Samstag der 29. Woche im Jahreskreis

Eph 4,7-16; Ps 122,1-3.4-5; Lk 13,1-9

Eph 4
7 Aber jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat.

8 Deshalb heißt es: Er stieg hinauf zur Höhe und erbeutete Gefangene, er gab den Menschen Geschenke.
9 Wenn es heißt: Er stieg aber hinauf, was bedeutet dies anderes, als dass er auch zur Erde herabstieg?
10 Derselbe, der herabstieg, ist auch hinaufgestiegen über alle Himmel, um das All zu erfüllen.
11 Und er setzte die einen als Apostel ein, andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer,
12 um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zuzurüsten, für den Aufbau des Leibes Christi,
13 bis wir alle zur Einheit im Glauben und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, zum vollkommenen Menschen, zur vollen Größe, die der Fülle Christi entspricht.
14 Wir sollen nicht mehr unmündige Kinder sein, ein Spiel der Wellen, geschaukelt und getrieben von jedem Widerstreit der Lehrmeinungen, im Würfelspiel der Menschen, in Verschlagenheit, die in die Irre führt.
15 Wir aber wollen, von der Liebe geleitet, die Wahrheit bezeugen und in allem auf ihn hin wachsen. Er, Christus, ist das Haupt.
16 Von ihm her wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt durch jedes Gelenk. Jedes versorgt ihn mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und baut sich selbst in Liebe auf.

In der Lesung hören wir heute wieder aus dem Epheserbrief. Gestern ging es um die Einheit der Christen, die in der Einheit des gemeinsamen Gottes und Vaters gründet. Dieser ist es nun in der Familie Gottes, die der Neue Bund ist. Wir sind alle seine Kinder und Erben in seinem Reich.
Gott hat den Menschen unterschiedliche Begabungen und Berufungen geschenkt. Sie werden hier als „Geschenke“ bezeichnet.
Christus ist dabei derselbe, der vom Himmel hinabgestiegen ist und dann in den Himmel hinaufgestiegen ist. Er ist verherrlicht und sein Aufstieg ist Ausdruck dieser Verherrlichung, durch die er über die ganze Schöpfung gesetzt ist, „um das All zu erfüllen“. Das heißt nicht, dass er vor seiner Menschwerdung diese Herrlichkeit nicht hatte, sondern dass er während seines irdischen Daseins auf diese Herrlichkeit verzichtet hat und sie nun wieder fortsetzt.
Die Einheit der Christen in der Gemeinde bedeutet aber nicht, dass alle dasselbe können und dieselbe Berufung haben. Während die einen als Apostel eingesetzt worden sind, sind die anderen zu Evangelisten geworden, Hirten und Lehrer (das Hirtenamt ist der sakramentale Weihegrad des Bischofs, der der Nachfolger der Apostel ist). Wiederum andere sind mit dem Charisma der Prophetie ausgestattet worden. Paulus nennt hier Ämter sakramentaler und nichtsakramentaler Art. Was auch immer der Mensch für Begabungen und Berufungen von Gott geschenkt bekommt – sie dienen stets dem Aufbau der Gemeinde. Das erklärt Paulus auch sehr ausführlich im ersten Korintherbrief. Und diese Gaben von Gott helfen den Ephesern sowie uns, immer mehr in die gottgewollte Einheit zu kommen, zu der wir alle berufen sind. Diese Gaben sollen auch helfen, mündig zu sein, „nicht mehr unmündige Kinder“, die getrieben werden von den menschlichen Intrigen und dem sich stets wandelnden Zeitgeist. Wir sollen fest gegründet sein in der Wahrheit, die Christus ist, dann werden wir nicht zum Spielball der Welt.
Diese Wahrheit sollen die Christen auch bezeugen. Das macht ihr missionarisches Wesen aus. Wichtig ist dabei, von der Liebe geleitet zu werden. Der Hl. Thomas von Aquin hat die richtige Austarierung von Wahrheit und Liebe wie folgt zusammengefasst: „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit, Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung.“ Beides gehört zusammen.
Von Christus her wird der ganze Leib zusammengefügt. Er stiftet Gemeinschaft, weshalb die Hl. Eucharistie so entscheidend ist. Wo das Kreuzesopfer stets vergegenwärtigt wird, schlägt das Herz der Kirche mit Kraft und in gesundem Rhythmus. So wird der ganze Leib versorgt. Wo sein Hl. Wort verkündet und treu gelebt wird, da herrscht Einheit. Wo sein Hl. Geist weht, da ist Einheit.

