2 Thess 2,1-3a.14-17; Ps 96,10-11.12-13b; Mt 23,23-26
2 Thess 2
1 Brüder und Schwestern, wir bitten euch hinsichtlich der Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, und unserer Vereinigung mit ihm:
2 Lasst euch nicht so schnell aus der Fassung bringen und in Schrecken jagen, wenn in einem prophetischen Wort oder einer Rede oder in einem Brief, wie wir ihn geschrieben haben sollen, behauptet wird, der Tag des Herrn sei schon da!
3 Lasst euch durch niemanden und auf keine Weise täuschen!
14 Dazu hat er euch durch unser Evangelium berufen; ihr sollt nämlich die Herrlichkeit Jesu Christi, unseres Herrn, erlangen.
15 Seid also standhaft, Brüder und Schwestern, und haltet an den Überlieferungen fest, in denen wir euch unterwiesen haben, sei es mündlich, sei es durch einen Brief!
16 Jesus Christus selbst aber, unser Herr, und Gott, unser Vater, der uns liebt und uns in seiner Gnade ewigen Trost und sichere Hoffnung schenkt,
17 ermutige eure Herzen und gebe euch Kraft zu jedem guten Werk und Wort.
In der Lesung hören wir einen Ausschnitt aus dem zweiten Thessalonicherbrief, bei dem die Endzeit und Wiederkunft Christi thematisiert werden. Es handelt sich ja um einen Brief, weshalb Paulus hier auf Fragen und Themen eingeht, die die Gemeinde ihm zuvor gestellt hat. Offensichtlich herrscht dort eine panische Stimmung oder zumindest Verunsicherung vor, weil irgendwer behauptet hat, „der Tag des Herrn sei schon da!“ Gemeint ist, dass Jesus schon wiedergekommen ist. Paulus sagt der Gemeinde deshalb zu, dass sie sich „nicht so schnell aus der Fassung bringen und in Schrecken jagen“ lassen soll. Er lässt durchblicken, dass diese Behauptung zum Beispiel durch eine Prophezeiung den Christen von Thessaloniki zugekommen ist. Anscheinend haben sie nicht nur von Paulus Briefe erhalten, sondern auch von anderen Missionaren oder wem auch immer, da Paulus die Panikmacherei auch über dieses Medium für möglich hält. Er sagt ganz klar, dass dies alles eine Täuschung darstellt. Christus ist noch nicht wiedergekommen. Wir müssten die gesamte Schrift einmal durchlaufen und die entsprechenden Aussagen Jesu Christi hier nennen. Zusammengefasst lässt sich aus ihnen schließen: Wenn Jesus wiederkommt als verherrlichter Menschensohn am Letzten Tag, dann wird es jeder sehen. Er wird auf den Wolken des Himmels auf die Erde kommen und dies in aller Öffentlichkeit. Es kann also nicht sein, dass er vielleicht schon da ist und jemand es versäumt hat. Es geht auch nicht darum, ängstlich auf diesen Tag zu warten oder herum zu spekulieren, wann das sein wird. Vielmehr sollen die Christen die Gebote Gottes halten und im Stand der Gnade sein, damit sie jederzeit bereit sind.
Paulus erinnert die Thessalonicher daran, dass sie dazu berufen sind, die Herrlichkeit Christi zu erlangen. Das bedeutet, dass sie durch die Taufe zur Heiligkeit und zum ewigen Leben bei Gott berufen sind. Die praktische Konsequenz ist ein Leben nach den Geboten. Und deshalb ruft Paulus sie dazu auf, „an den Überlieferungen“ festzuhalten – mündlich oder durch einen Brief. Zu jener Zeit ist das Neue Testament noch nicht geschrieben. Dessen Inhalt wird in den ersten Jahrzehnten des Christentums mündlich weitergegeben oder in Form von Gemeindebriefen, was die erste Verschriftlichung darstellt. Diese Überlieferungen sind später nicht eins zu eins vollständig niedergeschrieben worden in Form des Neuen Testaments. Ich wiederhole. Das Neue Testament enthält nicht alle vollständigen Überlieferungen der Apostel. Das ist auch gar nicht möglich, weil es so viel ist. Diese Dinge sind mit der Zeit zwar verschriftlicht worden, aber nicht alle in der Bibel. Wenn wir die vollständige Lehre Jesu haben wollen, müssen wir also nicht nur das Neue Testament lesen, sondern auch die anderen Überlieferungen beachten, die aus Zeit- oder Platzgründen gar nicht mehr ins NT eingegangen sind. Wenn die Thessalonicher daran festhalten, wird sie keine Panikmache berühren, denn sie wissen von Christus selbst, wie es ablaufen wird. Und dieser selbst wird sie dazu ermutigen, nach den Geboten Gottes zu leben, bis er wiederkommt. Die Christengemeinde damals soll sich nicht in die Apokalyptik hineinsteigern (wachsam sein schon), sondern die restliche Zeit bis dahin ein gerechtes Leben führen. Darauf kommt es an.
