Freitag der 30. Woche im Jahreskreis

Röm 9,1-5; Ps 147,12-13.14-15.19-20; Lk 14,1-6

Röm 9
1 Ich sage in Christus die Wahrheit und lüge nicht und mein Gewissen bezeugt es mir im Heiligen Geist:

2 Ich bin voll Trauer, unablässig leidet mein Herz.
3 Ja, ich wünschte selbst verflucht zu sein, von Christus getrennt, um meiner Brüder willen, die der Abstammung nach mit mir verbunden sind.
4 Sie sind Israeliten; ihnen gehören die Sohnschaft, die Herrlichkeit und die Bundesschlüsse; ihnen ist das Gesetz gegeben, der Gottesdienst und die Verheißungen;
5 ihnen gehören die Väter und ihnen entstammt der Christus dem Fleische nach. Gott, der über allem ist, er sei gepriesen in Ewigkeit. Amen.

In der heutigen Lesung aus dem Römerbrief beginnt Paulus das neunte Kapitel, in dem er über sein eigenes Leben erzählt. Die Einleitung in diese Autobiographie besteht aus einer kleinen Trauerrede über Israel.
Er betont ausdrücklich, dass er mit seinen Ausführungen des Briefes die Wahrheit sagt. Das muss er deshalb immer wieder tun, weil ein Konflikt im Hintergrund des Briefes steht. Es gibt Kräfte, die seine apostolische Sendung und Heidenmission infrage stellen. Dieser Konflikt ist im Galaterbrief besonders akut geschildert. Und nun bereitet er ja mit dem Römerbrief sein Kommen nach Rom vor, wobei er den römischen Christen als Missionar noch nicht bekannt ist. Hier muss er sich also rechtfertigen und gut vorstellen. Er stellt auch klar, wie seine Ansichten sind, damit er nicht missverstanden wird. So ordnen wir den ersten Vers in diese Richtung ein.
Er trauert und leidet wegen Israel. Er sagt sogar – und das ist rhetorisch zu verstehen – er möchte verflucht und von Christus getrennt sein um seiner Brüder willen. Was bedeutet das und warum sagt er solch blasphemisch klingende Worte? Die Bezeichnung „Brüder“ meint seine jüdischen Geschwister, zu denen er selbst gehört. Er ist ja selbst aus dem Hause Israel und ausgebildeter Pharisäer. Er sagt diese drastischen Worte, um die Römer erkennen zu lassen, wie sehr er mit den Juden noch solidarisch verbunden ist. Er ist zwar nun Christ, aber die jüdischen Geschwister liegen ihm weiterhin am Herzen. Und sie sind ihm so wichtig, dass er alles für sie tun würde. Das möchte er herausstellen, damit er nicht als Judenhasser missverstanden wird. Er spricht sich ja in den Kapiteln zuvor die ganze Zeit dafür aus, dass die Torah in ihrer rechtfertigenden Funktion durch die Erlösung Jesu Christi entkräftet worden ist. Er möchte hier also betonen, dass er nichts gegen das Judentum hat und ja selbst von ihm abstammt.
Er spricht weiterhin darüber, welchen Wert und welche besondere Erwählung die Juden haben, damit keiner ihn dahingehend missversteht, dass der Alte Bund aufgehoben wäre. Die Juden sind nicht aus dem Heilsplan Gottes herausgefallen. „Ihnen gehören die Sohnschaft, die Herrlichkeit und die Bundesschlüsse“. Das ist nicht zu leugnen. Gott hat ihnen die Torah gegeben (bei Paulus immer „Gesetz“), Gott hat ihnen durch Mose die Liturgie geschenkt, die vielen Verheißungen durch die Propheten. Ihnen gebührt eine Ehre, die auch durch den Neuen Bund nicht genommen ist. Die „Väter“, also die Heilsgestalten des Alten Testaments, kommen von den Juden, selbst Christus ist als Jude in diese Welt gekommen. Also kann man nicht anders, als die Juden in ihrer ganz besonderen Ehre anzuerkennen. Auch Paulus mit seiner Heidenmission, mit seinem Plädoyer für ein christliches Leben ohne Reinheitsgebote und Beschneidung möchte nichts von der Torah abschaffen. Er möchte nicht gegen sie hetzen, sondern die neue Epoche der Heilsgeschichte, die fleischgewordene Torah verkünden.

