Maria Magdalena (Fest)

Hld 3,1-4a; Ps 63,2.3-4.5-6.7-8; Joh 20,1-2.11-18

Hld 3
1 Des Nachts auf meinem Lager suchte ich ihn, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht.
2 Aufstehen will ich, die Stadt durchstreifen, die Gassen und Plätze, ihn suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht.
3 Mich fanden die Wächter bei ihrer Runde durch die Stadt. Habt ihr ihn gesehen, den meine Seele liebt?
4 Kaum war ich an ihnen vorüber, fand ich ihn, den meine Seele liebt.

In der Lesung hören wir einen Ausschnitt aus dem sehr mystischen Hohelied. Darin wird in sehr romantischen und teilweise erotischen Bildern die Liebe zwischen Gott und seiner Braut Israel umschrieben. Dies passt sehr gut zu Maria Magdalena, weil sie den Herrn mit der innigen Liebe geliebt hat, die Gott sich von seiner Braut Israel bereits im Alten Testament gewünscht hat.
„Des Nachts auf meinem Lager suchte ich ihn, den meine Seele liebt.“ Es stellt gleichsam die Antwort Israels auf Dtn 6,4ff. dar. Das Schema Israel soll von Israel täglich gebetet und betrachtet werden. Es geht um die Liebe Gottes „mit ganzen Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“ Israel soll über Gott stets nachdenken, auch auf nächtlichem Lager. Und hier im Hohelied setzt die Braut das nun um. Sie sucht ihn und findet ihn nicht. Das ist die Sehnsucht des Menschen, der Gott in seinem Leben sucht, der noch im Prozess der Umkehr ist oder dessen Sehnsucht einfach noch nicht gestillt ist. Die Seele kann Gott dabei schon lieben, auch wenn der Mensch Gott intellektuell noch nicht erkannt hat. Als Abbild Gottes sehnt sich der Mensch stets nach seinem Schöpfer, auch wenn es ihm noch nicht bewusst ist. Er sucht in seinem ganzen Leben nach ihm, ohne es zu wissen. Er wird getrieben und streift durch „die Gassen und Plätze“. Er sucht Gott vielleicht in der Esoterik, in anderen Religionen, in der zwischenmenschlichen Liebe, versucht die innere Sehnsucht mit Drogen oder anderen Süchten zu stillen, und kommt doch nicht zum Ziel. Letztendlich ist das, was der Mensch sucht, die Liebe Gottes, von der er ganz angenommen werden kann. Der Hl. Augustinus schreibt zu Beginn seiner Bekenntnisse: „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, oh Gott.“ Das fasst es zusammen. Der Mensch ist auf der Suche nach Gott und findet erst zum Ziel in ihm.
Die Braut Gottes hier im Hohelied, Israel selbst, ist auf der Suche nach Gott und findet ihn nicht. Schauen wir zurück auf das Verhalten des Volkes Gottes, erkennen wir auch den Grund: Es sucht an ganz falscher Stelle, nämlich bei den Göttern der umliegenden Völker. Die Baale und Kultpfähle, die Kultbilder und vielen Opfer ziehen Israel meilenweit von Gott weg. Dort wird es ihn nicht finden. Erst wenn es umkehrt, den Götzendienst bereut und das Herz ganz allein Gott schenkt, wird es ihn wieder finden. Denn dann ist es wieder ganz in seiner Liebe. Und damit dies geschieht, sendet Gott seine Wächter aus, dass sie der Braut bei der Suche des Geliebten helfen. In dieser Leserichtung handelt es sich um die vielen Propheten, die als Sprachrohr Gottes zur Umkehr aufrufen.
Maria Magdalena ist es, die in ihrem sehr bewegten Leben nach der Liebe Gottes gesucht hat, ohne es zu merken. Sie hat sich in alle möglichen sündhaften Dinge gestürzt, um geliebt zu werden. Sie hat an der falschen Stelle gesucht, doch dann hat sie den gefunden, den ihre Seele liebt. Als Jesus gestorben ist, ist die Nacht für sie angebrochen. Wie tief muss für eine so brennende Jüngerin wie sie der Schmerz gesessen haben! Und dann wird sie keine Ruhe gefunden haben, bis sie nicht zu seinem Grab gegangen ist. Sie findetihn dort aber nicht, weil er von den Toten auferstanden ist! Und dann sucht sie ihn überall und fragt die Wächter am Grab. Und dann findet sie ihn. Davon werden wir im Evangelium hören.
Sie ist als Sinnbild für alle liebenden Christen zu verstehen, die mit brennender Liebe nach ihrem Rabbi suchen, auch gerade in Situationen, in denen für sie die Nacht eingekehrt ist. Wenn es schwer wird und Gott nicht zu finden ist, wissen auch wir, dass er dennoch da ist. Und in dieser Zeit der Kirche nach der Heimkehr Christi zum Vater suchen wir ihn stets in unserer Zeit und warten darauf, dass wir ihn finden – wenn er wiederkommt am Ende der Zeiten. Dann werden wir ihn „finden“, den unsere Seele liebt.

