Dienstag der 29. Woche im Jahreskreis

Röm 5,12.15b.17-19.20b-21; Ps 40,7-8.9-10.17; Lk 12,35-38

Röm 5
12 Deshalb: Wie durch einen einzigen Menschen die Sünde in die Welt kam und durch die Sünde der Tod und auf diese Weise der Tod zu allen Menschen gelangte, weil alle sündigten – 
15 sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteilgeworden. 
17 Denn ist durch die Übertretung des einen der Tod zur Herrschaft gekommen, durch diesen einen, so werden erst recht diejenigen, denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit reichlich zuteilwurde, im Leben herrschen durch den einen, Jesus Christus. 
18 Wie es also durch die Übertretung eines Einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so kommt es auch durch die gerechte Tat eines Einzigen für alle Menschen zur Gerechtsprechung, die Leben schenkt. 
19 Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern gemacht worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden.
20 Wo jedoch die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden,
21 damit, wie die Sünde durch den Tod herrschte, so auch die Gnade herrsche durch Gerechtigkeit zum ewigen Leben, durch Jesus Christus, unseren Herrn.

In der heutigen Lesung aus dem Römerbrief hören wir von der Verbindung zwischen dem ersten und dem zweiten Menschen. Der erste Mensch – Adam – hat uns alle ins Verderben gestürzt. Aber Gott hat uns so sehr lieb, dass er uns einen zweiten Menschen gegeben hat, den ersten Menschen der NEUEN Schöpfung! Und das ist Jesus. Und so wie durch einen einzigen Menschen das Unheil über alle gekommen ist, so ist durch die gerechte Tat eines anderen – nämlich Jesus! – Heil über alle Menschen gekommen! Paulus betont rhetorisch brillant, dass einer die ganze Menschheit unschuldig mit hineingezogen hat, die Gnade durch den anderen aber ebenso ohne ihr Zutun zuteilgeworden ist. Die Erlösung ist ein Geschenk, das wir uns alle nie im Leben hätten verdienen können.
Man muss an der Stelle bemerken, dass das Anliegen des Paulus im Römerbrief ist, die Gemeinden vor einer Rejudaisierung zu bewahren in dem Sinne, dass man die gesamte Torah auch als Heidenchrist halten müsse und die Beschneidung eine Zugangsvoraussetzung zur Taufe sei. Alles, was Paulus in diesem theologischen Traktat also schreibt, ist argumentativ darauf abgezielt, den Glaubensgehorsam gegenüber dieser Torah-Gesetzestreue zu verteidigen und zu zeigen: Nicht ihr habt euch selbst durch die Gesetzestreue erlöst, sondern Christus durch seine Erlösungstat.
Paulus stellt die Sünde des einen Menschen und die Gnade des einen Menschen nebeneinander und zeigt die gegenteilige Wirkung: Während durch Adam eine Verurteilung aller Menschen ohne ihr eigentliches Zutun geschehen ist (die Menschen konnten nicht in den Himmel, egal wie gerecht sie waren. Alle Gerechten des AT sind in die sogenannte Vorhölle gekommen, der einzige Trost war der „Schoß Abrahams“), sind durch die Gnade der Erlösung Christi die Menschen vor Gott gerecht geworden, haben also den Zutritt zum Himmel ohne ihr eigentliches Zutun erhalten! Die Gnade ist dabei unendlich größer als die Sünde, wie Vers 20 auch aussagt. Wo besonders große Sünde herrschte, ist besonders große Gnade zuteilgeworden. Deshalb sagt Jesus auch in seinen Gleichnissen, dass jene sich mehr freuen können, denen besonders viel Schuld erlassen worden ist (z.B. Lk 7,41-43). Denn während eine Übertretung alles zerstört hat, kann die Gnade alle Übertretungen wiedergutmachen, alle Sünden, die jemals begangen worden sind und noch begangen werden!
Der erste Mensch ist ungehorsam geworden. Das war seine Sünde. Und so ist der zweite Mensch durch seinen absoluten Gehorsam zur Sühne für uns alle geworden, damit wir nun wieder das Paradies in Aussicht haben, das von Anfang an für die Menschen bestimmt war und eine so lange Zeit geschlossen wurde!
Christus ist nicht nur Schöpfungsmittler der ersten Schöpfung als Logos. Er ist auch Schöpfungsmittler der neuen Schöpfung, indem durch seine Erlösungstat die Menschen zum ewigen Leben neugeboren werden! Dank sei dem Herrn!