Ps 147
12 Jerusalem, rühme den HERRN! Lobe deinen Gott, Zion! 

13 Denn er hat die Riegel deiner Tore festgemacht, die Kinder in deiner Mitte gesegnet. 
14 Er verschafft deinen Grenzen Frieden, er sättigt dich mit bestem Weizen. 
15 Er sendet seinen Spruch zur Erde, in Eile läuft sein Wort dahin.
19 Er verkündet Jakob sein Wort, Israel seine Gesetze und seine Entscheide. 
20 An keinem anderen Volk hat er so gehandelt, sie kennen sein Recht nicht. Halleluja!

Heute beten wir einen Lobpreispsalm, der wirklich tröstlich ist. Jerusalem wird zum Lobpreis Gottes aufgefordert aufgrund der Gnade, die Gott ihm erwiesen hat („er hat die Riegel deiner Tore festgemacht“, „er verschafft deinen Grenzen Frieden“, „er sättigt dich mit bestem Weizen“). Zugleich ist nicht nur die Stadt selbst gemeint, sondern ganz Israel damit eingeschlossen. Dies sehen wir spätestens an dem Vers 19, wo Jakob bzw. Israel thematisiert werden und auch im darauffolgenden Vers der Vergleichswert eines anderen Volkes genannt wird.
Gott hat somit nicht nur die Kinder der Jerusalemer gesegnet, sondern alle Kinder. Er verschafft den Grenzen des ganzen Landes Frieden, sättigt das ganze auserwählte Volk.
Wir lesen diese Worte noch weiter bis zu Jesus und dem neuen Volk, das dieser im neuen Bund erwählt hat – uns, die Kirche, die Gemeinschaft der Gläubigen. Auch unsere Grenzen sichert er (wenn wir ihn lassen und nicht für alles und jeden offen sind, bis wir nicht mehr ganz dicht sind…). Auch uns sättigt er mit dem besten Weizen – mit der Eucharistie. Er segnet unsere Kinder, indem er sie zu Kindern seines Reiches macht in der Taufe. Er verschafft uns einen umfassenden inneren Frieden, den die Welt nicht geben kann, den wahren Schalom, den der auferstandene Christus seinen Aposteln verheißen hat.
Wenn die Rede davon ist, dass Gott „seinen Spruch zur Erde“ sendet, meint es zunächst die Offenbarung Gottes an einzelne Propheten. Es meint aber auch weitergedacht Jesus selbst, das fleischgewordene Wort Gottes, das Gesprochene Gottes. In dieser Leserichtung ist Vers 15 höchst messianisch! In Eile läuft das Wort Richtung Erde, bald, sehr bald kommt der Messias! Wir dürfen diese Aussage neben dem ersten Kommen des Wortes Gottes auch auf das zweite Kommen am Weltende beziehen, das kurz bevor steht!
In dieser Linie können wir auch Vers 19 verstehen: Das Wort, das Gott Jakob verkündet, ist nicht nur die Torah (, was hier wörtlich gemeint ist), die Gesetze und Entscheide, sondern eben auch das Wort Gottes, das fleischgeworden ist, Jesus Christus! Und da dürfen wir „Jakob“ nicht überlesen. Zuerst wird Jesus, der Messias den Juden verkündet! An sie ist die Verkündigung zuerst gerichtet. Sie waren es, zu denen Jesus als erstes gekommen ist, bevor er zu den Heiden ging. Sie sind das auserwählte Volk Gottes, zu dem das Wort Gottes gesandt worden ist und zu denen das Wort Gottes selbst gehört! Jesus hat ihre DNA!
Dies ist so ein Privileg, wie man es nie zuvor und nie danach sehen wird. Gott hat die DNA der Juden angenommen, denen die Biologie ja so wichtig ist. Als Jude wird man hineingeboren. Gott hat sein Wort Fleisch werden lassen, damit es sein Zelt aufschlage unter den Juden. Dieses Privileg hat kein anderes Volk gesehen. Das müssen wir erstmal so für sich stehen lassen und wir dürfen das nie vergessen.

Lk 14
1 Und es geschah: Jesus kam an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen. Da beobachtete man ihn genau.