Ps 122
1 Ein Wallfahrtslied. Von David. Ich freute mich, als man mir sagte: Zum Haus des HERRN wollen wir gehen.

2 Schon stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem:
3 Jerusalem, als Stadt erbaut, die fest in sich gefügt ist.
4 Dorthin zogen die Stämme hinauf, die Stämme des HERRN, wie es Gebot ist für Israel, den Namen des HERRN zu preisen.
5 Denn dort standen Throne für das Gericht, die Throne des Hauses David.

Als Antwort beten wir heute Psalm 122, eines der bekanntesten Wallfahrtslieder des Psalters. Er passt sehr gut zur Lesung, weil es an ihr Ende anknüpft. Es ging ja darum, dass wo Eucharistie gefeiert wird, wir in der Einheit immer mehr zusammenwachsen. Dieses Wallfahrtslied kann vor diesem Hintergrund vor allem sakramental ausgelegt werden.
Nach Jerusalem zu ziehen, stellt immer einen Grund zur Freude dar. Es ist der Ort der Gegenwart Gottes. Dort wohnt seine Herrlichkeit im Tempel. Es ist die Heilige Stadt, die auch über den wörtlichen Sinn hinaus heilig und erstrebenswert ist. Auch als Ort der Erlösung ist es ein einziger Grund zur Freude, dort hinzukommen. Die Kirche ist das neue Jerusalem hier auf Erden. Der Tempel ist zerstört, doch in der Eucharistie wohnt Christus inmitten der Familie Gottes. Zu ihr zu ziehen als Prozess bis hin zur Taufe, ist eine Freude für den betroffenen Menschen, aber auch für die Kirche, die um ein Kind Gottes erweitert wird. Ziehen zum Haus des HERRN tut jeder getaufte Christ durch das Gehen in sich. Denn Gott hat durch die Taufe Wohnung in unserer Seele genommen. Die umfassende und vollkommene Freude erfahren wir, wenn wir zum himmlischen Jerusalem ziehen dürfen am Ende unseres Lebens und am Ende der Zeiten.
Die Füße stehen schon in den Toren Jerusalems. Es ist einerseits messianisch zu deuten: Bald beginnt die messianische Endzeit und somit die eschatologische Völkerwallfahrt, die uns sowohl Jesaja als auch die Johannesoffenbarung überliefert.
Jerusalem ist eine starke Stadt, die fest gefügt ist. Sowohl als Heilige Stadt im wörtlichen Sinn kann man das sagen aufgrund der Wohnung Gottes im Tempel. Er ist das größte Fundament, das eine Stadt haben kann. Auch im geistigen Sinn müssen wir das bestätigen: Christus ist das Fundament der Kirche. Sie ist fest gefügt und stark erbaut, sodass die Mächte der Finsternis sie nicht überwältigen. Wenn ein Mensch sein Leben ganz auf Gott baut, indem er nach dessen Willen lebt und im Stand der Gnade ist, dann kommt er nicht zu Fall, zumindest nicht endgültig. Nichts kann ihn erschüttern, wenn er ganz in Gott ist und Gott ganz in ihm. Deshalb darf die Kirche nie aufhören, die Eucharistie zu feiern! Sie ist gemeinschafts- und fundamentstiftend. Und das himmlische Jerusalem ist so stark und fest gebaut, dass es ewig halten wird. Es wird zudem keine Feinde geben, die die Stadt bedrohen werden.
