Donnerstag der 24. Woche im Jahreskreis

1 Tim 4,12-16; Ps 111,7-8.9-10; Lk 7,36-50

1 Tim 4
12 Niemand soll dich wegen deiner Jugend gering schätzen. Sei vielmehr den Gläubigen ein Vorbild in deinen Worten, in deinem Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben, in der Lauterkeit!
13 Lies ihnen eifrig aus der Schrift vor, ermahne und belehre sie, bis ich komme!
14 Vernachlässige die Gnade nicht, die in dir ist und die dir verliehen wurde, als dir die Ältesten aufgrund prophetischer Worte gemeinsam die Hände auflegten!
15 Dafür sollst du sorgen, darin sollst du leben, damit allen deine Fortschritte offenbar werden.
16 Achte auf dich selbst und auf die Lehre; halte daran fest! Wenn du das tust, rettest du dich und alle, die auf dich hören.

Heute hören wir in der Lesung wieder einen Ausschnitt aus dem ersten Timotheusbrief. Paulus fasst wieder einige paränetische Aussagen zusammen, bei denen er zu einem vorbildlichen Leben in der Kirche ermahnt.
In damaliger Gesellschaft, insbesondere bei den Juden, hängt das Alter eines Menschen mit dem Grad seiner Autorität zusammen. Deshalb ermutigt Paulus den jungen Mann, sich nicht belächeln zu lassen. Er soll sich bei den Gläubigen in Ephesus durch sein Vorbild Respekt verschaffen. Dabei soll sein vorbildliches Leben nicht nur im Reden, sondern gerade im Handeln bestehen, in einem Leben voller tätiger Liebe und frei von unlauteren Absichten. Sein Glaube soll sich durch sein Verhalten zeigen, sodass die Epheser ihm trotz jungen Alters anerkennen werden.
Bis Paulus nach Ephesus zurückkehrt, soll Timotheus ihnen aus der Hl. Schrift vorlesen – damit ist noch nicht die Bibel gemeint. Es gibt das Neue Testament noch gar nicht. Die Hl. Schrift ist für Paulus noch die Schrift der Juden, also die Torah und die Propheten. Was man aber vielleicht schon sagen kann, ist: Die Briefe des Paulus, die er schon geschrieben hat, sind bereits in Umlauf und werden gesammelt sowie untereinander ausgetauscht. Timotheus soll die Gemeindemitglieder ermahnen und belehren, typische pastorale Begriffe. Vers 13 dürfen wir nicht einfach überlesen. Gerade der Anfang zeigt uns auf, was der primäre Zweck der Hl. Schrift ist – sie muss vorgelesen werden, denn der Glaube kommt vom Hören (Röm 10,17).
Vers 14 zeigt uns, dass Timotheus selbst geweiht ist. Ihm wurden von Ältesten die Hände aufgelegt – eine Geste, die auf die Weihe hinweist. Weil er nun selbst geweiht ist, steht er der Gemeinde von Ephesus vor, kann selbst Weihekandidaten auswählen und weihen. Ihm ist ein besonderes Amtscharisma zuteilgeworden. Diese soll er nicht vernachlässigen, sondern in den Dienst der Gemeinde stellen. Er soll zum Zeugnis für die anderen werden, weil die in ihm wirkende Gnade sichtbare Früchte tragen soll.
Auch der letzte Vers ist sehr wichtig: Wenn er tut, was ihm aufgetragen wird, wenn er an der Lehre festhält und sie umsetzt, rettet er als Geweihter und Vorsteher der Gemeinde nicht nur sich selbst, sondern alle, die auf ihn hören. Die Geistlichen haben eine immense Verantwortung. Wenn sie selbst im Glauben wachsen oder vom Glauben abfallen, hat das nie nur Auswirkungen auf sie selbst, sondern sie ziehen immer eine ganze Gemeinde mit sich. Deshalb werden sie vor Gott besonders große Rechenschaft ablegen. Sie beeinflussen viele Menschen und müssen umso mehr ihr Gewissen reinhalten, stets auf den Willen Gottes hören und vorbildlich leben. Sie geben sofort Anstoß, jeder ihrer Fehler wird viel eher bemerkt als bei anderen Menschen. Sie haben eine große Bürde zu tragen, bekommen aber zugleich viel Gnade geschenkt, um das zu schaffen.

