfall der ersten Schöpfung. Wir alle sterben aufgrund der Sünde des ersten Menschen. Wer von Christus abstammt, für den ist das ewige Leben möglich aufgrund des Todes und der Auferstehung Jesu Christi. Wir stammen von ihm ab, wenn wir getauft werden. Und wie der auferstandene Christus anders ist als der irdische Christus vor seinem Tod, so werden wir als seine Nachfahren anders gestaltet werden mit unserer Auferstehung. Es wird wie gesagt vervollkommneter Leib sein, der nach dem Himmlischen gestaltet sein wird. Als der Auferstandene den verschiedenen Jüngern begegnet, haben sie ihn nicht sofort erkannt. Das hängt mit diesem Anderssein des Auferstehungsleibs zusammen. Das erwartet auch die auferstehenden Christen am Ende der Zeiten. Bis dahin erfahren wir eine Auferstehung der Seele.

Lk 6
27 Euch aber, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen!

28 Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen!
29 Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd!
30 Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand das Deine wegnimmt, verlang es nicht zurück!
31 Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen!
32 Wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Denn auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden.
33 Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder.
34 Und wenn ihr denen Geld leiht, von denen ihr es zurückzubekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder leihen Sündern, um das Gleiche zurückzubekommen.
35 Doch ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen, wo ihr nichts zurückerhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.
36 Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
37 Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden! Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden! Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden!
38 Gebt, dann wird auch euch gegeben werden! Ein gutes, volles, gehäuftes, überfließendes Maß wird man euch in den Schoß legen; denn nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden.