In Vers 4 ist die Rede von den Stämmen des Herrn. Mit שֵׁבֶט schevet sind im Wortsinn zunächst die zwölf Stämme Israels gemeint, die zur Wallfahrt nach Jerusalem ziehen. Das hebräische Wort ist sehr offen, sodass es schon darüber hinaus auch für die Heiden angewandt werden kann, die gemeinsam mit den Juden als Stämme des Herrn im Neuen Bund nach Jerusalem ziehen, der Kirche Jesu Christi! Das ist wichtig im Hinblick auf die Gemeinde in Ephesus, die sich ja aus Juden- und Heidenchristen zusammensetzt und die Paulus‘ Ausführungen über die Einheit besonders benötigt. Und am Ende der Zeiten sind es alle standhaft gebliebenen Menschen, die zum himmlischen Jerusalem ziehen werden. Die unterschiedlich zusammengesetzte Gemeinde in Ephesus und alle Gemeinden heute sind ein Anfang dessen, was am Ende der Zeiten erfüllt wird – die universale Wallfahrt aller Menschen zu Gott.
Im selben Vers wird das hebräische Wort עֵד֣וּת edut mit „Gebot“ wiedergegeben. Die Elberfelder Übersetzung verwendet das Wort „Mahnzeichen“. Die primären Bedeutungen des Wortes sind „Zeugnis, Verordnung, Gesetz“. Dass die erste Bedeutung vorausgesetzt werden muss, also „Zeugnis“, zeigt sich an der griechischen Übersetzung des AT, der Septuaginta. Dort wird das griechische Wort μαρτύριον martyrion verwendet! Dies lässt den kundigen christlichen Bibelleser an den Kreuzestod Christi denken, der der treue Zeuge ist (Offb 1,5).
In Vers 5 werden Gerichtsthrone des Hauses David beschrieben. Dies ist im Zusammenhang mit Jesaja zu lesen, wo vom Zion aus Rechtsprechung vollzogen wird (Jes 2,4). Dabei handelt es sich um messianische Rede, denn später wird es über den Messias heißen, dass er mit eisernem Zepter über die Stämme regieren wird. Gemeinsam mit ihm werden die 24 Ältesten auf 24 Thronen regieren (die Zahl ist bildhafter Code für die Verbindung von Altem und Neuem Bund, also nicht wörtlich zu nehmen). Diese sieht der Seher Johannes auf 24 Thronen um den Gottesthron herum. Dann sind es nicht mehr nur die Throne des Hauses David, sondern die Throne der geistigen Familie Gottes. Dann spielt die Biologie keine Rolle mehr, die Abstammung von den zwölf Stämmen, sondern die Zugehörigkeit zur neuen Schöpfung durch die geistige Neugeburt der Taufe.

