Dienstag der 10. Woche im Jahreskreis

2 Kor 1,18-22; Ps 119,129-130.131-132.133 u. 135; Mt 5,13-16

2 Kor 1
18 Gott ist treu, er bürgt dafür, dass unser Wort euch gegenüber nicht Ja und Nein zugleich ist.
19 Denn Gottes Sohn Jesus Christus, der euch durch uns verkündet wurde – durch mich, Silvanus und Timotheus – , ist nicht als Ja und Nein zugleich gekommen; in ihm ist das Ja verwirklicht.
20 Denn er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat. Darum ergeht auch durch ihn das Amen zu Gottes Lobpreis, vermittelt durch uns.
21 Gott aber ist es, der uns mit euch auf Christus hin stärkt und der uns gesalbt hat.
22 Er hat uns auch sein Siegel aufgedrückt und als ersten Anteil den Geist in unsere Herzen gegeben.

Gestern wurde uns der Beginn des zweiten Korintherbriefes verlesen. Heute geht es weiter. Zunächst betrachtet Paulus Gottes Treue, der sich selbst nie widerspricht, auch wenn wir in unserer Beschränktheit seine Wege manchmal nicht begreifen. Bei Gott gibt es nicht Ja und Nein zugleich. Das heißt in erster Linie, dass er sich ganz dem Menschen hingibt ohne Hintergedanken. Gott möchte den Menschen ganz und er liebt den Menschen ganz. Wäre dem nicht so, würde er sich nicht am Kreuz für die ganze Menschheit hingeben. Das ist der konkrete und verdichtete Ausdruck des Ja Christi. In ihm ist es wirklich ganz verwirklicht. Jesus hat vor seinem Tod seinen Aposteln erklärt, dass es keine größere Liebe gibt, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Das ist die Umschreibung des Ja Gottes ohne das kleinste Fünkchen Nein.
Wenn Gott dem Menschen Gebote gibt, dann sind sie einsichtig, dann ergeben sie vollkommen Sinn und sind ganz nachvollziehbar. Gott erwartet von uns ein konsequentes Leben nach diesen Geboten, weil er selbst beständig ist. Er ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit. Was von seinen Geboten gestern galt, das gilt auch heute. Er entscheidet sich nicht ständig um, heute mal Ja, morgen Nein.
Das Ja Christi bedeutet auch den vollkommenen Gehorsam bis zum Tod am Kreuz. Er hat seinen Willen dem Willen des Vaters unterstellt. Er hat Ja zu allem gesagt, was der Vater von ihm verlangt hat. Weil er bis zum Schluss am Ja festgehalten hat, hat er uns erlöst. Deshalb werden auch wir gesalbt und gestärkt im Hl. Geist, durch den wir in der Taufe zu Kindern Gottes werden – voll königlicher Würde und priesterlicher Heiligkeit. Diese Taufe (und auch die Firmung) sind Sakramente, in denen wir mit dem Chrisam gesalbt werden, dem kostbarsten Öl, das die Kirche verwendet und mit dem schon im Alten Israel Könige, Priester und Propheten gesalbt worden sind. Das Aufdrücken des Siegels ist zudem bis heute ein Bild für die Taufe in der sakramentstheologischen Reflexion. Wir alle haben ein Siegel in unsere Seele eingeprägt bekommen, das unauslöschlich ist. Und wenn wir auch auf Abwege geraten und aus der Kirche austreten. Das Siegel bleibt. Auch dies ist Ausdruck des bedingungslosen Jas Gottes. Der Bund, den er mit uns geschlossen hat, nimmt er nicht zurück. Wenn wir von ihm weggehen, ist es eine andere Geschichte, doch er selbst wird uns bis zum Schluss nicht aufgeben.

Ps 119
129 (Pe) Wunderwerke sind deine Zeugnisse, darum bewahrt sie meine Seele.
130 Das Aufschließen deiner Worte erleuchtet, den Unerfahrenen schenkt es Einsicht.
131 Meinen Mund tat ich auf und lechzte, nach deinen Geboten habe ich Verlangen.
132 Wende dich mir zu, sei mir gnädig, gemäß deinem Entscheid für jene, die deinen Namen lieben!
133 Festige meine Schritte durch deinen Spruch! Lass kein Unrecht über mich herrschen!
135 Lass dein Angesicht leuchten über deinem Knecht und lehre mich deine Gesetze!