Ps 111
7 Die Werke seiner Hände sind Treue und Recht, verlässlich sind alle seine Gebote.
8 Sie stehen fest für immer und ewig, geschaffen in Treue und Redlichkeit.
9 Erlösung hat er seinem Volk gesandt, seinen Bund bestimmt für ewige Zeiten. Heilig und Furcht gebietend ist sein Name.
10 Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Weisheit. Gute Einsicht ist sie allen, die danach handeln. Sein Lob hat Bestand für immer.

Heute beten wir Psalm 111, einen Lobpreispsalm mit weisheitlichen Anteilen. Er beginnt mit dem Hallelujaruf, der genau genommen ja einen Lobpreisaufruf darstellt. Den Beginn ist in der heutigen Leseordnung jedoch nicht enthalten.
„Die Werke seiner Hände sind Treue und Recht, verlässlich sind alle seine Gebote“: Gott selbst offenbart seine Herrlichkeit und hält stets, was er verspricht. Auf ihn kann man sich wirklich voll und ganz verlassen im Gegensatz zu Menschen, die längst nicht so verlässlich und treu sind. Gott ist auch ganz gerecht. Seine Gebote offenbaren, dass er jedem Menschen zum Recht verhelfen kann und möchte.
Das Entscheidende ist: Gott ist deshalb so verlässlich, weil er seine Offenbarung nicht einfach so ändert. Seine Gebote stehen fest „für immer und ewig“. Und wenn auch eine andere Zeit und Gesellschaft kommen, ändert es doch nichts an der göttlichen Offenbarung. Deshalb können und müssen wir an seiner Lehre festhalten, wie es auch Paulus zu Timotheus gesagt hat.
Seine ewige Treue zeigt Gott auch daran, dass er den Bund für immer aufrecht erhält, den er mit den Israeliten geschlossen hat – und wir Christen dürfen auch sagen, dass Gott ebenso den neuen Bund ewig hält. Wenn es zum Bundesbruch kommt, dann aufgrund des Menschen, der ihn bricht. Gott aber bleibt treu und hält auch dann am Menschen fest, versucht ihn zur Umkehr zu bewegen und gibt ihm immer wieder eine neue Chance. Das gilt auch für die Priester, die gefallen sind. Auch sie bekommen immer wieder eine neue Chance. Auch mit ihnen möchte Gott barmherzig sein. War er es nicht schon mit Petrus, weil dieser seine Sünde so bitterlich beweint hat?
Wenn wir von der Erlösung hier hören, dann denken wir nicht an politische Erlösung im Sinne der Befreiung aus Fremdherrschaft, wie die Israeliten es vor allem verstanden haben, sondern wir denken an die umfassende Erlösung und das ewige Leben, das Jesus uns geschenkt hat. Es ist eine Erlösung von der Sünde und des Exils außerhalb des Paradieses.
Schließlich kommt am Ende des Psalmenabschnitts ein wichtiges Wort, das wichtig ist beim Verständnis der Geistesgaben: Der Beginn ist durch die Gottesfurcht gekennzeichnet. Wer Gott fürchtet, wird nicht so leben, dass er Gottes Willen übertritt. Und wer die Gebote Gottes hält, der ist im Stand der Gnade. In diesem Zustand kann er die Gaben des Hl. Geistes empfangen, angefangen bei der Weisheit.
„Sein Lob hat Bestand für immer“ bezieht sich auf das Lob, das von den Israeliten ausgeht, nicht von Gott. Die Genitivform ist also nicht auctoris zu verstehen. Es ist eher so zu verstehen, dass der Lobpreis, der an Gott ergeht, ein ewiger ist. Das schauen schon die Propheten in den Himmelsvisionen. Dort erfolgt ein ewiger Lobpreis Gottes, dessen Abbild die irdische Liturgie darstellt. Der Kult der Israeliten ist Schatten dieser himmlischen Liturgie.

