Samstag der ersten Adventswoche

Jes 30,19-21.23-26; Ps 147,1-2.3-4.5-6; Mt 9,35-10,1.6-8

Jes 30
19 Ja, du Volk auf dem Zion, das in Jerusalem wohnt, ganz sicher wirst du nicht mehr weinen. Ganz sicher wird er dir gnädig sein auf die Stimme deines Hilfegeschreis hin; sobald er es hört, antwortet er dir. 
20 Der Herr wird euch Brot der Not und Wasser der Bedrängnis geben und deine Lehrer werden sich nicht mehr verbergen, sondern deine Augen werden stets deine Lehrer sehen. 
21 Deine Ohren werden ein Wort hinter dir hören: Dies ist der Weg, geht ihn, auch wenn ihr nach rechts oder links abbiegen wolltet!
23 Dann wird er Regen geben deiner Saat, die du auf den Acker gesät hast, und das Brotkorn, der Ertrag des Ackers, wird üppig und fett sein. Deine Herden werden an jenem Tag auf weiten Wiesen weiden. 
24 Die Rinder und Esel, die den Acker bearbeiten, fressen Futter mit Sauerampfer, das man mit Schaufel und Gabel ausstreut. 
25 Auf jedem hohen Berg und auf jedem aufragenden Hügel werden Bäche, Wasserläufe sein am Tag des großen Mordens, wenn Türme einstürzen.
26 Dann wird das Licht des weißen Mondes wie das Licht der heißen Sonne und das Licht der heißen Sonne wird siebenfach hell sein wie das Licht von sieben Tagen, an dem Tag, an dem der HERR den Bruch seines Volkes verbindet und die Wunde seines Schlages heilt.