Das erinnert uns an die Apostel, die damals zum Himmel hinaufgesehen haben, auch nachdem Christus schon längst zum Vater heimgekehrt ist. Und dann sprechen die Engel sie darauf an. Auch sie sollen tätig werden.
Und diese Worte gelten auch uns Christen heute. Natürlich müssen wir uns dessen bewusst sein, dass wir in der Endzeit leben. Bei so manchem Katholiken ist dies gänzlich aus dem Sinn. Dagegen herrscht eine regelrechte Hysterie ähnlich der Thessalonicher in verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften. Auch dort wird diskutiert, ob Christus schon längst wiedergekommen ist. Es ist wie ein einziges Déjàvu der heutigen Lesung. Und auch dann möchte Paulus klarstellen: Haltet die Gebote und seid jederzeit bereit. Lasst euch nicht in Panik versetzen.
Ps 96
10 Verkündet bei den Nationen: Der HERR ist König! Fest ist der Erdkreis gegründet, er wird nicht wanken. Er richtet die Völker so, wie es recht ist.
11 Der Himmel freue sich, die Erde frohlocke, es brause das Meer und seine Fülle.
12 Es jauchze die Flur und was auf ihr wächst. Jubeln sollen alle Bäume des Waldes
13 vor dem HERRN, denn er kommt, denn er kommt, um die Erde zu richten.
Der Antwortpsalm ist heute Ps 96 entnommen, der von hymnischen Abschnitten durchzogen ist und zum Ende hin das sogenannte Thronbesteigungsmotiv aufgreift. Dabei handelt es sich um Aussagen, die Gottes Königtum thematisieren und seinen Herrschaftsantritt schildern.
Ganz in typischem Psalmenstil ruft der Psalmist die ganze Schöpfung dazu auf, den Herrn zu lobpreisen, denn der Messias kommt, der universales Heil bringt. Die Nationen werden mit dem Begriff בַגֹּויִ֨ם baggojim „in/bei den Völkern/Nationen“ ausgedrückt. Das heißt, es umfasst die nichtjüdischen Völker und ist somit ein Hinweis auf den Neuen Bund Gottes mit allen Menschen. In den heutigen Versen werden zudem die verschiedenen Bereiche der Schöpfung zum Lobpreis aufgefordert, was ein typisches Psalmenelement darstellt.
Diesen Psalm haben wir auch in der Adventszeit gebetet, hier bezieht er sich nun auf den zweiten Advent: auf die Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten. Das ist auch das zentrale Thema der heutigen Lesung. Die ganze Kirche ist in einer adventlichen Stimmung bis zum Ende der Welt, denn sie erwartet das Kommen des Menschensohnes. Und das verleiht den Christen die unerschütterliche Hoffnung auf ein gutes Ende für die eigene Biographie, aber auch für die gesamte Weltgeschichte. Wenn Gott nämlich wiederkommt, wird er „seinen Thron besteigen“. Von den apokalyptischen Büchern der Bibel wissen wir, dass Gott längst auf seinem Thron sitzt und herrscht, doch am Ende der Zeiten wird er sich gegen die bösen Mächte durchsetzen, denen er momentan noch einen gewissen Spielraum zugesteht. Dann wird er als königlicher Herrscher die Völker richten. Am Ende der Zeiten wird es ein Weltgericht geben, dem sich keiner entziehen kann.
Was auffällig ist und auch in der Offb so formuliert wird: Gott wird nicht sein, sondern er kommt. Gleich zweimal wird dies hier ausgesagt. Gott ist schon unterwegs zu uns, statt in unbestimmter Zukunft erwartet zu werden. Das ist der Kern adventlicher Erwartung, sowohl auf Weihnachten hin als auch auf das Ende der Zeiten hin. Wir leben auch in adventlicher Erwartung auf die Eucharistie. Jesus Kommt sakramental immer wieder zu uns und wir leben in eucharistischer Gesinnung. Gott kommt auch immer wieder in unser alltägliches Leben. Wir müssen nur genau hinschauen. Wie viele Wunder geschehen von Tag zu Tag, an denen man Gottes Eingreifen erkennen kann. Wir empfangen den Herrn in der Kommunion und wenn wir es zulassen, dann bleibt er bei uns. Er bestimmt unser Leben und stärkt uns in den täglichen Kämpfen.
Im Psalm fällt auf, dass das Gericht Gottes sehr positiv gesehen wird. Gottes Gerichtshandeln ist absolut gerecht und dadurch eine Erlösung von der Ungerechtigkeit, unter der das Volk Israel leidet. Auch wir haben nichts zu befürchten, wenn wir uns aufrichtig um unsere Beziehung zu Gott bemühen, wie es auch Paulus im Thessalonicherbrief verdeutlicht. Konkret zeigt sich dies durch unsere Früchte – aus Liebe seine Gebote zu halten und die Heilsmittel dafür in Anspruch zu nehmen.
