Freitag der zweiten Adventswoche

Jes 48,17-19; Ps 1,1-4.6; Mt 11,16-19

Jes 48
17 So spricht der HERR, dein Erlöser, der Heilige Israels: Ich bin der HERR, dein Gott, der dich lehrt, was Nutzen bringt, und der dich auf den Weg führt, den du gehen sollst. 
18 Hättest du doch auf meine Gebote geachtet! Dein Heil wäre wie ein Strom und deine Gerechtigkeit wie die Wogen des Meeres.
19 Deine Nachkommen wären wie der Sand und die Sprösslinge deines Leibes wie seine Körner. Ihr Name wäre in meinen Augen nicht getilgt und gelöscht.

Die heutige Jesajalesung ist in den Kontext eines längeren Tadels Gottes eingebettet. Gott erklärt durch Jesaja den Israeliten, dass ihre eigene Halsstarrigkeit sie ins Exil gebracht und er sie im Vorfeld gewarnt hat.
Gott kritisiert das Volk nicht, um es niederzumachen. Er erklärt ihnen im Nachhinein, welchen Fehler es begangen hat, um es in Zukunft zu vermeiden. Er lässt aber auch jetzt das Volk nicht allein, sondern nennt sich selbst „dein Erlöser“ ( גֹּאַלְךָ֖  go’alcha). Gott erlöst sein Volk in erster Linie von der babylonischen Gefangenschaft und erklärt zugleich, dass es die Folge ihrer Sünde sei (Vers 18). Damit verweist er auf Christi Erlösung: Er hat die ganze Menschheit von der Sünde erlöst. Freilich nehmen nicht alle diese Erlösung an und die Neigung zur Sünde ist immer noch da. Aber wir haben die Chance, durch seine Gnade dennoch das Himmelreich zu erlangen. Der Fluch der Erbsünde ist von uns genommen. In Christi Nachfolge tut die Kirche das immer noch, wenn sie Menschen tauft und zu Erben des Reiches Gottes einsetzt. Die Kirche vergibt in der Vollmacht Christi die Sünden in der Beichte und spendet in der Vollmacht Christi die Heilsmittel auf dem Weg zur Heiligkeit.
Gott erklärt hier durch Jesaja, dass er den richtigen Weg erklärt hat. Er hat die Gebote vorgegeben und das Heil in Aussicht gestellt. In erster Linie leidet der Mensch deshalb, weil er die Konsequenzen für seine Sünden tragen muss – oder die der anderen leiden müssen! Das verpasste Heil wird wie in der gestrigen Jesajaperikope mit Wassermetaphern umschrieben. Das ist kein Zufall. Moralisch nennen wir den heilsamen Zustand, den wir durch das Halten der Gebote durchleben, Stand der Gnade. In diesem Stand kann Gottes Geist in/durch uns wirken. Und eine ganz prominente Metapher für den Hl. Geist stellt das lebendige Wasser dar! Hätten die Israeliten auf die Gebote Gottes gehört (in den Versen vor diesem Abschnitt wird z.B. Götzendienst genannt), hätte das Volk Segen gehabt. Es wäre nicht in die babylonische Gefangenschaft gekommen. Dies betrifft uns als Kirche heute auch noch. Wo wir uns von Gottes Geboten verabschieden, haben wir keinen Segen. Wenn wir nicht mehr verkündigen, keine Katechese mehr anbieten, die Predigten eher an Parteireden erinnern und die Geistlichen die Zehn Gebote für nicht mehr als gültig erachten, dann laufen ihnen die Gläubigen weg. Dann schrumpft die Kirche und wird angreifbar für ideologische, atheistische oder andersgläubige Angriffe. Wenn Kirche die Zügel selbst in die Hand nehmen will, bleibt kein Raum mehr für den Hl. Geist, der ihr „Wogen des Meeres“ und „Ströme“ des Heils hätte geben können.
Für die Israeliten war es entscheidend, den eigenen Namen durch Nachkommenschaft weiter zu geben. Fruchtbarkeit und viele Nachkommen waren deshalb Ausdruck des Segens Gottes. Diese hat sich das Volk durch die eigenen Sünden selbst verwehrt, so erklärt Gott. Dies betrifft auch die Kirche. Sie ist die Mutter der Gläubigen, die durch die Taufe neues Leben ins Dasein ruft. Wo in ihr aber Menschen gegen Gottes Willen leben, wird sie unfruchtbar, weil sie nicht mehr missionarisch wirkt. Es kommen immer weniger Menschen, um sich taufen zu lassen. Diese sind die Nachkommenschaft der Kirche, die ausbleibt. Und auch wir sollen Frucht bringen. Nicht nur biologisch, sondern auch in den Menschen. Wir sollen dies in Christi Nachfolge, denn dieser sagte, dass wir nur in Verbindung mit ihm, dem wahren Weinstock, Frucht bringen können (Joh 15). Es geht über das Biologische hinaus, weil Jesus hier von der neuen Schöpfung redet. Er ist die erste Frucht dieser neuen Schöpfung. Fruchtbarkeit im geistigen Sinne ist auch für uns heute ein Zeichen des Segens Gottes. Am Ende unseres Lebens werden wir das ganze Ausmaß sehen. Wenn wir uns in unserem Leben von der Quelle entfernt haben, werden wir jetzt voller Schmerz und Reue sehen, was wir verpasst haben und wo wir jetzt sein könnten. Stattdessen werden wir von der Quelle abgeschnitten sein. Kehren wir noch heute um, damit es erst gar nicht so weit kommt.