Das Volk auf dem Zion bzw. in Jerusalem ist im Wortsinn entweder auf das ganze Volk Israel zu beziehen oder auf das Südreich Juda. Im Kontext von Jesaja kann man eher vom zweiten ausgehen. Darüber hinaus ist es allegorisch zu betrachten und meint das Volk Gottes, die Kirche. Moralisch gesehen meint es den einzelnen getauften Christen, in dessen Herz, das der Zion ist, Gott wohnt. Schließlich ist es auf das himmlische Zion bzw. Jerusalem zu beziehen. Mit diesem vierdimensionalen Blick macht das Ende des Weinens einen vierfachen Sinn: Das Volk muss nicht mehr weinen, weil es von den sich ablösenden Fremdherrschaften befreit sein wird. Das Volk Gottes muss nicht mehr Verfolgung und Hass erleiden. Der Mensch muss nicht mehr wegen Versuchung und Sünde weinen. Die Welt wird nicht mehr über den Bösen weinen am Ende der Zeiten. Der Hilfeschrei in jeder dieser Situationen wird erhört werden.
Auch wenn Gott Situationen der Prüfung zugelassen hat (Brot der Not und Wasser der Bedrängnis, übrigens steht im Hebräischen die Vergangenheit), überlässt er die zu Prüfenden ihrem Schicksal nicht. Er schickt ihnen Lehrer ( מוֹרֶה more), die sie anweisen. Das ist die Signatur Gottes – nicht das Leid wegzunehmen, sondern Kraft zu schenken, um das Leid tragen zu können. Wenn man Gottes Willen tut, wird man Segen haben (Regen, üppiger Ertrag etc., gesundes Vieh, Wasser). Auch wenn für „Lehrer“ nicht das Wort „rabbi“ steht, denken wir diese Verheißung, die noch aussteht messianisch (die hebräischen Verben sind erneut Zukunftsformen). In dieser Lesart ist es eine tröstliche Zusage, dass die Menschen ihren Lehrer mit den eigenen Augen sehen werden. Der Messias wird nicht einfach in der Welt wirken, sondern für alle sichtbar umher wandeln. Dann wird der greise Simeon bei der Opferung im Tempel sagen: „Denn meine Augen haben das Heil gesehen, dass du vor allen Völkern bereitet hast.“ Wenn dann Beispiele für Gottes Segen aufgezählt werden, fällt die Paarung Rinder-Esel auf. Hier geht es ja um einen landwirtschaftlichen Kontext, der später ja zur Metapher für die Evangelisierung wird. Wir denken auch an den Stall, in dem diese beiden Tiere vertreten sein werden. Auffällig ist auch die Rede von den Himmelskörpern und dem Licht, das heller sein wird als üblich (siebenfach ist wiederum der Zahlencode für die maximale Leuchtkraft). Mit dem Messias kommt eine umfassende kosmische Veränderung. Wir denken vielleicht an den Stern von Bethlehem, den die Weisen aus dem Morgenland haben aufgehen sehen. Die Menschen, die damals diesen Stern gesehen haben, müssen an Jesajas Verheißung gedacht und das Kommen des Messias mit Freude erwartet haben. Dies wird vor allem für jüdische Gruppierungen wie die Essener gegolten haben. Sie haben den Messias ganz besonders erwartet. Warum aber verbindet sich eine kosmische Katastrophe mit dem Kommen des Messias? Und strahlt der Stern von Bethlehem siebenmal heller? Hier ist doch die Rede vom Mond? Das hat damit zu tun, dass wir weitergehen müssen. Es meint nicht nur das erste Kommen des Messias als kleines Kind in Bethlehem. Es meint vor allem das zweite Kommen, die Wiederkunft des verherrlichten Menschensohns am Ende der Zeiten! Dann wird der Kosmos zusammenbrechen und weltweit Chaos herrschen (ethisch und zivilisatorisch, denn es wird ein Tag des Mordens und Türme stürzen ein). Das alles muss geschehen, weil die Schöpfung und die Weltgeschichte auf Null gesetzt werden. Erst dann kann die neue Schöpfung kommen – und der Anfang dieser Neuschöpfung ist der Messias! Er wird den Bruch des Volkes heilen, die Wunde versorgen. Er wird den neuen Bund zwischen Gott und der ganzen Menschheit schließen. Die Juden haben den Messias zunächst so verstanden, dass er eine Art politische Figur, gleichsam ein Befreiungskämpfer sei, der das Volk aus der Fremdherrschaft befreien wird, der einen politischen Frieden erwirken wird. Deshalb ist die Erfüllung der Verheißung durch Jesus Christus im NT eine einzige Lektion für sie. Jesus zeigt ihnen dann, dass er ganz anders ist, als sie erwarten. Er zeigt ihnen auch auf, wie der messianische Frieden wirklich ist.

Ps 147
1 Halleluja! Ja, gut ist es, unserem Gott zu singen und zu spielen, ja, schön und geziemend ist Lobgesang. 
2 Der HERR baut Jerusalem auf, er sammelt die Versprengten Israels. 
3 Er heilt, die gebrochenen Herzens sind, er verbindet ihre Wunden. 
4 Er bestimmt die Zahl der Sterne und ruft sie alle mit Namen.
5 Groß ist unser Herr und gewaltig an Kraft, seine Einsicht ist ohne Grenzen.
6 Der HERR hilft auf den Gebeugten, er drückt die Frevler zu Boden
.