Ps 63
2 Gott, mein Gott bist du, dich suche ich, es dürstet nach dir meine Seele. Nach dir schmachtet mein Fleisch wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser.
3 Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum, zu sehen deine Macht und Herrlichkeit.
4 Denn deine Huld ist besser als das Leben. Meine Lippen werden dich rühmen.
5 So preise ich dich in meinem Leben, in deinem Namen erhebe ich meine Hände.
6 Wie an Fett und Mark wird satt meine Seele, mein Mund lobt dich mit jubelnden Lippen.
7 Ich gedenke deiner auf meinem Lager und sinne über dich nach, wenn ich wache.
8 Ja, du wurdest meine Hilfe, ich juble im Schatten deiner Flügel.

Auch im Psalm betrachten wir die Sehnsucht des Menschen nach Gott. Es ist ein Vertrauenspsalm Davids, der sich stets nach Gottes Gegenwart gesehnt hat.
In Vers 2 wird diese Sehnsucht als seelisches Durstgefühl umschrieben. Wie ein Lebewesen und eine Landschaft ohne Wasser verschmachten, so verdorrt der Mensch ohne Gott. Hier ist das Wasser mehr als nur ein irdisches Element. Es wird hier das lebendige Wasser geschildert, das der Heilige Geist ist. Er ist es, der uns belebt.
König David versteht, dass die Gegenwart Gottes in seiner Zeit im Tempel zu finden ist: „Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum, zu sehen deine Macht und Herrlichkeit.“
Die Macht und Herrlichkeit Gottes durfte die Heilige Maria Magdalena mit eigenen Augen sehen, wenn Jesus die vielen Heilstaten vollbracht und dann von den Toten wieder auferstanden ist. Das ist das größte Zeichen aller Zeiten. Sie stand unter dem Kreuz und sah mit eigenen Augen den Lanzenstich mitten in sein Herz. Sie sah mit eigenen Augen das herausfließende Blut und Wasser, deren Getrenntsein seinen Tod bezeugte. Sie sah mit eigenen Augen die Grablegung und den später zurückgerollten Grabstein. Sie sah mit eigenen Augen und hörte mit eigenen Ohren, wie der Auferstandene sie anschaute und ihren Namen nannte.
Wir alle dürfen die Gegenwart Gottes in der Eucharistie schauen. Dort erahnen wir seine Macht und Herrlichkeit. Und wenn wir am Ende der Zeiten vor ihn treten, werden wir sie ganz unverhüllt schauen. Auf ewig.
„Denn deine Huld ist besser als das Leben“ kann König David wirklich mit Überzeugung sagen. Was ist das irdische Leben denn auch wert, wenn es nicht von Gott gesegnet ist! Wie sehr musste er leiden, weil er sich schwer gegen Gott versündigt hat! Ein Leben in Fülle ist das ewige Leben bei Gott. Besser für ihn sterben, aber dafür ewig bei ihm sein im Himmelreich. Dann werden die Lippen eines jeden Gerechten ihn ewig preisen. Das wird die ewige Tätigkeit im Himmel sein.
Es ist wichtig, damit schon in diesem Leben zu beginnen, ja das ganze Leben selbst zum Lobpreis zu machen. David hat dies wirklich umgesetzt, indem er Gottes Willen stets befolgt und ihm ganz vertraut hat. Er hat mit seiner gesamten Tätigkeit als König, zuvor schon als Hirte Gott ganz gepriesen.
„Wie an Fett und Mark wird satt meine Seele“ – mit Gott in Beziehung zu treten, ihn zu loben und zu preisen, erfüllt die schmachtende Seele. Das stillt ihre Sehnsucht, denn sie ernährt sich von der Liebesbeziehung zu Gott. Auch unsere Seele wird „satt“, wenn sie in Kontakt mit Gott ist. Wir sind dazu geschaffen, mit Gott in Beziehung zu stehen und ihm mit unserer Gegenliebe zu antworten. Die ewige Gemeinschaft mit Gott macht uns zu Menschen, wie er sie gedacht hat.
Auch König David hat Gott innig geliebt und ist mit Maria Magdalena in diesem Punkt zu vergleichen. Auch er nimmt das Schema Israel ernst, das vom frommen Juden das stete Nachsinnen über Gott gebietet. Auch er denkt über Gott nach auf nächtlichem Lager. Somit wird er zum Vorbild für das ganze Volk Israel.
Gott hat ihm stets geholfen und David konnte sich im Schatten der Flügel Gottes bergen. Er war in Gottes Liebe und Gottes Liebe war in ihm. Wer im Stand der Gnade ist, entscheidet sich für Gottes Schutz und Beistand.