Als Antwort beten wir einige Verse aus dem längsten Psalm des Psalters Ps 119. Er ist überschrieben mit „Lebenslanger Wandel in der Weisung des Herrn“. Es geht also um das lebenslange Ja des Menschen. Dieses Ja, das wir Gott geben können, ist immer schon Antwort auf das zuerst an uns ergangene Ja Gottes. Deshalb passt es sehr gut als Antwort auf die Lesung.
„Wunderwerke sind deine Zeugnisse“: Das hebräische Wort עֵדָה edah hat sehr viele Bedeutungen und an dieser Stelle ergibt „Zeugnisse“ eigentlich nicht viel Sinn. Das, was gepriesen wird, sind die Gebote Gottes. Diese sollen wir ja in unserem Herzen tragen, so schon im Buch Deuteronomium thematisiert. Gottes Gebote sind wie schon in der Lesung erklärt nachvollziehbar und voller Sinn. Sie fördern unser Leben. Sie sind wahre Wunderwerke, weil sie so voller Sinn sind. Sie sind das Leben in Fülle „in a nutshell“. Gott hat etwas Wunderbares den Menschen geschenkt. Die Gebote zu halten, verhilft dem Menschen zu einem glücklichen Leben: Dann rauben Menschen einander nicht mehr aus, respektieren Autoritätspersonen, vor allem die eigenen Eltern, bringen einander nicht mehr um, belügen einander nicht mehr, halten als Paar ewig zusammen, gönnen einander von Herzen alles und begehren nicht, was anderen gehört. Gewiss ist der Mensch schwach und er schafft es nicht immer, die Gebote zu halten. Doch wir müssen sie nicht aus eigener Kraft halten, dafür ist uns die Gnade der Taufe geschenkt worden. Der Anspruch mag hoch sein, vor allem weil auch die Absicht des Lebens nach den Geboten Gottes immer zählt – wir sollen die Gebote nicht nur halten, sondern sie aus Liebe zu Gott halten – doch genauso groß ist der Beistand, den Gott uns dafür sendet. Nehmen wir ihn in Anspruch!
Es geht darum, sich die Gebote gleichsam ins Herz einzuprägen, damit sie in das eigene Denken, Reden und Handeln übergehen. „Seele“ heißt in diesem Kontext also umfassender das Innere, das ganze Leben, die gesamte Existenz.
Dass die Gebote verinnerlicht und zum Zentrum des Lebens werden sollen, erkennen wir auch an den Worten der Sehnsucht und des Verlangens sowie des Dürstens. Zwar sind es Worte des Alten Bundes, aber sie gelten auch uns. Wir können sie weiterführen, denn uns sind die Gebote Gottes nicht einfach in Buchstabenform erhalten, sondern die Torah hat Fleisch angenommen in Jesus Christus! Er erfüllt die Gebote mit seiner ganzen Person. Deshalb steigt er auch auf einen Berg, um den Menschen die Torah mit göttlicher Vollmacht auszulegen. Er ist diese Torah und wer sie richtig leben möchte, muss ihn in sein Inneres aufnehmen, ihn ins Herz schreiben, damit sein Denken, Sprechen und Handeln von Christus erfüllt ist. In der Taufe und der Firmung geschieht dies auf umfassende Weise. Die heiligste Dreifaltigkeit nimmt Wohnung in uns, in unserem Herzen, von dem aus unser ganzes Leben ausgeht. Und in der Eucharistie erneuern wir diesen Bund immer wieder. Christus geht sogar physisch in unser Herz ein! Er wird ein Teil von uns und wir werden ein Teil von ihm. So werden wir immer mehr verwandelt in sein Bild. Nun hören wir einen weiteren Ausschnitt aus der Bergpredigt, von der aus die Weisung Gottes ausgeht – nun in Christus als Personifizierung der Torah!

