Montag der 12. Woche im Jahreskreis

Gen 12,1-9; Ps 33,12-13.18-19.20 u. 22; Mt 7,1-5

Gen 12
1 Der HERR sprach zu Abram: Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde!
2 Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.
3 Ich werde segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den werde ich verfluchen. Durch dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen.
4 Da ging Abram, wie der HERR ihm gesagt hatte, und mit ihm ging auch Lot. Abram war fünfundsiebzig Jahre alt, als er von Haran auszog.
5 Abram nahm seine Frau Sarai mit, seinen Neffen Lot und alle ihre Habe, die sie erworben hatten, und alle, die sie in Haran hinzugewonnen hatten. Sie zogen aus, um in das Land Kanaan zu gehen, und sie kamen in das Land Kanaan.
6 Abram zog durch das Land bis zur Stätte von Sichem, bis zur Orakeleiche. Die Kanaaniter waren damals im Land.
7 Der HERR erschien Abram und sprach: Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land. Dort baute er dem HERRN, der ihm erschienen war, einen Altar.
8 Von da brach er auf zu dem Gebirge östlich von Bet-El und schlug sein Zelt so auf, dass er Bet-El im Westen und Ai im Osten hatte. Dort baute er dem HERRN einen Altar und rief den Namen des HERRN an.
9 Dann zog Abram immer weiter, dem Negeb zu.

Mit Beginn der neuen Woche beginnt auch eine neue Bahnlesung. Zuletzt haben wir die Bahnlesung des zweiten Korintherbriefs abgeschlossen. Es geht nun um die Geschichte Abrahams. Im heute gehörten Abschnitt hat er seinen neuen Namen Abraham allerdings noch nicht erhalten, sondern heißt noch Abram.
Er wird von Gott dazu aufgefordert, sein Leben in Haran aufzugeben, wo er sich niedergelassen hatte. Von dort soll er aus den gewohnten Bahnen seines bisherigen Lebens aufbrechen in eine Ungewissheit, die aber von Gott mit ganz viel Segen verbunden ist. Er soll in ein fernes Land ziehen und seine Verwandtschaft sowie sein Vaterhaus verlassen. Gott erwartet das nicht einfach nur, um ihm wegzunehmen, was er hat, sondern er möchte ihm stattdessen noch viel mehr schenken: Obwohl Abram und seine Frau keine Kinder haben können (so wird es im Kapitel zuvor gesagt), verheißt Gott Abram ein großes Volk. Er kündigt ihm an, dass sein Name groß gemacht und er sein Segen sein werde. An ihm werden sich die Geister scheiden: Wer ihn segnet, der wird von Gott gesegnet, wer ihn verwünscht, der wird von Gott verflucht. Alle Menschen aber werden durch ihn zum Segen berufen. Er wird also unter Gottes besonderem Schutz stehen.
Abram hat einen starken Glauben. Dies zeigt sich in seinem absoluten Gehorsam. Er zieht tatsächlich von Haran weg, obwohl er nicht weiß, was ihn erwartet. Dabei nimmt er auch seinen Neffen Lot mit dessen Familie mit.
So ist Gott. Mit ihm ist es nie langweilig. Er ist immer wieder für Überraschungen gut, die uns aus der Komfortzone locken. Dabei müssen wir uns oft überwinden und blind nach hinten fallen lassen. Dabei können wir aber gewiss sein, dass er uns auffängt und die ganze Aktion unserem Heil dient. Abram hat wohl ein gutes Leben in Haran, aber das Leben, das Gott für ihn in Kanaan bereithält, wird unendlich besser sein. Er wird fruchtbar sein und von ihm wird ein ganzes Volk abstammen! Dafür verlangt Gott, dass er sich von der bequemen Lebenssituation absagt, um ins Ungewisse aufzubrechen. Doch kann er gewiss sein, dass Gott mit ihm zusammen auf dieser Reise unterwegs ist.
Auch uns möchte Gott überreich beschenken, nur müssen auch wir ihm vertrauen und manchmal aus uns herauskommen. Der Geist Gottes kann an uns erst wirken, wenn wir uns für ihn öffnen. Er kann uns den Weg nur dann weisen, wenn wir erst einmal losgehen. Ein Navigationsgerät berechnet die Route auch, wenn wir uns in Bewegung setzen.
Abram geht los mit seiner Frau Sarai und seinem Neffen Lot samt seiner Familie. So kommen sie nach Kanaan und durchzogen es bis zur Orakeleiche in Sichem. Noch werden sie als Ausländer in dieser Gegend verweilen, doch Gott verheißt ihnen, dass Abrams Nachkommen in diesem Land leben werden. Nach vielen Umwegen und Abenteuern wird es auch so kommen. Die zwölf Stämme Israels werden gemeinsam im verheißenen Land leben. Aus Dankbarkeit und Ehrfurcht errichtet Abram an dem Ort einen Altar und betet Gott an, bevor er in Richtung Negev-Wüste weiterzieht.