2 Und siehe, ein Mann, der an Wassersucht litt, stand vor ihm.
3 Jesus wandte sich an die Gesetzeslehrer und die Pharisäer und fragte: Ist es am Sabbat erlaubt zu heilen, oder nicht?
4 Sie schwiegen. Da berührte er den Mann, heilte ihn und ließ ihn gehen.
5 Zu ihnen aber sagte er: Wer von euch wird seinen Sohn oder seinen Ochsen, der in den Brunnen fällt, nicht sofort herausziehen, auch am Sabbat?
6 Darauf konnten sie ihm nichts erwidern.

Im Evangelium hören wir heute wieder von einer Heilung am Sabbat. Jesus ist zu jener Zeit bei einem Pharisäer zum Essen eingeladen. Anscheinend geschah diese Einladung nicht ohne Hintergedanken, denn als Jesus nun in Gesellschaft dieser „Überkorrekten“ ist, wird er genau beobachtet. Das entgeht ihm gewiss nicht und er weiß genau, was sie denken. Jesus ist Gott und er schaut in ihre Herzen.
Da ist ein Mann, der an „Wassersucht“ leidet. Was ist damit gemeint? Man muss sich das so vorstellen, dass er unter Ödemen leidet, Wassereinlagerungen, die wahrscheinlich von einem Nierenleiden kommen und die sich vor allem im Gesicht bemerkbar machen.
Es ist also eigentlich keine Krankheit, sondern ein Symptom für eine Nierenkrankheit. Damit ist natürlich nicht zu spaßen, da die Nieren lebensnotwendige Organe darstellen. Jesus heilt diesen Mann jedenfalls, bevor er ihn gehen lässt.
Bevor es aber zu der Heilung kommt, möchte er den Pharisäern und Gesetzeslehrern eine Lektion erteilen und fragt sie deshalb: „Ist es am Sabbat erlaubt zu heilen, oder nicht?“ Diese Frage hat er schon gestellt, als es um eine durch dämonischen Einfluss gekrümmte Frau ging. Auch hier vergleicht er die Heilungsabsicht mit der Sorge um das Vieh am Sabbat. Auch einen Ochsen oder das eigene Kind zieht man aus dem Brunnen, wenn es hineingefallen ist, auch wenn es Sabbat ist. Da stellt man sich gar nicht die Frage, ob die Rettungsaktion als Arbeit zu deuten ist oder nicht. Warum wird das also bei jemandem gemacht, dessen Leben ebenso bedroht ist durch die „Wassersucht“? Er ertrinkt vielleicht nicht im Brunnen, aber sein Körper ist dennoch mindestens derselben Gefahr ausgesetzt. Was Jesus diesen „Überkorrekten“ sagen möchte, ist: Jemanden am Sabbat zu heilen, ist ein Akt der Barmherzigkeit. Der Sabbat ist dafür da, Gott die Ehre geben zu können und auch den Arbeitern, dem Vieh, der Natur eine Pause zu gönnen, also auch hier „barmherzig“ zu sein. Dass man am Sabbat also nicht arbeitet, ist die Voraussetzung, damit man Zeit für den Gottesdienst und die Barmherzigkeit hat. Es ist also über das Ziel hinaus geschossen, wenn man einen Menschen sterben lässt, weil seine Heilung als „Arbeit“ begriffen wird. Dahinter steckt ja die Ansicht, dass Gott so grausam ist, dass er unter allen Umständen und über Leichen gehend die Einhaltung des Sabbats fordert. Dabei ist Gott der Gerechte und der Barmherzige. Seine Gebote verhelfen uns vielmehr zu einem glücklichen Leben. Gott liebt uns und möchte unser Heil. Das steht hinter seinen Geboten.
Deshalb heilt Jesus den Mann und macht die Pharisäer und Schriftgelehrten sprachlos. Wir wissen nicht, wie es ausgegangen ist. Vielleicht handelt es sich bei diesen Gästen um Einsichtige, die durch Jesu Worte zum Nachdenken gekommen sind. Vielleicht aber sind sie Verstockte, die umso mehr entschlossen sind, Jesus umzubringen. Es bleibt offen, damit auch wir darüber nachdenken. Gott spricht auch heute wieder durch die Hl. Schrift zu uns. Wir werden nicht nur dadurch perfekter, dass wir die Gebote noch besser halten, sondern auch durch das zunehmende Maß an Liebe, mit der wir sie halten. Letztendlich steht dahinter die Beziehung zu Gott, an der wir stets arbeiten müssen. Wenn wir schon hier auf Erden eine große Intimität mit Gott erlangt haben, werden wir bereit sein für die himmlische Intimität mit Gott.

Ihre Magstrauss

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