Mt 5
13 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr, außer weggeworfen und von den Leuten zertreten zu werden.
14 Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.
15 Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus.
16 So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Jesus greift im heutigen Evangelium auf, was passiert, wenn er selbst in unser Herz eingeschrieben ist oder mit einem anderen Bild: wenn das Siegel Gottes in unser Herz eingeprägt ist. Wir werden leuchten und salzig sein. Das Leuchten des Menschen hängt also von seinem gerechten Tun ab, vom Halten der Gebote Gottes aus Liebe zu Gott.
Jesus erklärt, dass wir das Salz der Erde sind. Auch im Griechischen steht „ihr seid“, nicht „ihr werdet“. Zum Salz sind wir durch die Taufe geworden. Uns ist die Salzigkeit geschenkt, die wir von uns aus nie in vollkommenem Maße erreicht hätten. Von da an beginnt aber der Prozess, die Salzigkeit aufrecht zu erhalten. Wir können uns auf unserer Identität als Salz nicht ausruhen. Ganz schnell werden wir zu Streusalz auf der Straße. Der salzige Geschmack in dieser Metapher ist auf die Andersartigkeit unserer Existenz durch die Taufe zu beziehen. Wir sind zu Erben im Reich Gottes geworden. Wir leben also schon mit Blick auf die Ewigkeit hin. Unser Verhalten ist dementsprechend ein anderes als das Verhalten jener, die nicht an die Auferstehung glauben. Wir halten die Gebote Gottes aus Liebe zu ihm, der unser Vater geworden ist. Das macht uns salzig. Wo andere Menschen offene Wunden haben, brennt unsere Salzigkeit. Wir werden nicht immer gut dastehen als Salz. Viele werden uns beschimpfen und das hat Jesus in den Versen zuvor durch die Seligpreisungen schon ausgedrückt. Aber unsere Salzigkeit ist auch Würze für jene, die nach Gott suchen. Unser Salz verleiht anderen faden Seelen Geschmack, das heißt einen Sinn im Leben und die Liebe, die sie schon immer ersehnt haben. Das alles betrifft auch die Gläubigen in Gemeinschaft, also die Kirche. Der Leib Christi ist ordentlich gewürzt, wobei sie ihre Salzigkeit nicht selbst hergestellt hat. Diese ist gegeben von Christus. Ihre Salzigkeit kann anderen Geschmack verleihen, sodass sie immer neue Jünger für Christus gewinnt. Sie kann anderen aber auch Brennen zufügen, weil sie ihre (salzigen) Finger immer wieder in die Wunden der jeweiligen Zeit legt. Anagogisch können wir es so auslegen, dass die Salzigkeit des Einzelnen nach dem Tod auf dem Prüfstand stehen wird und wir nach unserer Salzigkeit gerichtet werden. Wenn wir aus freien Stücken den Verfall unserer Salzigkeit herbeigeführt haben, werden wir zertreten, was dann ein Bild für die Hölle ist.
Zum zweiten Bild: Wir sind durch die Taufe das Licht der Welt. Entzündet hat uns der Hl. Geist, der das Feuer in unserem Herzen ist. Als Licht in der Dunkelheit zieht man die Aufmerksamkeit auf sich so wie eine Stadt auf dem Berg. Dieses Licht haben wir uns dabei nicht selbst gemacht. Wir haben keinen Grund, uns selbst zu rühmen, denn es ist uns geschenkt. Aber diese neue Wirklichkeit, in die wir hineingeboren sind durch den Hl. Geist, leuchtet besonders hell, wo es besonders dunkel ist. Aufgrund dieser starken Diskrepanz können wir nicht unser Licht unter den Scheffel (einem Gefäß) stellen, denn dann löschen wir es. Das wäre eine Sünde gegen den Hl. Geist, da wir seine Kraft leugnen. Das wäre auch ein Zeichen falscher Bescheidenheit, denn unser Licht ist von Gott gegeben, dem wir dadurch unter die Arme greifen wollen. Es wäre ein versteckter Hochmut, der davon ausgeht, dass das Licht doch unser selbst Erwirktes sei.
Dann sagt Jesus aber etwas, das uns eine zweifache Dimension des Lichtes lehrt: Unser Licht soll vor den Menschen leuchten, damit sie unsere guten Taten sehen. Nun geht Jesus also doch davon aus, dass wir uns selbst zum Leuchten bringen. Wenn wir alle Verse zusammen lesen, ergibt sich die katholische Lehre zu diesem Thema: Hundert Prozent Gnade (Verse 14-15) und hundert Prozent Tugend (Vers 16). Dieses Teamwork macht das Leuchten in der Finsternis aus. Dieses Tugendstreben ist uns besonders im Psalm verdeutlicht worden. Hier ist es nun so, dass zuerst die Gnade dem Menschen durch die Taufe gegeben wird und ihn dazu befähigt, tugendhaft zu leben. Die Gnade ist zugleich helfend und bestehend in der Tugend.
Und auch die guten Taten haben einen Sinn – nämlich Menschen zum Glauben zu führen. Anhand des eigenen Tuns evangelisiert man am stärksten. Wir sehen es an Jesus. Seine Botschaft ist erst dadurch so überzeugend für die Menschen, dass er sie eins zu eins vorgelebt hat. Und auch die ersten Christen haben Andersgläubige dadurch nachdenklich gemacht, dass sie einander so sehr liebten (das belegt Tertullian im 2. Jh.). Es geht also auch in der Tugendhaftigkeit nicht um die Selbstrühmung, sondern ganz und gar um das Seelenheil der Anderen.
Dies hat Paulus vollkommen umgesetzt, wenn er ganz geschwächt und ausgemergelt bei den Menschen erscheint und in schlichten Worten des Evangelium verkündet. Zugleich hat er seinen Lebensunterhalt als Zeltmacher verdient und ganz bodenständig gelebt. So hat er seine Verkündigung auch vorgelebt und Christus in der Entäußerung nachgeahmt. Dies hat ihn zum Leuchten gebracht und im Nachhinein ist in Korinth eine riesige Gemeinde entstanden.
Auch wir sollen nicht durch menschliche Güter uns selbst zum Leuchten bringen, sondern in der Schlichtheit und Entsagung, in der unverfälschten Lehre und selbstlosen Liebe, in den guten Taten der Barmherzigkeit das Licht, das Gott durch die Taufe in uns entzündet hat, zu einer lodernden Flamme werden lassen, damit die ganze Welt vom brennenden Feuer seiner Liebe entfacht werde.

Ihre Magstrauss

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