Ps 33
12 Selig die Nation, deren Gott der HERR ist, das Volk, das er sich zum Erbteil erwählt hat.
13 Der HERR blickt herab vom Himmel, er sieht alle Menschen.
18 Siehe, das Auge des HERRN ruht auf denen, die ihn fürchten, die seine Huld erwarten,
19 dass er ihre Seele dem Tod entreiße und, wenn sie hungern, sie am Leben erhalte.
20 Unsre Seele hofft auf den HERRN; er ist unsere Hilfe und unser Schild.
22 Lass deine Huld über uns walten, HERR, wie wir auf dich hofften!

Der Psalm reflektiert Gottes Heilsplan, von dem wir in der Genesis gehört haben. Das Wort und die Tat Gottes sind verlässlich. Gott ist treu und hält sich an seine Versprechen, auch wenn wir ihm untreu werden.
Zu Anfang des heute gebeteten Abschnitts wird ein Makarismus verwendet, eine Seligpreisung des Volkes, das sich Gott „zum Erbteil erwählt hat.“ Wir freuen uns schon über das Volk, dessen Existenz bei Abram angekündigt worden ist und das wir zurzeit des Königs David bereits als zusammenhängendes Königreich haben.
Gott ist nicht nur der mächtige Schöpfer, sondern er wirkt auch weiterhin in der Welt. Er zieht sich nicht gleichgültig zurück, sondern sieht von Himmel herab auf alle Menschen. Das bedeutet, dass er nicht in dieser Welt ist, sondern in der Ewigkeit, doch trotzdem ganz gegenwärtig bei uns. Das ist schwer zu begreifen, aber Ausdruck der Allmacht Gottes. Dass Gott alle Menschen sieht, ist etwas Positives. Er weiß um alles und jeden, er kennt unsere Nöte. Auch die Rede vom „Auge des HERRN“ muss als Geborgenheitsausdruck verstanden werden. Gott sieht auf die Gottesfürchtigen, die sich um den Stand der Gnade bemühen. Die anderen verstecken sich wie Adam und Eva im Garten Eden oder meinen, Gott sehe sie nicht. Er sieht alles und jeden. Gemeint ist aber, dass die Gottesfürchtigen eine Beziehung zu Gott haben und er in ihrem Leben Gutes wirkt, denn sie heißen ihn willkommen. Gott entreißt ihre Seele dem Tod (נַפְשָׁ֑ם nafscham, also eigentlich „ihr Leben“, denn nefesch meint immer das gesamte Leben, nicht nur einen Teil). Gott entreißt auch unser Leben dem Tod – sowohl dem moralischen Tod durch die regelmäßige Sündenvergebung im Beichtsakrament als auch vom ewigen Tod am Ende des Lebens. Wenn wir uns nämlich voller Glauben immer um den Stand der Gnade, um eine gute Beziehung zu Gott bemühen und mit einem umkehrbereiten Herzen durchs Leben gehen, dann wird seine Barmherzigkeit uns auffangen, sodass wir den ewigen Tod nicht schauen müssen.
Gott erhält die Gottesfürchtigen am Leben, wenn sie hungern. Dies ist wörtlich zu verstehen im Sinne von Segen im Leben. Gott sorgt dafür, dass man genug zu essen hat, wenn man seinen Willen tut. Jesus wird es später aufgreifen, wenn er sagt: „Zuerst muss es euch um das Reich Gottes gehen. Alles Andere wird euch dazugegeben.“ Und so ist es auch mit Abram in der ersten Lesung. Er vertraut darauf, dass Gott ihn und seine Familie versorgen wird, wenn er ihm gehorsam ist. Und auch wir Christen werden am Leben erhalten, denn Gott nährt uns nicht nur leiblich, sondern auch mit seinem Wort Gottes in Schrift und Sakrament, in der Eucharistie! Beides nährt uns auf unserem Lebensweg seelisch, sodass die Seele nicht stirbt, ebenso wenig die Hoffnung!
Und diese Hoffnung ist eine Hoffnung auf Gott, der „Hilfe und Schild“ ist. Gott leitet nicht nur den Weg, er beschützt auch auf diesem Weg, er unterstützt uns mit seiner helfenden Gnade, damit wir trotz unserer Schwächen den Willen Gottes in unserem Leben umsetzen können.
Wie König David beten auch wir um Gottes Huld, möge er uns die Gnade schenken, die wir unsere ganze Hoffnung auf ihn setzen! Er kann uns nicht enttäuschen, denn er ist Gott. Abram hat dies vorbildhaft vorgelebt, indem er seine ganze Hoffnung trotz biologischer Umstände auf Gottes Versprechen gesetzt hat, aus ihm werde ein großes Volk entstehen.

