Dienstag der 9. Woche im Jahreskreis

Tob 2,9-14; Ps 112,1-2.6-7.8-9; Mk 12,13-17

Tob 2
9 In derselben Nacht badete ich, ging in meinen Hof hinaus und legte mich an der Hofmauer zum Schlafen nieder; mein Gesicht war unverhüllt wegen der Hitze.
10 Ich wusste aber nicht, dass Spatzen über mir in der Mauer waren. Ihr warmer Kot fiel mir in die Augen und führte zu weißen Flecken. Ich ging zu den Ärzten, um mich behandeln zu lassen, aber je mehr Arzneien sie mir daraufstrichen, desto mehr erblindeten meine Augen an den weißen Flecken, bis sie ganz blind waren. Vier Jahre lang konnte ich meine Augen nicht gebrauchen. Alle meine Brüder waren meinetwegen bekümmert. Achikar sorgte zwei Jahre lang für meinen Unterhalt, bevor er nach Elymaïs ging.
11 In jener Zeit verdiente meine Frau Hanna Geld durch Frauenarbeiten.
12 Sie schickte die Arbeiten ihren Herren und die bezahlten ihr den Lohn. Einmal, an einem siebten Dystros, stellte sie das Webstück fertig und schickte es den Herren und die gaben ihr den ganzen Lohn und schenkten ihr dazu ein Ziegenböcklein für den Herd.
13 Als sie zu mir heimkam, begann das Böcklein zu meckern. Da rief ich sie und sagte: Woher ist dieses Böcklein? Ist es etwa gestohlen? Gib es seinen Herren zurück! Wir haben kein Recht, etwas Gestohlenes zu essen.
14 Sie sagte zu mir: Es wurde mir als Geschenk zum Lohn hinzugegeben. Ich aber glaubte ihr nicht und sagte, sie solle es den Herren zurückgeben und ich wurde rot vor Zorn über sie. Darauf erwiderte sie und sagte zu mir: Und wo sind jetzt deine Werke der Barmherzigkeit? Wo sind deine gerechten Taten? Es ist doch bekannt, was mit dir los ist!