Im Evangelium hören wir heute von der Feindesliebe. Das ist eine ganz neue Dimension. Gott hat die Menschen lange darauf vorbereitet, indem er zunächst einmal die Mindestanforderung „Auge für Auge“ gestellt hat. Bis dahin hat man für ein verletztes Vieh die ganze Herde des Täters umgebracht oder sogar dessen ganze Familie. Das war eine unglaubliche Gewalt- und Rachespirale, die ganze Sippen ausgerottet hat. Dagegen sollte man von nun an vom Täter nur noch genau das Maß zurückverlangen, das er einem angetan hat. Es war also für das Alte Israel eine absolut humane Maßnahme. Nun aber auf der Höhe der Zeit möchte Jesus einen Schritt weitergehen und von seinen Jüngern mehr verlangen – überhaupt keine Rache auszuüben und den Feind sogar zu lieben.
Das verlangt Jesus jetzt nicht einfach als übertriebene und unzumutbare Forderung, sondern er tut uns Menschen damit einen Gefallen. Wir können endlich frei sein von dieser ständigen Sorge um Gerechtigkeit. Dabei sollen wir keinen Widerstand leisten und alles mit uns machen lassen. Das hat nichts damit zu tun, dass wir nichts wert sind und deshalb mit Füßen zertreten werden sollen. David hat uns im Psalm ja mit seiner Betrachtung wunderbar vor Augen geführt, was für wertvolle Geschöpfe wir sind! Gott war bereit, für uns Mensch zu werden und für unsere Erlösung sein Blut zu vergießen! Keinen Widerstand zu leisten heißt vielmehr, dass wir aus der Spirale der Rache und der Gewalt heraustreten. Menschen, die merken, dass wir sie nicht zurückschlagen, sondern ihnen noch unsere andere Wange hinhalten, werden überrascht sein. Sie werden sich schämen, weil sie sich dann ihrer eigenen Schlechtigkeit bewusst werden.
Wenn man angeklagt wird oder einem etwas weggenommen wird und man dem anderen dann noch den Rest gibt, wird er merken, was er eigentlich tut. Das alles gilt natürlich nur, wenn der Mensch auch nur das kleinste Bisschen Gewissen hat.
Bei der Feindesliebe geht alles auf die goldene Regel zurück: Das Maß an Nächstenliebe wird davon bestimmt, was ich mir selbst Gutes tun würde. Das bedeutet, dass wir bereitwillig die andere Wange hinhalten sollen, wenn es so weit kommt. Und wenn jemand uns für unseren Glauben töten will, sollen wir es zulassen. Das heißt nicht, dass wir das Martyrium aktiv suchen sollen, sondern auf zuerst an uns geschehenes Unrecht reagieren sollen. Wenn wir nicht alleine sind, sondern für andere Menschen Sorge tragen, ist das auch ein Faktor, der zu berücksichtigen ist: Dann können wir vielleicht unsere Wange hinhalten, aber nicht die der uns Anvertrauten. Wenn jemand also unsere eigenen Kinder oder Familienangehörigen angreift, dürfen und sollen wir sie beschützen. Denn auch Jesus sagt im Johannesevangelium: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ Umso mehr gilt dies für die eigene Familie.
Den zurückzulieben, der mich auch liebt, ist keine große Leistung. Das ist, was alle tun. Dann ist es aber keine Liebe mehr, sondern eine Win-Win-Situation. Die Liebe als Gabe Gottes, die Agape, ist dagegen dann wirksam, wenn man gehasst wird, wenn es schwierig wird, wenn man liebt, obwohl man keine Gegenliebe erwarten kann.
Wer gibt, weil er weiß, dass ihm zurückgegeben wird, hat seinen Lohn schon bekommen. Er braucht vom Vater im Himmel nichts mehr erwarten.
Jesu Worte dringen direkt ins Herz und sind eine Herausforderung. Man wird dazu aufgefordert, zu lieben, wo es einem gegen den eigenen Strich geht, gegen das eigene Ego. Aber genau diese Art von Liebe, von Ohnmacht, von Gewaltlosigkeit ist die göttliche Weisheit, von der Paulus spricht. Die Menschen verhöhnen einen noch in der heroischen Tat des Wangehinhaltens. Wir werden dann nichts Anderes erwarten können, denn Jesus selbst ist noch am Kreuz ausgelacht worden, weil er als Messias sich nicht vom Kreuz herabgeholt hat.
Das Ausschlaggebende besteht in den Absichten und innersten Regungen des Herzens. Diese können wir bei unseren Mitmenschen gar nicht einsehen. Dies kann nur Gott und so ist er der einzig Kompetente für ein gerechtes Urteil.
Wir sollen einander nicht richten und verurteilen. Man kann nur dann ein gerechter Richter sein, wenn man den Menschen bis ins innerste Mark durchschauen kann. Das Entscheidende können wir am Mitmenschen aber nicht sehen – sein Herz, aus dem seine Absichten hervorgehen. Deshalb werden wir Menschen nie so gerecht richten können wie der Vater im Himmel. Und wir werden mit demselben Maß gerichtet werden, wie wir bei unseren Mitmenschen angewandt haben. Dieses Maß spezifiziert Jesus auch anhand von Barmherzigkeit. Wenn wir den anderen mit Barmherzigkeit begegnen, anstatt ihn zu verurteilen, wird auch uns Barmherzigkeit entgegen gebracht werden, wenn wir vor Gott stehen. Das Problem bei der Verurteilung ist nämlich, dass wir uns zum Gerechten aufspielen, also zu jemandem, der besser ist als der zu Verurteilende. Dabei gibt es keinen Menschen, der ohne Sünde ist und somit besser als der andere anzusehen ist. Jeder Mensch sündigt, nur unterschiedlich. Wer also verurteilt, ist heuchlerisch. 

Heute hören wir sehr viel von Barmherzigkeit, Liebe und Vergebung. Wir sehen in David ein gutes Beispiel und Jesus erfüllt dies auf noch viel vollkommenere Weise, indem er für uns am Kreuz gestorben ist. In seiner Nachfolge sollen auch wir unser Leben hingeben – wir sterben einander, wo wir uns unserem Nächsten verschenken. Jesus sagt, dass wenn wir uns selbst verleugnen, das ewige Leben haben. Letztendlich macht uns dieser Weg glücklich, denn wir sind gemacht, um zu lieben. Als Kinder des himmlischen Vaters sind wir am glücklichsten, wenn wir lieben, auch wenn Liebe oft sehr wehtut. Nicht immer werden wir zurückgeliebt werden, nicht immer werden die Menschen es uns danken. Doch Gott sieht alles und er vergilt alles.

Ihre Magstrauss

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