1 Kön 19,19-21; Ps 16,1-2 u. 5.7-8.9-10; Mt 5,33-37
1 Kön 19
19 Als Elija von dort weggegangen war, traf er Elischa, den Sohn Schafats. Er war gerade mit zwölf Gespannen am Pflügen und er selbst pflügte mit dem zwölften. Im Vorbeigehen warf Elija seinen Mantel über ihn.
20 Sogleich verließ Elischa die Rinder, eilte Elija nach und bat ihn: Lass mich noch meinem Vater und meiner Mutter den Abschiedskuss geben; dann werde ich dir folgen. Elija antwortete: Geh, kehr um! Denn was habe ich dir getan?
21 Elischa ging von ihm weg, nahm seine zwei Rinder und schlachtete sie. Mit dem Joch der Rinder kochte er das Fleisch und setzte es den Leuten zum Essen vor. Dann stand er auf, folgte Elija und trat in seinen Dienst.
Heute hören wir wie die letzten Tage von dem Propheten Elija. Gestern wurde bereits deutlich, dass Gott für Elija einen Begleiter auserwählt hat. In der heutigen Episode wird Elischa mitten aus seinem Alltag herausgerissen, indem er zum Begleiter des Elija berufen wird.
Elischa pflügt gerade auf dem Feld mit zwölf Gespannen, als Elija ihm begegnet. Dann wirft Elija seinen Mantel über den Mann. Diese Geste ist allseits bekannt, weshalb Elischa sofort reagiert. Eigentlich ist das ein Hochzeitsgestus, bei dem der Bräutigam seinen Mantel um die Braut legt, um ihr zu signalisieren, dass er sie bereitwillig in sein Haus aufnimmt. Im Kontext von Prophetenschulen stellt dieser Gestus analog die willkommene Aufnahme in das Haus des Propheten dar. Entscheidend ist dabei die Ablösung von der eigenen Familie – sowohl für die Frau als auch für den Propheten.
Und dies erkennen wir in der heutigen Geschichte daran, dass Elischa zum Propheten sagt: „Lass mich noch meinen Vater und meiner Mutter den Abschiedskuss geben; dann werde ich dir folgen.“ Aus diesem Grund schlachtet er auch seine Rinder und gibt ein Abschiedsmahl für seine Familie. Er lässt von seinem Besitz nichts mehr zurück. Selbst das Joch, unter das die Rinder gespannt waren, verwendet er als Brennholz.
Nach Abschluss dieses ganzen Ablösungsprozesses tritt Elischa in Elijas Dienst.
An dieser Geschichte erkennen wir, was geistliche Berufung ist. Wenn der Mensch für einen solchen besonderen Dienst von Gott gerufen wird, dann kann er nicht mehr die gewohnten Bahnen gehen. Alles, was ihn an die Welt bindet, familiäre Beziehungen, Besitz, die Sorgen dieser Welt, lässt er zurück, um ein eschatologisches Leben zu führen – ein Leben mit fast zwei Beinen in der Ewigkeit.
Wir sehen in dieser Geschichte, dass Elija Elischa noch diesen Ablösungsprozess erlaubt. Doch in den Evangelien wird Jesus tatsächlich viel radikaler sein: „Folge mir nach! Lass die Toten ihre Toten begraben.“ (Mt 8,22). Jesus wird seine Jünger noch an Ort und Stelle mitnehmen, um den Menschen zu signalisieren: Das Reich Gottes ist nahe, so nahe, dass es vor der Tür steht.