Heute hören wir die Fortsetzung der Erzählung aus dem Buch Tobit. Zuletzt wurde uns berichtet, wie er einen erdrosselten Landsmann bestattet hat, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Die gesamte Erzählung spielt sich in der Zeit der assyrischen Fremdherrschaft ab, in die das Nordreich Israel aufgrund seiner Verstocktheit geraten ist. In der Nacht legt sich Tobit draußen schlafen, weil es sehr warm ist. Nun kommt es kurioser Weise dazu, dass über ihm auf der Mauer Spatzen sitzen, deren Kot auf seine Augen fallen und zu seiner Blindheit führen. Tobit versucht, das Problem behandeln zu lassen, aber es wird nur schlimmer, sodass er komplett erblindet. Es heißt, dass er vier Jahre lang nichts sehen kann und viele sich um ihn sorgen. Wir hören von einem gewissen Achikar, der bis zu seiner Abreise nach Elymais für den Lebensunterhalt Tobits aufkommt. Die gestrige Erzählung sowie die heutigen Verse zeigen uns, dass zwischen den Landsleuten in der angespannten politischen Situation eine ausgeprägte Solidarität vorherrscht. Sie halten zusammen und helfen einander in der Not. Gestern endete die Passage ja damit, dass Tobit sich durch die Bestattung eines Landsmanns in Gefahr brachte, es dennoch durchzog.
Tobits Frau Hanna verdiente ebenfalls Geld mit „Frauenarbeiten“, vermutlich mit Textilien, denn es heißt, dass sie die Aufträge ihren Herren schickte. Zudem ist die Rede von einem Webstück. Anscheinend macht sie gute Arbeit, weil ihr zusätzlich zum Lohn einmal ein Ziegenböcklein geschenkt wird. Uns zeigt dieses Detail, dass auch wenn Gott Leid zulässt, er uns zugleich die Kraft oder die Ressourcen gibt, die Situation zu meistern. Warum Tobit erblinden musste, können wir nicht genau sagen. Wer von uns kann eindeutig erklären, warum dieses oder jenes Leid ihn ereilt? Im Nachhinein können wir viel mutmaßen und auch erkennen, doch mittendrin ist es uns unbegreiflich. Da können wir nur aushalten und Gott vertrauen, dass er uns nichts Böses will.
Im Falle Tobits kommt uns zum Ende hin eine leise Ahnung, was los ist: Als seine Frau mit dem Ziegenböcklein nach Hause kommt und es meckert, bekommt es Tobit mit und meint, sie habe das Tier gestohlen. Sie dagegen gibt ihm zu verstehen, dass es ein Geschenk war. Er glaubt ihr allerdings nicht und wird richtig wütend. Er fordert sie auf, es den Herren zurückzubringen. Daraufhin entgegnet seine Frau ihm etwas, das uns langsam begreifen lässt, warum der Mann erblindet wurde: „Und wo sind jetzt deine Werke der Barmherzigkeit? Wo sind deine gerechten Taten? Es ist doch bekannt, was mit dir los ist!“ Weil sein Zustand den Menschen bekannt ist, möchten diese ihm helfen. Sie erklärt ihm, warum das Geschenk plausibel ist. Sein ganzes Leben lang hat Tobit etwas Gutes für andere getan. Er war derjenige, der immer wieder barmherzige Akte an anderen vollzogen hat. Das ist löblich und er ist dafür von Gott auch reichlich gesegnet worden. Doch eines muss er nun lernen: Er muss auch selbst die Barmherzigkeit anderer Menschen annehmen können. Es scheint, als ob Gott seine Situation von Hilflosigkeit zulässt, damit auch er lernt, was er an anderen getan hat: sich helfen zu lassen und alles von anderen zu empfangen. Jesus sagt: Wer nicht wird wie die Kinder, kann nicht in das Reich Gottes eingehen. Es ist sehr gut, wenn wir einander so sehr helfen und uns gegenseitig ganz hingeben. Aber dabei besteht die Versuchung, dass man verlernt, selbst auch empfangen zu können. Wenn man zu erwachsen denkt, wird es schwierig, von Gott alles zu erwarten und sich schenken zu lassen, anstatt selbst alles machen zu wollen. Deshalb kommen wir Menschen oft in Situationen der Hilflosigkeit oder der Demütigung, damit wir uns das wieder neu in Erinnerung rufen.

Ps 112
1 Halleluja! Selig der Mann, der den HERRN fürchtet und sich herzlich freut an seinen Geboten.
2 Seine Nachkommen werden mächtig im Land, das Geschlecht der Redlichen wird gesegnet.
6 Niemals gerät er ins Wanken; ewig denkt man an den Gerechten.
7 Er fürchtet sich nicht vor böser Kunde, sein Herz ist fest, auf den HERRN vertraut er.
8 Sein Herz ist getrost, er fürchtet sich nicht, er wird herabschauen auf seine Bedränger.
9 Reichlich gibt er den Armen, seine Gerechtigkeit hat Bestand für immer, seine Macht steht hoch in Ehren.