Mt 7
1 Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!
2 Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden.
3 Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?
4 Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken!
5 Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!

Im Evangelium geht die Bahnlesung aus der Bergpredigt weiter. Heute hören wir von dem Verbot, andere zu verurteilen. In den vergangenen Abschnitten aus der Bergpredigt haben wir gehört, warum der Mensch dafür keine Kompetenz besitzt: Das Ausschlaggebende besteht in den Absichten und innersten Regungen des Herzens. Diese können wir bei unseren Mitmenschen gar nicht einsehen. Dies kann nur Gott und so ist er der einzig Kompetente für ein gerechtes Urteil.
Jesus erklärt heute auch noch ein anderes Argument: Wir werden mit demselben Maß gerichtet werden, wie wir bei unseren Mitmenschen angewandt haben. Dieses Maß spezifiziert Jesus an anderer Stelle mit der Barmherzigkeit. Wenn wir den anderen mit Barmherzigkeit begegnen, anstatt ihn zu verurteilen, wird auch uns Barmherzigkeit entgegen gebracht werden, wenn wir vor Gott stehen. Das Problem bei der Verurteilung ist nämlich, dass wir uns zum Gerechten aufspielen, also zu jemandem, der besser ist als der zu Verurteilende. Dabei gibt es keinen Menschen, der ohne Sünde ist und somit besser als der andere anzusehen ist. Jeder Mensch sündigt, nur unterschiedlich. Wer also verurteilt, ist heuchlerisch. Jesus erklärt es anhand eines Bildes: Wer meint, den Splitter aus dem Auge des anderen ziehen zu müssen, sollte zuerst den Balken aus seinem eigenen Auge ziehen. Wir sehen auch die Verhältnismäßigkeit bei diesem Bild. Oft hängen sich Selbstgerechte an Kleinigkeiten beim Gegenüber auf und lenken von den wirklich schweren Vergehen bei sich selbst ab. Das sagt Jesus vor allem als Kritik an den selbstgerechten Pharisäern und Schriftgelehrten. Sie suchen die Splitter bei den Juden, die für die vielen Ritualgebote und menschlichen Erweiterungen stehen. Doch die göttlichen Gebote halten sie gar nicht richtig. Sie hebeln mit ihren menschlichen Geboten die göttlichen Gebote sogar noch aus. Das sind richtige Balken.
Wir fragen uns, wie man mit solch riesigen Brettern überhaupt noch die Splitter in den Augen des Gegenübers erkennen kann. Das ist wirklich ein Kunststück. Und doch ist es logisch, dass die eigenen Balken zuerst herausgezogen werden müssen, bevor man sich den Splittern des Gegenübers widmen kann. Kehren auch wir zuerst vor der eigenen Haustüre!
Auch hier müssen wir Jesu Worte richtig bewerten. Das heißt natürlich nicht, dass man sündhaftes Verhalten beim Mitmenschen nicht mehr ansprechen darf. An anderer Stelle erklärt Jesus ja sogar die einzelnen Schritte von einer Unterweisung unter vier Augen bis hin zu einer öffentlichen Anklage. Wir sollen also durchaus die Sünde kritisieren. Doch wir sollen zugleich selbstkritisch sein. Auch hier geht es wieder um die richtige Haltung: Wenn wir uns zuerst mit uns selbst auseinandersetzen und ein realistisches Selbstbild von uns haben, dann ist die Art unserer Zurechtweisungen anders: Wir werden nicht von oben herab und mit einer Selbstgerechtigkeit auf den Sünder dreinschlagen, sondern in der Weise Gottes handeln. Wir werden auf Augenhöhe mit dem anderen sprechen und barmherzig sein. Selbst wenn wir härtere Worte wählen werden, weil alles Andere an ihm abprallt, wird dies aus Liebe geschehen, nicht aus Selbstbeweihräucherung. Gott hat im Laufe seiner Rettungsaktionen auch unterschiedliche Töne angewandt. Weil die sanften Umkehrrufe der Propheten nicht gewirkt haben, musste erst eine Katastrophe wie die Assyrische Fremdherrschaft passieren. Auch wir Menschen müssen je nach Situation auch mal ein härteres Wort anwenden, wenn alles Andere beim Gegenüber abprallt. Wichtig ist, dies dann ebenfalls als Rettungsaktion zu tun, nicht aus mangelnder Barmherzigkeit. Gott prüft auf Herz und Nieren. Prüfen wir uns auch stets selbst, damit es am Ende keine böse Überraschung gibt.

Ihre Magstrauss

Hinterlasse einen Kommentar