Ps 1
1 Selig der Mann, der nicht nach dem Rat der Frevler geht, nicht auf dem Weg der Sünder steht, nicht im Kreis der Spötter sitzt, 
2 sondern sein Gefallen hat an der Weisung des HERRN, bei Tag und bei Nacht über seine Weisung nachsinnt. 
3 Er ist wie ein Baum, gepflanzt an Bächen voll Wasser, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, es wird ihm gelingen. 
4 Nicht so die Frevler: Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht. 
6 Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten, der Weg der Frevler aber verliert sich.

Der Psalm führt diesen Gedanken des Segens Gottes weiter. Wer nach Gottes Geboten lebt, ist ganz an der Quelle und gedeiht. Er bringt Frucht! Es bezieht sich hier im Text auf die Torah und ist als Paränese für die Juden gedacht. Doch darüber hinaus werden auch wir damit angesprochen. Wir haben Segen in unserem Leben, wenn wir die Gebote halten. Denn dann sind wir mit dem Weinstock verbunden, der Jesus ist. Wir sind dann im Stand der Gnade und können darin Frucht bringen. Das bezieht sich auch auf unser Gebet. Wo wir im Stand der Gnade um etwas bitten, wird es uns gegeben (, wenn es Gottes Wille entspricht). Jesus sagt in Joh 15: „Getrennt von mir könnt ihr nichts tun“. Auch die Kirche muss mit dem Weinstock verbunden sein, wenn sie Frucht bringen will. Würde jemand ein Sakrament nicht gemäß Jesu Stiftungswillen spenden, wäre es ungültig. Wenn wir auch als Kirche nach Gottes Willen suchen, wird sie Bestand haben. Christi Kirche werden die Mächte der Finsternis dann nicht überwältigen.
Ganz nach dem zwei-Wege-Schema werden dann die Frevler beschrieben, die nicht nach den Geboten Gottes leben. Sie werden als „Spreu“ bezeichnet, „die der Wind verweht“. Das erinnert sehr stark an die Zerstreuung des Volkes Israel. Durch die babylonische Gefangenschaft wurden die Israeliten wie Spreu vom Wind verweht. Gott ist barmherzig und hat sie wieder gesammelt. So ist es auch mit der Kirche. Ihre Schafe zerstreuen sich in alle Richtungen, wenn sie keinen guten Hirten haben. Dieser ist Jesus, auf den sie hören sollen. Er hat Stellvertreter eingesetzt, doch diese werden ihrem Amt oft nicht gerecht. Wir Menschen kommen vom rechten Weg ab, wenn wir Gottes Gebote nicht halten. Dieser Weg hätte uns aber zum Himmelreich geführt. Gott ist so groß, dass er uns auch auf Abwegen immer wieder zurück auf den richtigen Weg navigiert, aber irgendwann ist es zu spät. Dann werden wir am Ende unseres Lebens an einem anderen Ziel ankommen, als uns lieb ist. Hören wir auf das Navigationssystem Gottes und wenden wir!