Der heutige Psalm, den wir als Antwort auf die Lesung beten, ist überschrieben mit dem Titel „Seligpreisung des Gottesfürchtigen“. Es ist derselbe Psalm wie gestern, nur beten wir nun auch die anderen Verse. Was insgesamt ausgesagt wird, können wir auf den Tobit beziehen. Er ist ein Mann, der sich an Gottes Geboten erfreut. Für seine Tat an dem Verstorbenen gestern können wir ihn seligpreisen. Der Psalm reflektiert, was mit gottesfürchtigen Menschen geschieht und was wir ganz auf Tobit anwenden können: Er wird Segen haben, ebenso seine Nachkommen, das heißt auch Tobias. Sie werden „mächtig im Land“ sein, das bezieht sich auf das verheißene Land, aus dem sie momentan vertrieben sind. Das Geschlecht Tobits wird gesegnet werden. Segen und Fluch haben immer große Auswirkungen, die sich auf die nachfolgenden Generationen erstrecken. Deshalb haben wir eine große Verantwortung dafür, was wir tun und lassen. Es kann sich positiv oder negativ auf unsere Nachfahren auswirken.
Der Gottesfürchtige gerät nicht ins Wanken, weil er fest auf dem Fundament der Gebote Gottes steht. Gott lässt zu, dass der gerechte und gottesfürchtige Tobit leiden muss. Wenn er ganz dem Tun-Ergehen-Zusammenhang zugeneigt wäre, würde er in eine Krise geraten. Denn alles, was er tut, müsste ihm nur Segen Gottes bringen. Der springende Punkt ist jedoch, dass Segen und Fluch nicht bedeuten, dass es einem Gesegneten immer gut geht und einem Verfluchten immer schlecht. Viele leben in Saus und Braus, sodass jene, die sich um ein Leben nach den Geboten Gottes sogar ärgern, dass es den Gottlosen dennoch so gut geht. Die umgekehrte Richtung sehen wir in der Lesung: Gott lässt zu, dass sein treuer Diener leiden muss, obwohl dieser so innig mit Gott verbunden ist. Das ist ein Schleifungsprozess. Gott möchte aus allen Menschen funkelnde Diamanten machen. Der Weg dahin ist aber manchmal schmerzhaft. Was uns in dieser Erzählung verdeutlicht wird, ist dass der Tun-Ergehen-Zusammenhang nicht immer greift. Auch die Unschuldigen leiden in dieser Welt. Am meisten sehen wir es an Jesus Christus…
Wer aber ganz im Herrn verwurzelt ist, der wird auch in solchen Situationen nicht wanken. Selbst Christus hat bis zum letzten Atemzug seinen Vater nicht aufgegeben, obwohl er dessen Gegenwart nicht mehr gespürt hat. Und so wird einem Gottesfürchtigen der Boden nicht unter den Füßen weggezogen bei „böser Kunde“. Schicksalsschläge, Angriffe des Bösen, Probleme und Leid, nichts wird ihn so schnell von seiner innigen Beziehung zu Gott wegholen. In solchen Situationen bewährt sich der Glaube erst so richtig. Das sehen wir ja auch am Leben Ijobs.
Ein Gottesfürchtiger kümmert sich in jeglicher Situation um die Armen, auch wenn er selbst leidet. Das können wir auch an Tobit sehen. Zwar leidet er Not, weil er erblindet ist und deshalb nicht mehr arbeiten kann, doch er denkt nicht einmal darüber nach, das vermeintlich gestohlene Ziegenböcklein zu behalten. Auch in dieser Situation möchte er die Gebote Gottes nicht übertreten. So ausgeprägt ist sein Gerechtigkeitssinn.

Mk 12
13 Einige Pharisäer und einige Anhänger des Herodes wurden zu Jesus geschickt, um ihn mit einer Frage in eine Falle zu locken.
14 Sie kamen zu ihm und sagten: Meister, wir wissen, dass du die Wahrheit sagst und auf niemanden Rücksicht nimmst; denn du siehst nicht auf die Person, sondern lehrst wahrhaftig den Weg Gottes. Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht? Sollen wir sie zahlen oder nicht zahlen?
15 Er aber durchschaute ihre Heuchelei und sagte zu ihnen: Warum versucht ihr mich? Bringt mir einen Denar, ich will ihn sehen.
16 Man brachte ihm einen. Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten ihm: Des Kaisers.
17 Da sagte Jesus zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! Und sie waren sehr erstaunt über ihn.