Ps 40
7 An Schlacht- und Speiseopfern hattest du kein Gefallen, doch Ohren hast du mir gegraben, Brand- und Sündopfer hast du nicht gefordert.
8 Da habe ich gesagt: Siehe, ich komme. In der Buchrolle steht es über mich geschrieben.
9 Deinen Willen zu tun, mein Gott, war mein Gefallen und deine Weisung ist in meinem Innern.
10 Gerechtigkeit habe ich in großer Versammlung verkündet, meine Lippen verschließe ich nicht; HERR, du weißt es.
17 Frohlocken sollen und deiner sich freuen alle, die dich suchen. Die dein Heil lieben, sollen immer sagen: Groß ist der HERR.

Im heutigen Psalm drückt König David seine Dankbarkeit über die Gebetserhörung Gottes aus.
Die Aussage „an Schlacht- und Speiseopfern hattest du kein Gefallen…“ ist darauf zu beziehen, was dann in Vers 9 geschrieben steht: „deinen Willen zu tun“, also den Willen Gottes zu befolgen, ist das Entscheidende, ohne dass die Opfertätigkeit überflüssig wird. Dies müssen wir als rhetorische Wendung verstehen. Uns geht dies vor allem auf, wenn wir an den Gehorsam des neuen Adam aus dem Römerbrief denken. Jesus ist ein frommer Jude, der zu den Wallfahrtsfesten nach Jerusalem zieht, der mit seinen Jüngern am Sabbat in die Synagoge geht und die Psalmen betet. Und doch ist nicht dies entscheidend für den Herrn, sondern sein Gehorsam, mit dem er seinen Willen dem seines himmlischen Vaters unterstellt. Er hat bis zum letzten Atemzug am Kreuz den Gehorsam gelebt.
Gott hat uns „Ohren gegraben“ (Vers 7), damit wir nämlich seinen Willen hören und ge-hor-sam sein können. Es geht vor allem um die Ohren unseres Glaubens. Jesus wird immer wieder sagen: „Wer Ohren hat, der höre“. Er meint damit weniger die organischen Ohren, sondern vielmehr die Fähigkeit, gehorsam zu sein. So steht es auch bei den sieben Sendschreiben in der Johannesoffenbarung. Wenn Jesus diese Wendung immer wieder aufgreift, werden die frommen Juden eine Anspielung auf diesen Psalm erkannt haben. Diese Ohren zum Hören hat auch die Gottesmutter Maria vollkommen gelebt. Sie hat auf den Willen Gottes gehört, nicht nur hingehört, sondern auch auf ihn gehört. Das macht sie zur besten Jüngerin Jesu.
„Siehe ich komme“ und „in der Buchrolle steht es über mich geschrieben“ klingt ebenfalls wie die Johannesoffenbarung. Dort sagt der Menschensohn in Offb 22,17 „siehe ich komme bald“. Und die Buchrolle ist ein Leitmotiv gerade in der himmlischen Thronsaalvision der Kapitel 4-5. Das ist eine sehr messianische Aussage. Christus ist es, von dem in der Buchrolle geschrieben ist, nämlich in der gesamten Torah wird er schon bezeugt. Das möchte auch Paulus im Römerbrief betonen, um zu zeigen, dass die Torah nicht schlecht oder überflüssig geworden ist. Weil die gesamte Torah ein Zeugnis für Christus ist, kann dieser bei seiner „Antrittspredigt“ in Nazaret über die Jesajarolle sagen: „Das Schriftwort, das ihr gerade gehört habt, hat sich heute erfüllt.“ Und Jesus ist es auch, der „in großer Versammlung verkündet.“ Er lehrt in den Synagogen das Reich Gottes und wie der Vater ist. König David hat auch öffentlich gesprochen, auch er ist angekündigt worden als ersehnter König für das gesamte Volk Israel.