Mt 23
23 Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz außer Acht: Recht, Barmherzigkeit und Treue. Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen.
24 Blinde Führer seid ihr: Ihr siebt die Mücke aus und verschluckt das Kamel.
25 Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr haltet Becher und Schüsseln außen sauber, innen aber sind sie voll von Raffsucht und Gier.
26 Du blinder Pharisäer! Mach den Becher zuerst innen sauber, dann ist er auch außen rein.
Im Evangelium geht es um eine religiöse Gruppe zur Zeit Jesu, die eine falsche Haltung einnimmt und gerade nicht umsetzt, was Paulus oder der Psalm herausgestellt haben: Sie halten nicht die Gebote aus aufrichtiger Liebe zu Gott. Es geht um die Pharisäer und Schriftgelehrten. Jesus hat heute sehr harte Worte für sie, weil er auch sie erreichen möchte, damit sie gerettet werden. Außerdem möchte er den Anwesenden zeigen, wie Gottes Gericht schon in diesem Leben, spätestens am Lebens- und Weltende sein wird.
Jesus setzt zu Weherufen gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten ein, die die Heuchelei zum Kern haben. Ein Zehntel an Kräutern geben diese zwar ab, doch den „Zehnten“ des ethischen Verhaltens ignorieren sie. Jesus bezieht sich hier auf Lev 27,30, wo der Zehnte des Ernteertrags Gott gehört. Er soll ihm sozusagen zurückgegeben werden als Zeichen der Dankbarkeit. Das ist ja auch richtig, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten das also tun. Das Problem ist die Doppelmoral, denn sie ignorieren zugleich die andere Seite der Medaille. Gott etwas vom Ertrag zurückzugeben, gründet ja auf der Gottesliebe. Diese ist aber zutiefst mit der Nächstenliebe verbunden. Wie kann man die Gottesliebe also im Falle der Pharisäer und Schriftgelehrten aufrichtig nennen, wenn sie zugleich die Nächstenliebe ignorieren? Jesus fasst deshalb zusammen: „Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen.“
Jesus fährt fort: „Blinde Führer seid ihr: Ihr siebt die Mücke aus und verschluckt das Kamel.“ Zurückbezogen auf das Beispiel der Zehntabgabe heißt das, dass es viel wichtigere Gebote gibt, die sie ignorieren, doch sind versessen auf die Kleinigkeiten. Hauptsache die Abgabe ist getätigt, auch wenn man dann im nächsten Moment die Armen und Rechtlosen ausnimmt und das Geld in die eigene Tasche steckt. Hauptsache die Hände sind vor dem Essen gewaschen, aber mit denselben Händen haben sie zuvor schlimme Sünden gegen die Zehn Gebote begangen wie das Stehlen oder das „Morden“ (ja, auch mit dem Finger auf andere zeigen gehört zum fünften Gebot).
Jesus bringt als Beispiel für die Reinheitsgebote das äußerlich saubere Geschirr, das von innen dreckig ist. Die Pharisäer legen so sehr wert auf Äußerlichkeiten, dass sie die innere Haltung, die Herzensreinheit, die Absicht hinter den äußeren Handlungen ganz vergessen. Und dabei möchte Jesus, dass wir Menschen innen und außen kongruent sind. Unser innerer Antrieb für das Halten der Gebote muss allein die Liebe sein. Barmherzigkeit zeigt so eine innere Haltung, die jenen fehlt, die den Zehnten zum höchsten Dogma erheben, dafür aber den Rechtlosen kein Recht verschaffen – wir denken besonders an die Witwen und Waisen in den Städten, die auch mal ein Almosen verdient hätten. Wir denken an die Vergebung und Feindesliebe, an das Ehren von Vater und Mutter (da hebeln sie das Gebot Gottes ja sogar durch ein menschliches Gebot aus).
Vor Gott sind die Menschen nicht rein, wenn sie äußerlich rein sind – also können sich die Pharisäer und Schriftgelehrten die Ritualgebote schenken – sondern wenn ihr Herz rein ist. Und dies zeigt sich in einem barmherzigen Handeln, im Halten der Zehn Gebote und nicht des eigenen menschlichen Konstrukts. Gott möchte, dass wir die richtige Priorität nicht aus den Augen verlieren: Seine Zehn Gebote, die er selbst gegeben hat, sind an oberster Stelle. Denn Gottes Gebote basieren auf dem Doppelgebot der Liebe, das den gesamten Kern darstellt. Wenn wir dieses Doppelgebot mit aufrichtigem Herzen befolgen, dann müssen wir vor dem kommenden Gottesgericht keine Angst haben.
Ihre Magstrauss