Joh 20
1 Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
2 Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.
11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein.
12 Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten.
13 Diese sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben.
14 Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war.
15 Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast! Dann will ich ihn holen.
16 Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und sagte auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister.
17 Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.
18 Maria von Magdala kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte.

Im Evangelium hören wir nun das, was im Hohelied mystisch-romantisch vorweggenommen worden ist: Das Suchen und Finden Christi am Ostertag. Es ist noch dunkel, als Maria am ersten Tag der Woche zum Grab kommt. Die Sonne ist wie im Ausschnitt des Hoheliedes noch nicht aufgegangen, die Stimmung Mariens noch voller Kummer und Trennungsschmerz. Die Hoffnung der Osterbotschaft kommt aber rasant auf sie zu. Denn sie sieht dort angekommen, dass der Grabstein weggerollt und der Leichnam Jesu weg ist. So rennt sie zu den Aposteln und meldet ihnen die Abwesenheit Jesu, kommt aber noch nicht dahinter, dass er auferstanden ist.
Sie geht irgendwann zurück zum Grab. Sie hat Jesus sehr geliebt und so weint sie an der Graböffnung. Noch hat sie die Auferstehung nicht begriffen. Als sie irgendwann hineinsieht, erblickt sie zwei Engel, die sie nach ihren Tränen fragen. Sie erklärt daraufhin, dass sie ratlos ist, weil der Leichnam Jesu irgendwo hingebracht worden ist.
Nun tritt Jesus selbst an sie heran. Sie hat die Ehre, ihm zuerst zu begegnen. Ihr wird diese große Gnade zuteil, weil sie ihn mit so inniger Liebe geliebt hat. Nun erfüllt sich das Schriftwort aus Hld 3,4. Nun findet sie, den ihre Seele liebt. Ja, noch viel mehr muss man sagen: Sie wird von ihm gefunden!
Auch er fragt sie, warum sie weint. Sie erkennt den Auferstandenen zunächst nicht, denn sein Auferstehungsleib ist anders als vor seinem Tod. Sie denkt, es sei der Gärtner. Deshalb fragt sie ihn, wohin er den Leichnam Jesu gelegt habe. Erst als Jesus sie beim Namen nennt (ein unbekannter Gärtner wird schwerlich ihren Namen gekannt haben!), erkennt sie den auferstandenen Jesus.
Wir lesen zwar nicht davon, aber offensichtlich möchte sie Jesus voller Freude festhalten. Er ist noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Das heißt, dass sie Jesus ganz festhalten darf und soll, wenn er zum Vater in den Himmel aufgefahren ist. Dann ist Jesus nämlich verherrlicht und nicht mehr entäußert.
Jesus hat eine wichtige Aufgabe für sie. Sie soll seinen Aposteln, dem engsten Jüngerkreis, die Osterbotschaft bringen, dass er lebt und vor allem, dass er heimgehen muss „zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott“. Das ist ein wichtiger Hinweis. Als Jesus vor den Aposteln das Mahl des Neuen Bundes etabliert hat, hat er schon angedeutet, dass dadurch ein neuer Bund geschlossen werde. Sie sind nun Erlöste, sie sind zu Kindern Gottes geworden. Jesus hat ihnen das Vaterunser beigebracht und somit schon sensibilisiert, was durch seine Erlösungstat nun Realität geworden ist: Sie sind Kinder Gottes und dürfen Gott ihren Vater nennen! Sie gehören nun zur Familie Gottes, sodass nicht mehr nur Jesus Gott seinen Vater nennt, sondern auch die Apostel es tun dürfen. Das ist absolute Bundessprache und betrifft alle, die den Glauben an Jesus Christus angenommen haben und sich haben taufen lassen. Wir sind nun Teil der Familie Gottes und wir dürfen Gott unseren Vater nennen. Jesus ist nicht nur unser Herr und König, er ist auch unser Bruder.
Maria von Magdala eilt nun zu den Jüngern und berichtet, dass sie den Herrn gesehen habe. Sie übergibt den Aposteln die Botschaft und wird so zur Apostolin der Apostel.

Bitten wir den Herrn auf die Fürsprache Maria Magdalenas um dieselbe innige und brennende Liebe. Mögen auch wir uns mit dem Bewusstsein unserer Fehlbarkeit ganz vertrauensvoll an Gott festklammern und seine Barmherzigkeit annehmen, wenn wir gesündigt haben. Lassen auch wir uns von ihm so verwandeln wie sie, damit auch wir von Sündern zu Heiligen werden.

Ihre Magstrauss

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