Lk 13
1 Zur gleichen Zeit kamen einige Leute und berichteten Jesus von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischt hatte.

2 Und er antwortete ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer, weil das mit ihnen geschehen ist?
3 Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.
4 Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms am Schiloach erschlagen wurden – meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten als alle anderen Einwohner von Jerusalem?
5 Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle ebenso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.
6 Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine.
7 Da sagte er zu seinem Winzer: Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen?
8 Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen.
9 Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen!

Im Evangelium hören wir heute sehr wichtige Ausführungen zur Theodizee-Frage, die ja zu allen Zeiten gestellt und nie abschließend und zufriedenstellend beantwortet werden kann. Es geht um das Leid der Menschen.
Pilatus hat traditionsbewusste, fromme Jerusalempilger aus Galiläer umbringen lassen, als sie Opfertiere dargebracht haben zur Sühne ihrer Sünden (wie es eben üblich ist). Dabei hat sich ihr Blut mit dem Blut ihrer Opfertiere vermischt. Das ist ein verstörendes Ereignis, das die Bosheit des widergöttlichen Römischen Reichs zeigt, aber vor allem im Kontext der Worte Jesu in Lk 12 als apokalyptisches Zeichen gedeutet wird. Was passiert ist, ist ein Hinweis auf die Endzeit, weshalb der Umkehrruf Jesu umso drängender ist. Er nimmt dieses Ereignis zum Anlass, den Menschen anzukündigen, dasselbe zu erleben, wenn sie sich nicht bekehren.
Er nennt noch ein anderes Ereignis, nämlich den Einsturz des Turmes von Schiloach, bei dem achtzehn Menschen gestorben sind. Auch dies soll die Menschen dazu führen, sich an die eigene Brust zu schlagen und Gott um Vergebung der eigenen Sünden zu bitten. Es ist wie das erste Ereignis ein apokalyptisches Zeichen.
Das Problem ist, dass die Menschen in ihrem Tun-Ergehen-Zusammenhang eine perfekte Ausrede gefunden haben, die Ereignisse ganz von sich zu weisen und unverändert weiter zu leben – in ihren Sünden, in ihrer Verstocktheit und Bußunfertigkeit. Jesus stellt dagegen klar: „Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer, weil das mit ihnen geschehen ist?“ Der Tod ist wirklich die Folge der Sünde, aber es ist zu einfach zu sagen: Das haben sie jetzt verdient und ich habe nichts damit zu tun. Die Auswirkungen der Sünde sind immer verheerend, gehen über die Schuldigen weit hinaus und laufen komplett aus dem Ruder. Die Folgen von Sünde ziehen immer Unschuldige mit hinein. Wer kann hier sagen, wer genau an was schuld ist? Das ist ein Geheimnis, das wir nicht begreifen. Und wenn so etwas passiert, soll jeder Mensch betroffen sein. Wer weiß denn, ob es nicht an der eigenen Sünde liegt, dass Gott so etwas zugelassen hat?
Es stimmt auch nicht, dass jene, die beim Turmbau gestorben sind, selbst daran schuld sind. Wie können die Überlebenden das denn so genau sagen? Ist das nicht zu einfach geantwortet, um sich herauszureden?
Jesus geht es nicht darum, zu erklären, ob die Gestorbenen es verdient haben oder nicht, sondern um Umkehrbereitschaft zu wecken. Jeder soll davon betroffen sein und sein eigenes Leben ändern, damit es nicht mit einem selbst passiert. Die Endzeit ist angebrochen! Es ist nicht mehr viel Zeit geblieben, um sich zu ändern.
Deshalb bringt er noch ein Gleichnis an, dass dies betonen soll: Ein Mann hat in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt, der einfach keine Früchte trägt. Drei Jahre lang geht es so und nun ordnet er dem angestellten Winzer an, den Baum abzuhauen. Es rentiert sich nicht. Der Baum zieht die ganzen Nährstoffe aus dem Boden, macht nur unnötigen Schatten, ist einfach nicht wirtschaftlich. Doch der Winzer denkt anders. Er schaut nicht, was Gewinn einbringt, sondern will dem Feigenbaum noch eine Chance geben. Das ist menschlich gesehen, wirtschaftlich gesehen unvernünftig. Er möchte sogar die Arbeit auf sich nehmen, den Boden um den Baum herum umzugraben und zu düngen! Das ist „Affenarbeit“ würde man heute sagen. Doch genau das ist die Denkweise Gottes. Er könnte die Menschen, die keine guten Früchte bringen (gemeint sind gute Taten, denn das Bild wird immer ethisch verwendet), einfach verwerfen. Doch Gott ist nicht nur gerecht. Er ist beides – gerecht und barmherzig. Das ist es, was Paulus ja im Epheserbrief erklärt hat und was Thomas von Aquin mit seinem berühmten Zitat zusammenfasst. Gott ist barmherzig und gibt dem Menschen noch bis zum letzten Augenblick die Chance zur Umkehr. Aber der Gutsherr ist schon da. Johannes der Täufer sagte, die Axt ist schon angelegt. Es ist kurz vor zwölf! Die Endzeit ist schon angebrochen, deshalb ist es höchste Zeit, umzukehren! Was Jesus uns auch heute sagen möchte, ist ganz klar: Keiner kann sich herausreden, wenn Katastrophen und Leid passieren. Wir alle müssen umkehren und Gott um Verzeihung bitten. Wir sollen nicht grübeln, wer jetzt welche Schuld trägt, dass er oder sie sterben muss, und am besten noch ins Hadern mit Gott kommen. Das ist alles nicht hilfreich und gar nicht unsere Kompetenz. Natürlich tragen wir die Konsequenzen unserer eigenen Sünde, aber wer von uns kann schon das gesamte Bild sehen und die wirren Auswirkungen der Sünde auseinanderpfriemeln? Stattdessen sollen wir bei uns selbst schauen, Gewissenserforschung betreiben, Gott um Verzeihung bitten und unser Leben ändern. Es ist höchste Zeit!

Ihre Magstrauss

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