Lk 7
36 Einer der Pharisäer hatte ihn zum Essen eingeladen. Und er ging in das Haus des Pharisäers und begab sich zu Tisch.
37 Und siehe, eine Frau, die in der Stadt lebte, eine Sünderin, erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers zu Tisch war; da kam sie mit einem Alabastergefäß voll wohlriechendem Öl
38 und trat von hinten an ihn heran zu seinen Füßen. Dabei weinte sie und begann mit ihren Tränen seine Füße zu benetzen. Sie trocknete seine Füße mit den Haaren ihres Hauptes, küsste sie und salbte sie mit dem Öl.
39 Als der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, sagte er zu sich selbst: Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, die ihn berührt: dass sie eine Sünderin ist.
40 Da antwortete ihm Jesus und sagte: Simon, ich möchte dir etwas sagen. Er erwiderte: Sprich, Meister!
41 Ein Geldverleiher hatte zwei Schuldner; der eine war ihm fünfhundert Denare schuldig, der andere fünfzig.
42 Als sie ihre Schulden nicht bezahlen konnten, schenkte er sie beiden. Wer von ihnen wird ihn nun mehr lieben?
43 Simon antwortete: Ich nehme an, der, dem er mehr geschenkt hat. Jesus sagte zu ihm: Du hast recht geurteilt.
44 Dann wandte er sich der Frau zu und sagte zu Simon: Siehst du diese Frau? Als ich in dein Haus kam, hast du mir kein Wasser für die Füße gegeben; sie aber hat meine Füße mit ihren Tränen benetzt und sie mit ihren Haaren abgetrocknet.
45 Du hast mir keinen Kuss gegeben; sie aber hat, seit ich hier bin, unaufhörlich meine Füße geküsst.
46 Du hast mir nicht das Haupt mit Öl gesalbt; sie aber hat mit Balsam meine Füße gesalbt.
47 Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der liebt wenig.
48 Dann sagte er zu ihr: Deine Sünden sind dir vergeben.
49 Da begannen die anderen Gäste bei sich selbst zu sagen: Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt?
50 Er aber sagte zu der Frau: Dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!