Im Evangelium hören wir heute eine kurze Episode, die aktueller nicht sein könnte. Jesus soll mal wieder in eine Fall gelockt werden. Dies versuchen die Pharisäer und Gefolgsleute des Herodes mithilfe der Fangfrage: „Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?“
Zuerst aber schmeicheln sie ihm, indem sie ihm die Wahrhaftigkeit seiner Lehre versichern. Das meinen sie natürlich nicht so. Jesus kann in ihre Herzen sehen und erkennt sofort die Heuchelei, durch die er zu einer verurteilungswürdigen Aussage verleitet werden soll. Dann stellen sie ihm die entscheidende Frage. Die Art der Frage ist politisch, denn vom Messias erwarteten die Juden die politische Befreiung von der Fremdherrschaft der Römer. Jesus lässt sich von all dem nicht beeindrucken oder täuschen. Vielmehr konfrontiert er sie mit ihrer gestellten Frage, die ihn versuchen soll. Stattdessen fragt er nach einem Denar. Er stellt eine Gegenfrage, was für Rabbiner eine gängige Vorgehensweise ist. Sie bezieht sich auf etwas Offensichtliches, nämlich darauf, was auf der Münze zu sehen ist. Wie für römische Münzen üblich, sehen die Fragesteller darauf die Büste des Kaisers. Auch die Legende betrifft die kaiserlichen Titel. Aus dem Grund entgegnet Jesus ihnen, dass sie dem Kaiser geben sollen, was ihm gehört, und Gott, was Gott gehört. Das erstaunt die Menschen, denn er hat es geschafft, ihrer Falle zu entgehen: Hätte er bejaht (also der Steuerabgabe an den Kaiser zugestimmt), hätte man ihn als falschen Messias entlarven können. Denn dann hätten sie den Beweis, dass er nicht der angekündigte Befreier von der römischen Fremdherrschaft ist. Hätte er jedoch verneint, hätten sie einen Anlass, ihn vor das Gericht zu bringen für seine Rebellion gegen den Kaiser.
Doch Jesus hat so geantwortet, dass er weder die eine noch die andere Antwort gegeben hat. Seine Gegner haben die möglichen Antworten nicht richtig durchdacht und Jesus hat mit göttlicher Weisheit geantwortet. Bei ihm ist ein entscheidender Punkt seine entschieden unpolitische Einstellung. Er ist kein politischer Messias, der mit politischen Mitteln das Reich Gottes herbeiführen will. Vielmehr sagt er, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist und auch die Waffen, mit denen seine Leute kämpfen, spirituell sind. Und deshalb geht es ihm gar nicht darum, gegen den weltlichen Herrscher zu hetzen. Diesem soll man entrichten, was ihm zusteht. Doch zugleich bringt Jesus Gott ins Spiel, dem in gleichem Maße das ihm Zustehende zu entrichten ist, wenn nicht noch mehr – das Gebet, der Kult, die Lebensweise nach seinen Geboten, vor allem aber die Liebe zu ihm. In unserem Alltag haben wir oft solche Situationen, in denen wir der Welt geben sollen, was ihr zusteht und zugleich sollen wir Gott an die höchste Stelle setzen. Wo kein Konflikt vorliegt, sollen wir keinen Konflikt provozieren. Das Weltliche dem Weltlichen und das Geistliche dem Geistlichen. Wenn es aber antichristliche Tendenzen gibt, die durch meine Zustimmung Gott verraten (und dazu zählen Steuern nicht), heißt es zugleich, dass man Gott mehr gehorchen soll als dem Menschen. Wir Christen bewegen uns in der Spannung zwischen diesen beiden Faktoren und müssen immer aufs Neue abwägen.
Die Versuchung zu einer politischen Messianität ist jederzeit gegeben. Diese Versuchung ist in unserer heutigen Zeit z.B. durch die Befreiungstheologie sehr stark vorhanden, die von der Kirche klar verurteilt worden ist. Bekannte Befreiungstheologen wie Leonardo Boff gerieten in Konflikt mit der Kirche. Das ist nicht der Weg, den wir einschlagen sollen. Vielmehr sollen wir es Christus gleichtun. Das hat Papst em. Benedikt in seiner wunderbaren Freiburger Rede 2011 ganz klar verdeutlicht mit dem Aufruf zu einer Entweltlichung der Kirche.

Heute hören wir von menschlicher Schwäche und absoluter Erlösungsbedürftigkeit, von Gottesfurcht und schließlich von der Weisheit Gottes, mit der er die noch so intelligenten Schachzüge des Menschen entlarven kann. Lernen wir, alles zu geben, was wir haben, sind und können. Lernen wir zugleich, alles von Gott zu erbitten, denn ohne seine Gnade sind wir zum Scheitern verurteilt. Definieren wir uns stets von ihm. Wenn wir intelligent ist, betrachten wir uns von Gottes göttlichem Intellekt aus. Wenn wir reich sind, betrachten wir uns von seinem wahren Reichtum aus. Wenn wir gerecht sind, betrachten wir uns von seiner Gerechtigkeit aus. So werden wir immer demütig bleiben und erkennen, dass wir alles von ihm haben und alles von ihm brauchen.

Ihre Magstrauss

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