Auch wir sollen unseren Mund auftun und den HERRN vor allen bekennen. Auch wir sollen das Wort Gottes in unserem Herzen tragen („in meinem Innern“). Dann werden auch wir Gottes Willen stets erkennen und möchten ihn auch immer erfüllen. Dann haben wir „gegrabene Ohren“, sodass wir im Stand der Gnade bleiben können. Das Wort Gottes haben wir nicht nur in geschriebener Form im Herzen, sondern wir haben das Privileg, das fleischgewordene Wort zu empfangen. Wenn wir die Kommunion empfangen, kommt Jesus in unser Herz. Er bleibt dort, wenn wir es ihm erlauben, wenn wir Gottes Willen tun und nicht den Bösen in unser Herz lassen. Die Kirche hat das Wort Gottes in ihrem Innern, nämlich die Eucharistie. Sie ist ihr Herzschlag, die sie am Leben erhält. Jesus ist das größte und endgültige Opfer, sodass wir jetzt keine Brand- und Schlachtopfer mehr darbringen müssen wie das Alte Israel. Jesu Opfer wird in jeder Messe vergegenwärtigt, er stirbt nicht immer wieder, sondern sein einmaliger Tod wird in die jeweilige Gegenwart geholt. Von diesem Heilsereignis her sollen wir ein entsprechendes Leben führen und Gottes Willen erfüllen. Wir sollen von seiner Gerechtigkeit auch vor anderen bezeugen. Was David hier betet, sind die drei kirchlichen Grundvollzüge: Wir feiern Gottes Herrlichkeit, was Leiturgia genannt wird („ein neues Lied“, „einen Lobgesang“). Dies hat Jesus schon getan, wenn er gebetet hat, wenn er vor allem die Eucharistie eingesetzt hat am Abend vor seinem Tod und in seiner Kreuzigung. Wir setzen Gottes Willen um in der tätigen Liebe, was Diakonia heißt („deinen Willen zu tun war mein Gefallen“). Jesus hat immer wieder Menschen seelisch, psychisch und körperlich geheilt. Er hat sie in die Gemeinschaft zurückgeführt, indem er sie wieder kultfähig gemacht hat. Schließlich verkünden wir als Kirche die Weisung Gottes, was Martyria genannt wird („in großer Versammlung verkündet“). Diese große Versammlung ist in erster Linie die Eucharistiefeier, zu der die Gläubigen sich am Sonntag versammeln. Deshalb gibt es gerade dann eine Predigt. Genau dies hat Jesus in den Synagogen getan und überall, wo er das Reich Gottes verkündet hat. Die Kirche tut, was Jesus getan hat, was er von Davids Psalm erfüllt hat. Die Kirche folgt Jesus in den drei Grundvollzügen nach!
Zum Ende hin erfolgt eine Lobpreisaufforderung ganz im Psalmenstil. Alle sollen sich freuen, die Gott suchen. Sie können sich auch nur freuen, weil Jesus uns zugesagt hat: Wer suchet, der findet. Wer aufrichtig nach Gott sucht, wird ihn aber nicht nur finden, sondern sich vielmehr von ihm finden lassen, der uns zuerst geliebt hat! Das Heil zu lieben, wie es am Ende heißt, ist ein messianischer Ausdruck. Wir lieben das Heil Gottes, das einen Namen hat – Jesus, den Heiland, der alles gut macht.

Lk 12
35 Eure Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen!

36 Seid wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, der von einer Hochzeit zurückkehrt, damit sie ihm sogleich öffnen, wenn er kommt und anklopft!
37 Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen.
38 Und kommt er erst in der zweiten oder dritten Nachtwache und findet sie wach – selig sind sie.