Im heutigen Evangelium hören wir von einer Sünderin, die Jesus sehr viel Liebe zeigt und die Vergebung ihrer Sünden empfängt.
Jesus ist bei einem Pharisäer zum Essen eingeladen. Als sie am Tisch sind, kommt eine Sünderin mit einem Alabastergefäß voll Öl zu ihnen. Wir müssen uns die Szene so vorstellen: Im alten Orient lag man zu Tisch. So lagen die Füße am anderen Ende der Liege.
Und in diese Tischgemeinschaft hinein tritt also nun die Frau „von hinten an ihn heran zu seinen Füßen“. Wie sie hineingekommen ist, wird nicht erklärt. Es scheint aber so, dass sie in der Stadt als Sünderin bekannt ist.
Sie weint, was uns ihre Reue und Scham beweist. Sie weint also über ihre Sünden im Angesicht Gottes. Können auch wir so auf uns schauen und bereuen? Das ist eine Gnade, denn die Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Die Frau kommt nun also zu Jesus und benetzt seine Füße mit ihren Tränen. Was sie tut, ist der Sklavendienst der Fußwaschung. Jesus selbst wird es an seinen Aposteln tun, um ihnen zu zeigen, wie ihr „Herrschen“ aussehen soll. Sie demütigt sich vor ihm also auf maximale Weise und trocknet seine Füße sogar mit ihren Haaren ab. So weit geht nicht einmal ein Sklave. Sie macht sich also ganz klein vor ihm und zeigt ihm sehr viel Liebe. Dies wird vor allem durch das Küssen der Füße deutlich. Dann salbt sie seine Füße mit dem kostbaren Öl. Diese Frau, die als Sünderin bekannt ist, hat mehr Verständnis als der Pharisäer, bei dem Jesus zu Gast ist. Ihr Salbungsvorgang ist ein einziges Messiasbekenntnis. Messias heißt „Gesalbter“. Sie hat verstanden, dass Jesus nicht einfach gewöhnlicher Mensch ist, sondern der ersehnte Messias. Die Salbung zeigt, dass er für sie Priester, König und Prophet ist. Und womöglich salbt sie ihn schon für sein Begräbnis wie später Maria von Betanien. Diese Frau ist eine Mystikerin, doch nur Jesus hat es verstanden. Warum hat sie Jesus erkannt, die anderen aber nicht? Weil „Erkennen“ etwas mit Liebe zu tun hat. Ihr Liebesdienst hat ihr einen klaren Blick auf das Herz Jesu ermöglicht, einen Blick ins Innere, der den anderen verwehrt bleibt.
Jesus versucht, es dem Pharisäer zu erklären, dessen Gedanken er längst durchschaut hat. Dieser denkt nämlich bei sich: „Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, die ihn berührt: dass sie eine Sünderin ist.“ Hier haben wir den Unterschied. Während die Frau Jesus als Propheten salbt, denkt dieser Mann bei sich „Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre“. Sie hat Glauben, doch der hochangesehene Pharisäer nicht.
Jesus erzählt ihm folgendes Gleichnis, um ihm die Situation begreiflich zu machen: Zwei Schuldner sind einem Geldverleiher etwas schuldig. Beide können ihre Schuld nicht bezahlen, der eine fünfhundert, der andere fünzig Denare. Welcher der beiden freut sich mehr, als dann der Geldverleiher beiden die Schuld erlässt? Der Pharisäer schlussfolgert korrekt, dass derjenige mit dem größeren Schuldenerlass ihn mehr lieben wird. Und dies greift Jesus nun auf, es auf die Sünderin zu beziehen. Die Frau hat Jesus so viel Liebe gezeigt im Gegensatz zum Pharisäer, der Jesus nicht mal die Füße hat waschen lassen. Die Frau hat Jesu Füße geküsst im Gegensatz zum Pharisäer. Sie hat Jesus gesalbt im Gegensatz zum Pharisäer. Sie hat Jesus viel mehr Liebe gezeigt als der Gastgeber. Wegen ihrer großen Liebe zu Christus sind ihr die Sünden vergeben. Jesus erlässt sie ihr. Das ist für die Juden absolut provokativ, denn Sünden kann nur Gott vergeben. So fragen sich die ganzen anderen Gäste, von denen wir an dieser Stelle zum ersten Mal hören, wer Jesus ist. Viele werden daran Anstoß nehmen und Jesu Gottheit nicht anerkennen. Sie werden ihn vielmehr als Blasphemiker verurteilen. Zu der Frau sagt Jesus: „Dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!“ Der Glaube rettet uns. Das größte Zeichen des Glaubens ist die Taufe. Deshalb lehrt die Kirche von Anfang an, dass sie heilsnotwendig ist. Der Frau wird Frieden geschenkt, ein Frieden, den die Welt nicht geben kann. Es geht hier um den inneren Frieden im Herzen. Endlich kommt ihre Seele zur Ruhe, denn sie ist bei Gott angekommen. Es handelt sich um eine Gabe Gottes, die jedem zuteilwird, der zu Gott umkehrt. Diese Begegnung wird ihr Leben ganz verändert haben. Die Frau ist gleichzusetzen mit jenem Schuldner in Jesu Gleichnis, dem besonders viel erlassen wird.
Wir müssen uns einer wichtigen Sache bewusst werden: Jesus lobt die Sünderin im heutigen Evangelium nicht wegen ihrer Sünden. Diese kann er nicht ausstehen. Aber er lobt ihre Reue und Umkehrbereitschaft. Jesus liebt den Sünder, nicht die Sünde. Diese Stelle dürfen wir also nicht dazu missbrauchen, Sünden zu relativieren aufgrund eines falschen Barmherzigkeitsverständnisses. Das geschieht heutzutage leider allzu oft, insbesondere bei der Frage nach dem sechsten Gebot. Die Menschen erfahren Gottes Vergebung durch ihre Bereitschaft, ihr Leben zu verändern. Sie bleiben nicht im Zustand der Sünde. Möge Gott auch uns heute die Gnade schenken, unser sündhaftes Leben zu beenden und neu anzufangen, damit auch uns die Gnade der Vergebung geschenkt werde!

Ihre Magstrauss

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