Mt 11
16 Mit wem soll ich diese Generation vergleichen? Sie gleicht Kindern, die auf den Marktplätzen sitzen und anderen zurufen: 
17 Wir haben für euch auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt; wir haben die Totenklage angestimmt und ihr habt euch nicht an die Brust geschlagen. 
18 Denn Johannes ist gekommen, er isst nicht und trinkt nicht und sie sagen: Er hat einen Dämon. 
19 Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt und sie sagen: Siehe, ein Fresser und Säufer, ein Freund der Zöllner und Sünder! Und doch hat die Weisheit durch ihre Taten Recht bekommen.

Auch im Evangelium geht es heute drastisch zu. Jesus wirft „dieser Generation“ vor, dass man es ihr nicht recht machen könne. Das Verhalten dieser Generation ist kindisch, deshalb wird auch der Vergleich mit Kindern auf dem Marktplatz verwendet. Gott liebt und wirbt immer noch um sein Volk, versucht verschiedene Methoden, es zu erweichen, doch es funktioniert nicht. Er schickt ihnen Johannes und versucht es, seine Braut mithilfe von Bußpredigt und Askese zur Umkehr zu bewegen. Stattdessen wirft man Johannes Besessenheit vor. Dann kommt Gott selbst und wird Mensch. Er kommt als Bräutigam, der Hochzeit feiert, damit die Braut endlich versteht, dass sie seine Braut ist! Doch Christus wird als Fresser und Säufer beschimpft. Die Braut hat die Zeit der Gnade nicht erkannt.
Es heißt zum Schluss, dass die Weisheit Recht bekommen habe. Gemeint ist, dass Gottes Vorsehung hinter beiden steht, Johannes und Jesus. Sie legitimiert beide Verhaltensweisen, unabhängig davon, ob die Menschen es annehmen oder nicht. Dies deutet schon an, dass diese göttliche Weisheit sich durchsetzen und sich offenbaren wird. Dies wird schon mit der Auferstehung Jesu der Fall sein, dies wird umso mehr offenbar am Ende der Zeiten, wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit wiederkommen wird. Dann werden es alle sehen und sich an die Brust schlagen. Auch wenn Jesus sehr drastische Bilder verwendet, ist es für uns eine Trostbotschaft: Auch wenn in unserer heutigen Zeit so viel Unrecht, Gottlosigkeit und Grausamkeit die Oberhand ergreift, wird sich am Ende die göttliche Weisheit durchsetzen. Alles ist eingebettet in den Heilsplan Gottes für die ganze Menschheit. Und auch so in der Kirche: Auch wenn wir jetzt so viele schwarze Schafe sehen, auch gerade unter den Geistlichen, auch wenn wir so viel liturgischen Missbrauch, Ignoranz gegenüber der Gebote Gottes, so wenig Liebe und Barmherzigkeit sehen, dürfen wir uns sicher sein: Gott ist größer als das alles und er wird die Kirche erneuern. Die Mächte der Finsternis werden sie nicht überwältigen.

Was hat das alles mit Advent zu tun und warum müssen auch wir uns angesprochen fühlen? Wir sind in der Zeit vor dem Kommen des Herrn. Jetzt ist fünf vor zwölf. Jetzt wirbt Gott besonders stark um uns, seine Braut. Legen wir in dieser Zeit unsere Starallüren ab und hören wir auf, uns über alles zu beklagen, was Gott schenkt oder zulässt. Nehmen wir alles als seinen Willen an oder als Umweg hin zu ihm, der das Ziel ist. Schauen wir auf uns selbst und fragen wir uns stattdessen, ob wir nicht einen Anteil an unserem eigenen Leiden haben. Auch da kann man nicht mathematisch vorgehen und längst nicht jedes Leid ist selbstverschuldet! Natürlich nicht. Aber wenn wir jetzt in diesem Advent vermehrt in eine Gewissenserforschung gehen, werden uns gewiss viele Dinge einfallen, die wir von uns aus ändern können. Dann werden wir uns wieder näher an die Quelle verpflanzen. Dann werden wir wieder Frucht bringen. Schauen wir auf Maria, die so sehr an der Quelle verpflanzt war, dass Gott in ihr sogar biologisch Frucht gebracht hat, nicht nur geistig. Lernen wir von ihr und werden wir ganz offen für seine Gnade. Dann wird Jesus auch in uns Frucht werden, in unserer Seele. Dann werden wir zu einem inneren Ort der Weihnacht.

Ihre Magstrauss

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