Im Evangelium hören wir heute einen endzeitlichen Abschnitt. Jesus bringt ein Gleichnis an, das das Ende der Welt umschreibt und vor allem die Wachsamkeit aufgrund des unbekannten Datums verdeutlicht.
Zu Beginn bringt er zwei wichtige Bilder an: Seine Jünger sollen stets gegürtete Hüften und brennende Lampen haben. Gegürtet sein bedeutet einerseits, in den Krieg zu ziehen, zum Krieg gerüstet zu sein, andererseits bereit zur Reise zu sein, wie die Israeliten in der Nacht vor dem Exodus. Sie sollen also stets in dem Bewusstsein leben, dass sie geistlichen Anfechtungen ausgesetzt sind, durch die der Satan sie von Gott wegführen will. Zudem sollen sie stets bereit sein, als pilgerndes Gottesvolk unterwegs in die Ewigkeit zu sein. Das heißt auch, dass sie immer genug Reiseproviant dabei haben sollen, um unterwegs nicht zu verhungern und zu verdursten. Das sind die Heilsmittel der Kirche, die Eucharistie, das Himmelsbrot, und der Hl. Geist, das lebendige Wasser.
Sodann führt Jesus das Bild der Hochzeit an, das er sehr oft verwendet: Diese letzten Tage vor dem Ende der Welt sind wie das Warten von Menschen auf ihren Hausherrn, der von einer Hochzeit irgendwann zurückkehrt. Sie sollen wachsam sein und nicht einschlafen, um ihm aufmachen zu können. Es ist Christus selbst, der wiederkommen wird – aber dann der Bräutigam selbst ist! Mit ihm wird die Hochzeit erst losgehen. Und in der Johannesoffenbarung klopft er tatsächlich an und wartet auf Einlass. Das Ende der Welt ist nahe!
Und wenn die Knechte wach sind, wenn der Herr wiederkommt, dann können sie sich selig preisen. Wodurch können sie denn im schlafenden Zustand sein? Der Weltrausch ist es, der sie trunken macht, die „Begierden des Fleisches“, wie es Paulus formuliert, bringen den Menschen von seiner Wachsamkeit und Nüchternheit ab. Wenn wir der Welt folgen, dann verlieren wir diese Wachsamkeit, diesen Blick auf die Welt mit Gottes Augen. Wir fragen dann nicht mehr danach, was Gottes Wille ist, wir erkennen die Angriffe des Bösen, die Versuchungen des Teufels nicht mehr, sondern erliegen ihnen. Wer bis zum Schluss wachsam ist, ist kritisch gegenüber den antichristlichen Entwicklungen unserer Zeit, schwimmt gegen den Strom der Sünde und Weltlichkeit, bleibt standhaft, auch wenn er alleine dasteht. Es ist schmerzhaft und wird immer schlimmer, je weiter die Welt sich von Gott entfernt, aber wer bis zur Wiederkunft Christi durchhält, wird mit der Ewigkeit des Himmels belohnt! Deshalb preist Jesus diese Knechte selig.
Es wird ein Festmahl sein, bei dem Jesus selbst sich gürten und die Gäste nacheinander bedienen wird und das auf ewig! Das vorübergehende Leid der letzten Tage wird vergessen sein.
Und wenn es auch so sein sollte, dass der Hausherr erst nach längerer Zeit wiederkommen sollte, was die zweite oder dritte Nachtwache meint: Die Knechte sollen solange wach bleiben.
Für uns bedeutet das also konkret, dass wir Gottes Willen zu jeder Zeit und in jeder Situation vor Augen haben sollen, ihn treu erfüllen sollen und uns stets mit ganzer Kraft bemühen sollen. Der Geist Gottes, der in uns wohnt, stattet uns dabei immer mit seiner Gnade aus, damit wir wach bleiben. Der Weg in die Ewigkeit ist der Weg des Gehorsams. Das hat Christus selbst vorgemacht, wie Paulus uns erklärt hat. Das hat auch Maria als erste und beste Jüngerin vorbildlich nachgemacht. So können auch wir die Freude des Himmelreichs erlangen.

Ihre Magstrauss


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