Ps 16
1 Ein Lied Davids. Behüte mich, Gott, denn bei dir habe ich mich geborgen!
2 Ich sagte zum HERRN: Mein Herr bist du, mein ganzes Glück bist du allein.
5 Der HERR ist mein Erbanteil, er reicht mir den Becher, du bist es, der mein Los hält.
7 Ich preise den HERRN, der mir Rat gibt, auch in Nächten hat mich mein Innerstes gemahnt.
8 Ich habe mir den HERRN beständig vor Augen gestellt, weil er zu meiner Rechten ist, wanke ich nicht.
9 Darum freut sich mein Herz und jubelt meine Ehre, auch mein Fleisch wird wohnen in Sicherheit.
10 Denn du überlässt mein Leben nicht der Totenwelt; du lässt deinen Frommen die Grube nicht schauen.
Als Antwort auf die Elijaerzählung beten wir einen vertrauensvollen Psalm. Er beginnt mit einer Bitte um Schutz. Gott schenkt Freude. Das wird durch das Bild des Bechers ausgedrückt. Der Psalmist drückt sein Vertrauen auf Gott aus, das er die ganze Zeit nicht verloren hat. Der Psalm ist von König David, von dem wir sehr viele Situationen kennenlernen. So oft stand sein Leben auf der Kippe, doch weil er sich dann ganz an Gott geklammert hat, hat dieser ihn auch aus den Nöten herausgeführt.
Auch Christus hat ein solches Vertrauensverhältnis zum Vater gezeigt. Er, dessen Leben komplett auf der Kippe stand, dessen Leben wie das eines Verbrechers weggeworfen wurde! Jesus hat bis zum letzten Atemzug dieses Vertrauen auf den Vater aufrechterhalten. Dieser war bis zum Schluss sein „ganzes Glück“. Elija fordert Elischa heraus, sein „ganzes Glück“ auf Gott zu setzen. Dieser nimmt die Herausforderung bereitwillig an und weil er alles gibt, wird er umso mehr zurückerhalten! Gott wird beide Männer behüten und sie werden sich im Laufe ihres Prophetendaseins ganz bei ihm geborgen wissen.
Gott ist Davids Erbanteil – er versteht, dass die ganze Verheißung des Landes und eines Lebens in Fülle von Gott kommt. Er ist es, der Freude schenken kann und das Los jedes Menschen in Händen hält (der Becher, vor allem der gefüllte, ist Zeichen der Freude). Und eben dies hat Christus intensiviert auf einem Niveau, an das kein Mensch heranreicht. Die Freude, die er auch noch am Kreuz nicht verliert (es meint keine Emotion, sondern eine tiefe Gewissheit, dass am Ende alles gut wird), ist ein absolutes Vorbild für alle Leidenden. Der Vater hat ihm den Becher gereicht – nach dem bitteren Kelch kam der Freudenwein, der bis heute gefüllt wird in jeder Heiligen Messe! Damit verbunden ist der Erbanteil für das Reich Gottes, der jedem getauften Christen zugeteilt wird. Der Wein wird auf vollkommene Weise ausgegossen am Ende der Zeiten, wenn die Hochzeit des Lammes kommt. Dann wird eine ewige Freude sein, die nie mehr enden wird! Auch Elija wird dies auf eine intensive Weise erfahren, wenn er direkt in die Ewigkeit entrückt wird.
Gott ist es auch, der dem Menschen Rat gibt. Er tut es durch das Innere des Menschen. Der Herr gibt es dem Menschen ins Herz, was er tun soll. Deshalb ist es wichtig, ein reines Herz zu behalten, stets im Stand der Gnade zu sein und ein geschärftes Gewissen zu haben (der Garant dafür ist das Sakrament der Versöhnung!). König David hat es selbst in den Nächten seines Lebens erfahren, das heißt vor allem im moralischen Sinne. Wenn er sich gegen Gott versündigt hat und die Konsequenzen seines Handelns zu spüren bekommen hat, hat er sich dennoch nicht aufgegeben und sich noch mehr an den Herrn geklammert. Dieser hat ihn von der Nacht wieder in den Tag geführt.
Und von Jesus wissen wir von der tiefsten Nacht. Diese hat er am Kreuz verspürt, auch wenn es keine moralische Nacht ist. Er ist selbst zur Sünde geworden, gemeint ist das Kreuz, doch selbst hat er nie gesündigt. Er ist in die Nacht des Todes hinabgestiegen, um am Ostermorgen mit dem Sonnenaufgang von den Toten aufzustehen! Und von Elijas Nacht des Lebens haben wir vor einigen Tagen ebenfalls gehört: Er setzte sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Doch Gott hat nicht zugelassen, dass er sich auf so eine Weise aufgibt.
David hat den HERRN beständig vor Augen, dieser ist zu seiner Rechten. Diese Worte weisen über ihn hinaus auf den Messias, der nun wirklich nach seinem Tod, seiner Auferstehung und Himmelfahrt den Vater beständig vor Augen hat! Er ist zu seiner Rechten, wie wir im Glaubensbekenntnis beten.