Der Psalm ist ein einziger Lobpreis an Gott. Auch heute besagt er, dass das Lob Gottes angemessen ist – unabhängig davon, wie es dem Preisenden geht. Die Gründe für das Lob werden aufgezählt. Gott baut Jerusalem auf und sammelt die Versprengten Israels. Das meint historisch-wörtlich zunächst den Aufbau der Stadt nach dem Exil und die Rückkehr derer, die vertrieben worden sind. Dies meint aber auch die Kirche, die von Christus aufgebaut wird. Lesen wir diesen Psalm allegorisch, geht uns neu auf, dass die Kirche Werk Gottes ist. Wir machen unsere Kirche nicht selbst, sondern Christus baut sie auf nach seinem Willen (Mt 16 nämlich auf jenem Felsen, den er dafür ausgesucht hat). Er sammelt die Versprengten – das bezieht sich nicht mehr auf das Volk Israel im wörtlichen Sinn, sondern auf jene, die ihn annehmen – Juden und Heiden gleichermaßen! Er sammelt sie durch seine Verkündigung und die Kirche führt dies weiter in seiner Nachfolge. Er baut auch moralisch betrachtet den Tempel des Hl. Geistes im Menschen und zieht ihn zu sich zurück, wenn er sich durch ein gottloses Leben von IHM entfernt. Er tut dies durch das Gewissen und durch Situationen, in denen er dem Menschen die Chance zur Umkehr gibt. Und wie kommt der Sünder, der durch die Sünde im Exil gelandet ist, zurück? Durch das Sakrament der Beichte. Am Ende der Zeiten – und diese anagogische Sicht hat den stärksten Bezug zum Jesajatext heute – wird Gott die Versprengten zu sich ins himmlische Jerusalem holen, nachdem er einen neuen Himmel und eine neue Erde geschaffen hat, nachdem das himmlische Jerusalem sich in ihrer Mitte etabliert hat. Dann werden die Rückkehrer keinen neuen Tempel bauen müssen, denn Gott selbst wird in ihrer Mitte wohnen.
Wir haben diese ausstehende Verheißung schon ansatzhaft mit Jesu Kommen auf die Erde erfahren und feiern sie sakramental in der Kirche weiter. Jesus hat geheilt, körperlich und seelisch. Er hat so viele Menschen getröstet und ihre vielfältigen Wunden geheilt. Denken wir nur an die blutflüssige Frau. Er hat nicht nur ihre Krankheit geheilt, sondern dafür gesorgt, dass sie auch in der Gemeinschaft nicht mehr ausgeschlossen wird. Ebenso verhält es sich mit den Aussätzigen, die ausgegrenzt worden sind. Er ist nicht zu den Mächtigen gegangen und diente diesen, sondern er widmete sich den Verpönten, Ausgegrenzten, Elenden und Armen. Er nahm auch kein Blatt vor dem Mund, wenn er den Mächtigen begegnete, insbesondere der Tempelelite. Die Menschen haben seine Taten verstanden und deshalb Gott die Ehre gegeben. Wir feiern die Sakramente und sehen dieselben Heilstaten auch heute: Menschen erfahren innere Heilung in der Beichte und der Eucharistie. Sie erfahren auch noch körperliche Heilung! Die Menschen kehren um und ihr chaotisches Leben ordnet sich wieder nach und nach. Ihnen wird ein ganz neues Leben geschenkt. Gott ist so gut und verdient unser ewiges Lob!

Mt 9-10
35 Jesus zog durch alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte alle Krankheiten und Leiden. 
36 Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. 
37 Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. 
38 Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!
1 Dann rief er seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen.
6 sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel! 
7 Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe! 
8 Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.