Jesus ist der erste der neuen Schöpfung, der sich freuen kann, ewig beim Herrn zu sein. Ihm werden wir es gleichtun, wenn wir bis zum Schluss standhaft geblieben sind und von Gott heimgeholt werden in die himmlische Heimat. Dann wird auch unser Herz sich ewig freuen. Und am Ende der Zeiten wird auch mein und unser Fleisch in Sicherheit wohnen, wenn die Seele sich mit ihm wieder vereinen wird. Dann werden wir mit unserem ganzen Dasein bei Gott sein so wie Jesus und auch Maria.
Der Grund ist klar: „Denn du überlässt mein Leben nicht der Totenwelt; du lässt seine Frommen die Grube nicht schauen.“ Wir müssen die Grube, die ewige Abgeschnittenheit von Gott und den seelischen Tod nicht schauen, der die Hölle ist. Wir dürfen leben. Das ist für uns der Grund für die unerschütterliche Hoffnung in unserem Leben. Es ist eine Freude, die uns schon in diesem Leben geschenkt wird, eine Gewissheit, die uns durch alles Leiden hindurchträgt. Von Elija können wir auch sagen, dass Gott ihn nicht der Totenwelt überlässt. Er stirbt nämlich nicht, sondern wird entrückt.
Mt 5
33 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören, und: Du sollst halten, was du dem Herrn geschworen hast.
34 Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron,
35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße, noch bei Jerusalem, denn es ist die Stadt des großen Königs!
36 Auch bei deinem Haupt sollst du nicht schwören; denn du kannst kein einziges Haar weiß oder schwarz machen.
37 Eure Rede sei: Ja ja, nein nein; was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen.
Im heutigen Abschnitt aus der Bergpredigt hören wir von dem Verbot, zu schwören. Die Alten verboten den Meineid und hielten die Gläubigen zur Einhaltung von Versprechen an, was auch gut ist. Das Problem ist, dass die Menschen Schwüre zunehmend inflationär gebraucht haben. Sie haben bei jeder Notlüge, die sie begangen haben, einen Schwur hinterher gesagt, um sich glaubwürdig zu machen. Das ist ein Missbrauch von Schwüren und Gelübden. Deshalb sagt Jesus, dass man gar nicht schwören soll, nicht weil Gelübde nicht gut sind, sondern weil man die Wahrheit sagen soll. Euer Ja sei ein Ja und euer Nein ein Nein. Es geht um Aufrichtigkeit, die schon im Herzen beginnt. Es ist wie mit der Rede von der Verstümmelung. Jesus möchte keine Selbstverletzung, er möchte auch nicht, dass jetzt keine Gelübde mehr abgelegt werden. Er möchte ein aufrichtiges Sprechen. Schwüre sind für besondere Situationen und schon gar nicht dafür, auf den Namen Gottes oder seinen Tempel etc. zu schwören, um den Namen Gottes zu verunehren. Das ist eine Sünde gegen das zweite Gebot.
Elischa hat heute in der Lesung sozusagen einen Eid abgelegt, indem er die Berufungsgeste akzeptiert hat. Er wird diesem Eid auch treu sein. Auch bis heute legen Menschen Gelübde ab, gerade die Ordensgelübde sind hier zu nennen. Gelübde an sich sind wie gesagt nicht das Verwerfliche. Jesus möchte, dass wir wahrhaftig sind, aufrichtig. Er möchte, dass unser Inneres unseren äußeren Verhaltensweisen entspricht. Und wenn wir ein Versprechen abgelegt haben – vor Gott oder vor Menschen -, sollen wir dieses auch halten. Deshalb ist es wichtig, dass man sich vorher gut überlegt, was man verspricht. Wenn es von Anfang an klar ist, dass man es nicht halten kann oder wird, soll man es nicht versprechen.
Heute hören wir viel von Gelübden, Versprechen, radikalen Nachfolgen und absolutem Vertrauen auf Gott. Möge der Herr uns seinen Geist senden, den Geist der Wahrheit, damit er aufdeckt, wo wir noch nicht ganz vertrauen, ihm noch nicht bedingungslos folgen und noch nicht ganz wahrhaftig sind.
Ihre Magstrauss