Was insbesondere im Psalm anklingt, wird im heutigen Evangelium berichtet. Jesus verkündete und heilte alle Krankheiten und Leiden. Jesus ist der Messias und ließ es durch seine Heilstaten die Menschen wissen. Jesus zeigt das Herz Gottes, denn er hat Mitleid mit den Menschen. Dann greift das Evangelium etwas Entscheidendes aus Jesaja auf: Hier in der Einheitsübersetzung heißt es „müde und erschöpft“. Das zweite Wort ἐρριμμένοι errimenoi bedeutet wörtlich eigentlich „hingeworfen“ bzw. „verbannt, ausgesetzt“. Es wird auch verwendet, wenn man kurz vorm Verdursten ist. So interpretiert es z.B. auch die Elberfelder Übersetzung (da steht „verschmachtet“). Das führt uns wiederum zu Jesaja: Jesus sieht die „Versprengten Israels“ – seinerzeit sind es die Aussätzigen, die Witwen, die Waisen, die Sünder, die Armen etc. Es handelt sich um gesellschaftlich Versprengte, die Jesus sammelt als seine Jüngerschar. Aus ihnen baut er die Kirche, die Gemeinschaft der Gläubigen. Zugleich sieht er ihren Durst und ihre Erschöpfung. Einerseits liegt das an ihrer Perspektivlosigkeit durch die gesellschaftlichen Missstände. Dies ist aber nicht der entscheidende Punkt. Jesus geht es nie, ich wiederhole NIE, nur um weltliche Dinge, um unser irdisches Wohlbefinden. Alles, was er tut, zielt auf das ewige Leben, die innere Heilung, den seelischen Trost, den Glauben an Gott ab. Jesus will die Menschen innerlich aufrichten und ihnen Wasser gegen das Verschmachten und Brot gegen die Erschöpfung geben – nun die göttliche Gabe, nicht mehr das Wasser und Brot der Bedrängnis aus Jesaja! Das ist aber nicht nur leiblich gemeint, sondern eben mit Blick auf das ewige Leben – die Eucharistie und das lebendige Wasser, der Hl. Geist! Auch uns persönlich möchte Jesus immer wieder neu stärken und tränken, damit wir gestärkt ihm nachfolgen können. Und Gott hat Mitleid mit jedem Menschen. Er leidet wegen jedem Einzelnen, der sich von ihm entfernt und dann verkümmert ganz ohne Essen und Trinken (der Seele!). Er möchte unser Hirte sein, der sich um uns kümmert. Und doch lässt er uns die Freiheit, von ihm wegzugehen. Jesus führt die Menschen im heutigen Evangelium wieder auf die Eucharistie zu, aber vor seinem Opfertod nährt er sie mit dem Wort Gottes. Er hat es zu dem Zeitpunkt im Evangelium ja noch nicht vollendet. Er verkündigt also zunächst die frohe Botschaft vom Reich Gottes in den vielen Städten. Er möchte Hirte sein und merkt doch, wie viel zu tun ist. Deshalb spricht er vom Weinberg und den wenigen Arbeitern. Jesus möchte, dass wir um Arbeiter beten. Das taten wir vor zwei Tagen auf besondere Weise, wie Jesus es uns auftrug – wie jeden ersten Donnerstag im Monat (oder zumindest vor dem Herz-Jesu-Freitag) beten wir um geistliche Berufe, insbesondere um heilige Priester. Wir beten um Arbeiter im Weinberg des Herrn, insbesondere für jene, die uns mit dem Brot des Lebens versorgen wie Jesus damals die Menschenmenge. Wir beten für jene, die uns auf besondere Weise mit dem Hl. Geist begaben durch die Firmung. Kein Laie hat die Vollmacht, uns die Eucharistie zu bringen. Deshalb brauchen wir die Priester, die das in persona Christi tun. Wir können alle Arbeiter im Weinberg des Herrn sein und den Hl. Geist auf uns herabrufen. Doch gibt es einzelne Berufene, die den besonderen Auftrag dazu bekommen haben, so wie der Zwölferkreis, den Jesus berufen hat. Nur sie können uns die von Christus gestifteten Heilsmittel, die Sakramente geben. Was Jesus ihnen aufträgt, ist die Weiterführung der messianischen Taten bis in unsere heutige Zeit hinein: Heilung und Befreiung. Er stattet sie umsonst mit den Geistesgaben aus und umsonst sollen sie sie für die Menschen einsetzen.

Der Weinberg des Herrn kommt zur Reife. Bis Weihnachten können auch wir schauen, wie wir uns in ihm nützlich machen können. Bilden wir uns dafür aus und halten wir uns bereit. Bald kommt Immanuel.

Ihre Magstrauss

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